Pro & Contra: Braucht die CDU eine Frauenquote?

Datum des Artikels 19.08.2020
MittelstandsMagazin

Die Struktur- und Satzungskommission der CDU hat dem kommenden Parteitag die Einführung einer verbindlichen Frauenquote vorgeschlagen. Diese soll für Gruppenwahlen, Delegiertenwahlen und auch Listenaufstellungen gelten (Details unter www.cdu.de/strukturundsatzungskommission). Ist eine verbindliche Quote das richtige Mittel, um die CDU attraktiver für Frauen zu machen?

Pro

Die gläserne Decke durchbrechen

Die erste Kanzlerin, die erste Verteidigungsministerin, die erste Präsidentin der EU-Kommission. Die CDU hat es als bisher einzige Partei geschafft, herausragende Spitzenpositionen mit Frauen zu besetzen. Eben diese Spitzenfrauen müssen deswegen immer wieder als Argument der Quotengegner herhalten: „Gute Frauen“ hätten sich in der CDU schon immer durchgesetzt.

Frauen haben heute, das zeigen zahlreiche Studien, die besseren Schulnoten und Uni-Abschlüsse. Trotzdem sind sie in den Führungspositionen unserer Partei unterrepräsentiert. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass ausgerechnet bei uns keine „guten Frauen“ zu finden sind. Vielmehr scheint es so zu sein, dass unsere Strukturen eine gläserne Decke geschaffen haben, die für Frauen schwer zu durchbrechen ist. Wenn wir uns im Ziel, mehr Frauen in Verantwortung zu bringen, einig sind – was müssen wir dann tun, um das zu ändern?

Die große Dominanz von Männern in Führungsgremien findet sich nicht nur bei uns, sondern auch in der Wirtschaft. Wissenschaftler erklären dieses Phänomen mit dem Prinzip der homosozialen Reproduktion. Darunter versteht man die Auswahl nach dem Ähnlichkeitsprinzip – also dass man seine Verbündeten nach der Ähnlichkeit der Herkunft, Ausbildung und eben auch Geschlecht aussucht. In der Praxis heißt das: Männer fördern Männer. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass wir unsere Strukturen so anpassen müssen, dass mehr Frauen in die Position kommen, Frauen zu fördern. Eine Quote wird das natürlich allein nicht schaffen. Viele andere Faktoren wie eine Willkommenskultur vor Ort oder eine familienfreundlichere Organisation von Sitzungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Digitalisierung bietet hier viele Chancen.

Ein Allheilmittel ist die Quote nicht, sie kann aber einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die gläserne Decke Risse bekommt. Sie wird dafür sorgen, dass die Sichtweisen und Herausforderungen von Frauen sichtbarer werden, damit sie ihr Potenzial noch besser entfalten können. Das wiederum ist gut für die CDU. Es geht nämlich nicht nur um das wichtige Ziel der Gleichberechtigung. Es geht um unsere politische Zukunftsfähigkeit als letzte verbliebene Volkspartei. Die erhalten wir nur, wenn wir mehr Frauen ein attraktives Angebot machen können, sich bei uns zu engagieren.

Silvia Breher (47) ist stellvertretende Vorsitzende der CDU Deutschlands und Landesvorsitzende der CDU Oldenburg. Die Bundestagsabgeordnete ist Mitglied der Struktur- und Satzungskommission der CDU und stimmte dort für die Frauenquote.

 

Contra

Die Quote nutzt wenig und schadet viel

Braucht die CDU mehr Frauen? Eindeutig: ja! Ich würde uns aber dringend davon abraten, daraus ein Recht auf die Hälfte aller zu vergebenden Vorstandsplätze und Mandate zu formulieren. Durch eine starre Quote von 50 Prozent hätten Frauen gegenüber Männern in der CDU eine dreimal höhere Chance auf einen Posten, weil sie nur ein Viertel der Mitglieder stellen. Das widerstrebt unserem Verständnis von Wahlfreiheit und Chancengerechtigkeit. Wenn am Reißbrett formuliert wird, wie wir zu leben haben, wird diese Idee scheitern. Wir sind auch hier immer weniger in der Lage, Realitäten vorurteilsfrei zu betrachten, weil allein das schon als politisch unkorrekt gilt – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Nach dieser Lesart sind es die Männer, die Frauen diskriminieren und daran hindern, nach oben zu kommen. Diese dogmatische Haltung bedauere ich zutiefst, weil sie den Weg für gute und sinnvolle politische Entscheidungen versperrt.

Mit meiner ostdeutschen Herkunft gebe ich zu, in einer Gesellschaft aufgewachsen zu sein, in der Frauen wie selbstverständlich sogenannte Männerberufe erlernten, ihr gesamtes Erwerbsleben im Beruf standen und damit auch finanziell unabhängig waren. Natürlich wissen wir, wie das System DDR zu bewerten ist, doch dieses selbstbewusste Frauenbild ist geblieben. Das wiedervereinte Deutschland hat sich verändert. Ohne Quote.

Frauen sind trotzdem vielerorts unterrepräsentiert. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Genauso vielfältig müssen unsere Lösungen sein. Das Interesse an CDU-Politik, die Leidenschaft für Debatte oder die Motivation für das Ringen um die beste Lösung lassen sich nicht verordnen. Das müssen Frauen mitbringen, wenn sie sich für politisches Engagement entscheiden. Doch oftmals fehlt das Angebot zur aktiven Mitarbeit für Neumitglieder. Die Themen gehen an den Bedürfnissen interessierter Neumitglieder vorbei, und die Sitzungs- und Debattenkultur bei spätabendlichen Stammtischen wirkt auf wenige attraktiv. Wollen wir mehr Frauen in Vorständen und in Mandaten, brauchen wir sie zunächst in der Mitgliedschaft. Der Mangel an Parteinachwuchs und damit auch an Frauen hat programmatische und strukturelle Ursachen. Hierauf sollten unsere Aktivitäten als Volkspartei ausgerichtet sein. Die Quote dagegen nutzt wenig und schadet viel.

Jana Schimke (40) ist stellvertretende MIT-Bundesvorsitzende und CDU-Bundestagsabgeordnete. Die gebürtige Cottbuserin ist Mitglied der Struktur- und Satzungskommission der CDU und stimmte dort gegen die Frauenquote.

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin (Ausgabe 4-2020). Fotos: Phil Dera; Claudia Anders