Angst macht Kasse: Wie NGOs Verbraucher täuschen

Datum des Artikels 28.02.2018
MittelstandsMagazin

Unter den sogenannten Nichtregierungsorganisationen gibt es einige schwarze Schafe. Mit emotionalen Angstkampagnen setzen sie Unternehmen unter Druck und täuschen die Verbraucher. Mehr Transparenz und Kontrolle sollten deshalb auch für diese Branche gelten.

Walter Trimpop aus Lüdenscheid ist auf manche Nichtregierungsorganisationen (englisch: Non-Governmental Organisations, kurz: NGOs) nicht gut zu sprechen. Auslöser dafür war ein Schreiben der Deutschen Umwelthilfe (DUH), das ihn vor einigen Jahren erreichte. Trimpops Autohaus hatte in einer Anzeige die Verbrauchs- und CO2-Emmissionswerte für einen Neuwagen in einer zu kleinen Schrift veröffentlicht. Laut DUH hat Trimpop deswegen gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, woraufhin die DUH Klage beim Landgericht Hagen gegen das Autohaus einreichte. Trimpop verlor den Prozess. „Die Deutsche Umwelthilfe brüstet sich mit Verbraucherschutz und füllt ihre Kassen mit Abmahnungen“, sagt der Mittelständler. Ob es wirklich sinnvoll sei, in einer Anzeige für Neuwagen die Kraftstoffverbrauchswerte in derselben Schriftgröße wie die Hauptaussage der Anzeige abzudrucken und ob das dem Verbraucher helfe, sei doch die eigentliche Frage hinter der Sache. „Da werden unsinnige Gesetze gemacht und die einzigen, die davon profitieren, sind die Abmahner“, so der Kfz-Mechaniker-Meister. Da das Landgericht der DUH im Fall Trimpop Recht gab, musste der Unternehmer 4000 Euro Strafe zahlen und die Prozesskosten tragen. „Seitdem achten wir penibel auf alle Angaben bei den Autos“, sagt Trimpop.

So wie Walter Trimpop geht es vielen Unternehmen. Laut einer Studie der Universität des Saarlandes wurde jedes vierte Unternehmen schon einmal von einer NGO angegriffen. Nicht nur Autohäuser erhalten Abmahnungen von der DUH, sondern auch die Lebensmittelindustrie oder Möbelhäuser. Damit nimmt die DUH jährlich Millionen ein. Die Einnahmen, die durch die Abmahnungen bei der DUH eingehen, deklariert die Organisation in ihrem Jahresbericht als „Verbraucherschutz“. Neben „Projektzuschüssen“, die zu einem großen Teil aus Fördergeldern des Bundes und der Europäischen Union bestehen, machen die Einnahmen aus dem „Verbraucherschutz“ den zweitgrößten Posten bei den Einnahmequellen der DUH aus. Diese Praktiken sind in der Öffentlichkeit meist unbekannt, denn häufig genießen NGOs bei Verbrauchern und Journalisten uneingeschränktes Vertrauen. Dabei sind sie Lobbygruppen mit ganz eigenen Interessen und die werden von Verbrauchern und Medien selten hinterfragt. Resultat sind oft Täuschungen der Verbraucher durch Angstkampagnen, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erlangen und dadurch Spendeneinnahmen zu generieren.

Bewusste Täuschung durch Emotionalisierung

Auch MIT-Mitglied Wolfgang Hinkel, ehemaliger Geschäftsführer bei einem großen Getränkedosenhersteller, kann Trimpops Ärger verstehen. Auch er hatte während seiner beruflichen Laufbahn immer wieder mit NGOs zu tun. Zwar befürwortet er grundsätzlich deren Aufklärungsauftrag: „Insbesondere wenn es hier fair und abgewogen zugeht ist das für eine Bewusstmachung hilfreich. Wenn es allerdings nur um die Verbreitung der eigenen politischen Meinung geht und dann auch noch Fairness und Ausgewogenheit missachtet werden, wird dieser Auftrag klar verletzt", so Hinkel. Ein prägnantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist ein Foto, das sich mit der Pfandeinführung im Jahr 2003 befasst.

