Kostentreiber Energiewende: Wie EEG und Co. den Mittelstand belasten

Datum des Artikels 04.05.2017
MittelstandsMagazin

Zwar ist Deutschland beim Ausbau der erneuerbaren Energien Vorreiter bei den Industriestaaten. Aber der Preis ist hoch. Das Subventionssystem begünstigt wenige und belastet viele. Immer mehr Mittelständler betrachten das Prestigeprojekt Energiewende als gescheitert und fordern ein Umsteuern.

Christina Marcons Holzohrringe schaukeln im Wind, als sie über das Betriebsgelände von Gemüse Meyer läuft. Über den Wind freut sie sich, denn damit kann sie richtig viel Geld sparen. Eigentlich ist Gemüse ihr Geschäft, aber auch Sonne, Bioabfälle und eben: Wind. Als Nachhaltigkeitsmanagerin im elterlichen Betrieb kümmert sich Christina Marcon vor allem um das neue Windrad, die Biogas- und die Photovoltaikanlage. Damit ist Gemüse Meyer auf dem Weg, sich mit Energie selbst versorgen zu können. Die Motivation für Investitionen in erneuerbare Energien: steigende Stromkosten und ständig neue Verordnungen und Regulierungen. „Wir wollten deshalb unabhängig sein und für die Zukunft vorsorgen“, sagt Marcon.

Auf das Windrad sind sie bei Gemüse Meyer im niedersächsischen Twistringen besonders stolz. Seit Herbst 2016 ist es in Betrieb. Die Planung dauerte fast drei Jahre. „Das Windrad hat uns einige Nerven gekostet“, sagt Marcon. Die Nachbarn mussten in das Projekt mit einbezogen werden und auch die Konzeption des Windrads war kompliziert. Direkt neben dem Betriebsgelände steht das Windrad heute, umgeben von grünen Wiesen und unweit eines Einfamilienhauses. Die vorgeschriebenen 500 Meter Abstand zur Wohnbebauung wurden gerade so eingehalten. „An Tagen wie heute könnten wir uns mit unserer Energie komplett selbst versorgen“, sagt Marcon. Aber trotz einer bereits gebauten Ringleitung, die den selbsterzeugten Strom im ganzen Betrieb verteilen könnte, bezieht das Unternehmen noch Strom aus dem öffentlichen Netz.

                                                                  
Christina Marcon, Nachhaltigkeitsmanagerin bei Gemüse Meyer auf der Biogasanlage des elterlichen Betriebs

So geht es vielen Betrieben, die mit Sonnen- oder Windenergie aufgerüstet haben. Sie verkaufen den erzeugten Strom zu subventionierten Preisen und kaufen ihn dann über das öffentliche Netz wieder ein. Das rentiert sich mehr und garantiert Versorgungssicherheit, zeigt aber gleichzeitig einen Systemfehler der Energiewende auf: Eine feste Einspeisevergütung führt zu Fehlanreizen und verteuert jedes Jahr den Strompreis. Diese Entwicklung zwingt Unternehmer dazu, sich über eine alternative Stromversorgung Gedanken zu machen. Denn die Zahlen sind alarmierend: Die Kosten für die Energiewende werden bis 2025 auf 520 Milliarden Euro steigen. Ausgerechnet hat diese Zahl das Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomik (DICE). Infolgedessen werden die Kosten über die Stromrechnung auf die Bürger und Unternehmen umgelegt.