Damals verbreitete die DUH nebeneinander zwei Fotos, die auf einer Wiese mitten in Berlin aufgenommen wurden. Zehn Tage vor der Pfandeinführung, so die Darstellung, sei die Wiese voller leerer Getränkedosen gewesen, nach der Pfandeinführung zeigte das Bild eine saubere Grünfläche. „Ich bin mir sicher, dass die beiden Fotos direkt hintereinander geschossen wurden, denn was schon erstaunlich ist: Die Uhr im Hintergrund zeigt dieselbe Uhrzeit auf beiden Bildern“, so Hinkel. „Auch die am Rand der Wiese abgestellten Fahrzeuge sind identisch, obwohl laut Begleittext zwischen beiden Aufnahmen 15 Tage liegen sollen. Es ist unwahrscheinlich, dass hier eine reale Situation wiedergegeben wird. Bild und Text legen aber nahe, dass es die Szenen tatsächlich so gegeben hat. Mit solchen Fotos werden die Verbraucher manipuliert“, beklagt Hinkel. Hinkel verweist zudem auf Studien, die zeigen, dass die Getränkedose wesentlich umweltfreundlicher ist, als der ihr angehängte Ruf. Trotzdem hätte sich die DUH bislang nicht auf einen sachlichen und fairen Dialog mit der Branche eingelassen.

Auf Anfrage des Mittelstandsmagazins teilt die DUH mit, dass sie sich dafür einsetze, dass Wirtschaft und Politik die Umweltgesetze und den Verbraucherschutz einhalten. In den letzten Jahren habe die NGO ihre Arbeit „aus gegebenen Anlässen“ intensiviert und führe dazu entsprechende Gerichtsverfahren. Auf den Vorwurf, dass dabei häufig mit der Angst der Verbraucher gearbeitet würde, reagiert die DUH nicht. Auch den Vorwurf, mit populistischen Instrumenten zu arbeiten, weist die NGO von sich und erklärt, dass die gewonnen Gerichtsprozesse die Organisation in ihrer Arbeit unterstützen würden. „Die Erfolge vor Gericht zeigen, dass unsere Argumente nicht populistisch, sondern fundiert sind“, sagt eine DUH-Sprecherin.

In der Öffentlichkeit werden NGOs und Unternehmen meist nach dem David-Goliath-Prinzip wahrgenommen. Sie inszenieren sich als Anwälte der Verbraucher und kämpfen gegen die aus ihrer Perspektive großen unmoralischen Unternehmen. Dabei setzen sie auf Emotionalisierung und Angst. Die Unternehmen werden mit medial höchst wirksamen Kampagnen konfrontiert. „Manche NGOs arbeiten dabei populistisch und demagogisch“, so der Autor und Kommunikationsexperte Jan-Philipp Hein. Sie würden vereinfachen, verdrehen und zuspitzen und oft völlig übertriebene Vorhersagen treffen. Die Strategie bestehe darin, ein Grundmisstrauen zu schaffen, so Hein. Neu sei allerdings, dass manche NGOs jetzt auch Verschwörungstheorien anbieten würden. „Es war schon immer üblich, der Industrie und der Wirtschaft jede Schweinerei zu unterstellen“, sagt Hein. „Aber im Zuge der Glyphosat-Debatte kam dann auch der Vorwurf an das staatliche und neutrale Bundesinstitut für Risikobewertung hinzu, gewissermaßen als verlängerter Arm der Industrie agiert zu haben. Wirtschaft und Politik vereint gegen die arglose und ihnen ausgelieferte Bevölkerung – dieses Zerrbild ignoriert nicht nur wissenschaftliche Fakten, sondern vergiftet das gesellschaftliche Klima“, sagt Hein.

Fakten werden ignoriert

Die Verbraucherorganisation Foodwatch positioniert sich deutlich gegen den Einsatz von Glyphosat. Sie schreibt auf ihrer Internetseite, dass sich die Experten bei der Bewertung von Glyphosat uneins seien. Foodwatch fordert deshalb, dass das Pflanzenschutzmittel nicht weiter eingesetzt werden dürfe. Dabei teilte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) im Mai 2016 mit: „Die gesundheitliche Risikobewertung ist in der Wissenschaft derzeit unstrittig. Das für die Pestizidbewertung zuständige Gremium der Weltgesundheitsorganisation JMPR (Joint Meeting on Pesticide Residues) kommt wie das BfR, die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und andere Behörden weltweit zu dem Schluss, dass nach derzeitigem Stand der Wissenschaft bei bestimmungsmäßiger und sachgerechter Anwendung kein krebserregendes Risiko durch Glyphosat zu erwarten ist.“ Doch diese Darlegung des BfR wird von Foodwatch ignoriert. Die Organisation sammelt weiterhin Unterschriften für ein Glyphosat-Verbot, obwohl die EU-Staaten im November 2017 für die Zulassung des Mittels gestimmt haben.

Auch Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) kritisiert solche Verhaltensweisen. „Manche NGOs erinnern in ihrer Art öffentliche Pranger aufzubauen an mittelalterliche Methoden. Dazu passend finanzieren sich viele von ihnen durch eine Art Ablasshandel: Wer sich von der NGO Unbedenklichkeit zertifizieren lässt, erhält Friede und Absolution.“ Das funktioniere vor allem auch aufgrund des symbiotischen Verhältnisses von NGOs und Journalisten. „Die NGOs liefern reißerische Storys und Bilder und nehmen damit den Medienvertretern aufwendige Recherchen ab, bezahlt wird mit öffentlicher Aufmerksamkeit. Ob die Geschichten korrekt sind oder relevant, wird selten geprüft.“, sagt Minhoff, der selber Jahrzehnte als Fernsehjournalist gearbeitet hat. „NGOs bekommen so Macht durch Scheinrelevanz. So wird aus einer Kampagne Politik.“ Deshalb fordert der Verbandsvertreter mehr Transparenz von NGOs: „Wer finanziert hier eigentlich wen und was in wessen Auftrag? Jede Transparenzforderung an Wirtschaft und Gesellschaft sollte deshalb mit der gleichen Transparenzforderung gegen NGOs ausgeglichen werden. Gerne berichte ich, mit wem ich in der Politik spreche, wenn das gleiche für Foodwatch und Co. gilt!“, so Minhoff. „Dazu gehört auch, dass die an NGOs fließenden staatlichen Gelder unverschleiert öffentlich gemacht werden.  Eigentlich müsste sich das ausschließen, Staatsknete und Nichtregierungsorganisation!“

Ein Sprecher der NGO Foodwatch reagierte auf die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass sämtliche Finanzierungsquellen und die Satzung des gemeinnützigen Vereins auf der Website offengelegt würden. Den Vorwurf der Intransparenz kann die Organisation daher nicht nachvollziehen. Ein extra Lobby-Register nur für NGOs lehnt Foodwatch ab – die Idee eines allgemeinen Lobby-Registers, in das sich sowohl Verbände als auch NGOs eintragen müssten, begrüßt die NGO hingegen. Die Organisation habe sich bereits in freiwillige Lobby-Register eingetragen lassen. Auch die Kritik an den medienwirksamen Kampagnen weist Foodwatch zurück und teilt mit, dass sie sich bewusst für öffentliche Diskussionen entscheiden würden und gemeinsame Gespräche an einem Tisch in vielen Fällen nicht ausreichen würden.

Kooperationen zwischen NGOs und Unternehmen sind Ausnahmen

Die Konfrontation zwischen Unternehmen und NGOs hat Dr. Stefan Kolb an der Universität des Saarlandes in einer Studie untersucht. Dabei sind er und seine Kollegen zu dem Ergebnis gekommen, dass mehr als ein Viertel aller Unternehmen bereits Ziel eines Angriffs durch eine NGO waren. Dafür haben die Wissenschaftler über 200 Unternehmen über ihre Erfahrungen und Erwartungen im Umgang mit NGOs befragt. Einen typischen Angriff auf Unternehmen gebe es dabei nicht. „Das oberste Ziel vieler konfrontativer NGOs ist durch einen Angriff eine Verhaltensänderung bei den Unternehmen zu erwirken“, so Kolb. „Die NGOs wollen ihren Forderungen Gehör verschaffen und üben über öffentlichkeitswirksame Kampagnen mitunter immensen Druck auf Unternehmen aus.“ Kolb rät, dass Unternehmen auf einen NGO-Angriff keinesfalls impulsiv reagieren sollten. Die Unternehmen sollten vielmehr den Dialog suchen, insbesondere wenn der Angriff gerechtfertigt ist. Aber auch wenn sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten, ist in den meisten Fällen zunächst ein Dialog empfehlenswert. Je nach weiterem Verlauf ergeben sich für Unternehmen fallspezifisch auch weitere Reaktionsmöglichkeiten, zum Beispiel der Weg offensiver Gegendarstellungen. Aus einem Angriff kann aber auch eine Kooperation zwischen NGOs und Unternehmen entstehen, wenn die Unternehmen eine passende NGO finden, die zur Beseitigung des identifizierten Missstandes beitragen kann. Dies setze eine hohe inhaltliche Kompetenz und Glaubwürdigkeit der betreffenden NGO voraus, sowie die Bereitschaft, überhaupt eine Kooperation mit einem Wirtschaftsunternehmen einzugehen. Somit komme der Wahl der jeweiligen Partner-NGO eine entscheidende Bedeutung zu. „Bei richtiger Ausgestaltung kann eine derartige Partnerschaft jedoch nicht nur nachhaltig zur Beseitigung des Missstandes beitragen, sondern sich sogar positiv auf die Unternehmensreputation auswirken“, sagt Kolb.

Oder das Unternehmen bemüht sich ganz ohne vorherigen Angriff um eine Kooperation mit einer NGO, so wie der Lebensmittelhändler Edeka. Seit 2009 arbeitet das Unternehmen mit der Umweltstiftung WWF zusammen, zum Beispiel mit gemeinsamen Projekten zum nachhaltigen Anbau von Sojabohnen und Bananen. „Natürlich wäre es einfacher gewesen, das Thema Nachhaltigkeit ohne eine Kooperation mit einer Umweltorganisation im Unternehmen aufzubauen“, sagt Rolf Lange, Leiter der Edeka-Unternehmenskommunikation. Die Sichtweisen seien nicht immer deckungsgleich, doch das gemeinsame Ziel, den ökologischen Fußabdruck von Edeka zu reduzieren würde im Mittelpunkt stehen. „Mit dem WWF haben wir uns Expertenwissen mit an Bord geholt, dass wir uns ohne Hilfe im Unternehmen nur schwer hätten aneignen können“, so Lange. Auch der WWF sieht die Arbeit mit Edeka positiv. „Durch Kooperationen wie diese steigern wir die Reichweite unserer Themen“, sagt Marco Vollmar, zuständig für Kommunikation und Kampagnen beim WWF. Die NGO-Landschaft sieht Vollmar vielschichtig und heterogen. „Wie in jeder Branche gibt es auch unter den NGOs kritikwürdige Organisationen, die nicht transparent mit Spendengeldern umgehen“, so Vollmar. Solche NGOs würden der Branche schaden.

Mehr Transparenz und Kontrolle

Kooperationen zwischen Unternehmen und NGOs bilden jedoch eine Ausnahme. „Viele NGOs leisten unverzichtbare Arbeit. Ich bin selbst in einigen engagiert“, sagt Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag und Vorsitzende der MIT-Landwirtschaftskommission. „Doch leider gibt es auch Organisationen, die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit Politik machen oder aber mit kriminellen Mitteln agieren. Dafür darf es weder Steuermittel noch öffentlichen Applaus geben.“ Die Abgeordnete erreichen immer wieder Berichte über Einbrüche in Bauernhöfe, die nicht bestraft werden würden. „Selbstjustiz ist in unserem Rechtsstaat nicht akzeptabel“, betont Connemann. NGOs müssten transparenter arbeiten. „Wehret den Anfängen“, so die Abgeordnete weiter. „Es fängt mit Stalleinbrüchen an, aber wo endet es?“ Man müsse prüfen, ob ein solcher Missbrauch steuer- oder verwaltungsrechtlich bekämpft werden könne. „Ein Verein muss strenge Prüfungen bestehen, bevor er den Stempel Gemeinnützigkeit erhält. Danach gibt es nur noch eine Plausibilitätsprüfung. Und es fehlt an Transparenz.“ Hier müsse die Politik genau hinsehen und nachbessern – von der Kontrolle der Gemeinnützigkeit bis zur Sichtbarmachung von zum Beispiel Finanzierung und Spendenakquise.

Diese politischen Forderungen würde auch Mittelständler Walter Trimpop unterstützen –  damit sich die Gerichte nicht weiter mit zu kleinen Schriftgrößen auf seinen Fahrzeugangeboten, sondern mit den unmoralischen Kampagnen und fragwürdigen Finanzierungsmethoden vieler NGOs beschäftigen.