Kosten explodieren und Regulierungen nehmen zu

Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zahlen Unternehmer rund 15,04 Cent pro Kilowattstunde Strom. Der eigentliche Strompreis für kleine bis mittlere Betriebe beträgt mit 6,49 Cent pro Kilowattstunde ein Bruchteil davon, die restlichen 8,55 Cent setzen sich aus Steuern, Abgaben und Umlagen zusammen. Hier sind die Mittelständler mit immer neuen Abgaberegelungen konfrontiert, die zwar als Umlagen bezeichnet werden, aber eigentlich staatlich verordnete Zwangsabgaben sind. Und der Staat verdient auch noch kräftig mit: Jede Umlageerhöhung erhöht zugleich die vom Kunden zu zahlende Mehrwertsteuer, das heißt bei jeder Strompreiserhöhung freuen sich die Finanzminister von Bund und Ländern heimlich mit. „Die steigenden Energiekosten beeinflussen die Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen enorm“, erklärt Oliver Doleski, Unternehmensberater in der Energiewirtschaft und stellvertretender Vorsitzender der Energiekommission. Die steigenden Kosten seien eine Konsequenz der schlechten Planung und Umsetzung der Energiewende. „Der wohl größte Fehler war, dass Komplexität und Größe des gesamten Vorhabens Energiewende insgesamt völlig unterschätzt wurden“, sagt Doleski. Das ließe sich vor allem daran festmachen, dass Sonnen- und Windenergie immer weiter ausgebaut wurden, es aber bis dato noch keine adäquaten Speicherkapazitäten für elektrische Energie gebe, so Doleski. Um Versorgungssicherheit zu garantieren, müsse der Netzausbau mit dem Bau neuer Energieanlagen Schritt halten.

Mit steigenden Kosten muss sich auch Unternehmer Bernhard Hahner auseinandersetzen, der einen Stahl- und Metallbaubetrieb im hessischen Petersberg führt. Auch sein Betrieb arbeitet sehr energiekostenintensiv. Produktionshallen und Büros müssen beheizt werden und die Schweißarbeiten benötigen viel Strom. Auch Hahner verlässt sich nicht mehr nur auf den Strom im öffentlichen Netz und hat in eine Photovoltaik-Anlage investiert. „Damit bin ich ein hohes unternehmerisches Risiko eingegangen, denn ich habe mich der Stromerzeugung durch diese Anlage für 20 Jahre verpflichtet.“ Der Zeitpunkt der Installation entscheidet über die Höhe der staatlichen Förderung. Zudem können Unternehmer entscheiden, ob sie den Strom selbst nutzen oder besser verkaufen. Bis vor fünf Jahren hat Hahner den Strom aus der Anlage noch verkauft. Seit zwei Jahren bezieht der Betrieb 40 Prozent des erzeugten Stroms selbst.

Bernhard Hahner wünscht sich von der Politik mehr Planungssicherheit (© Stahlbau Hahner)

„Durch die vielen Regulierungen und Gesetze, die mit der Energiewende gekommen sind, blicke ich kaum noch durch“, beklagt Hahner. „Ich will mich doch eigentlich auf mein Kerngeschäft konzentrieren und mich nicht dauernd mit steigenden Kosten und neuen Vorgaben herumschlagen.“ Um den Überblick bei den Stromkosten zu behalten, hat Hahner einen Strommakler engagiert, der ihm die besten Preise vermittelt. „Regionalität ist mir nach wie vor wichtig, aber ich muss schauen, dass ich die Kosten im Griff behalte“, sagt er. Außerdem versucht er, seine Betriebshallen nach und nach mit LED-Leuchten auszustatten und beim Neukauf von Maschinen auf Energiesparsamkeit zu achten. „Von der Politik wünsche ich mir mehr Stabilität. Wir brauchen in der Energiewende Eindeutigkeit und nicht dauernd neue Entscheidungen“, sagt Hahner.

EEG-Reform dringend nötig

Denn seit dem Start der Energiewende vor zwölf Jahren hat sich einiges verändert. Die Kosten sind vor allem bei den deutschen Industriestrompreisen zu spüren. Sie gehören zu den höchsten in Europa. In osteuropäischen Ländern zahlt man teilweise die Hälfte. Nur in Dänemark ist der Strom teurer. Die Umlagen müssen von allen Stromverbrauchern getragen werden. Ausnahmen gelten nur für etwa 2.000 Betriebe, die von der EEG-Umlage befreit sind oder sie in stark reduzierter Form zahlen müssen.

Aktuell beträgt die EEG-Umlage 6,88 ct/kWh, 2010 waren es gerade einmal 2,05 Cent. Damals hatte die Bundesregierung versprochen, dass die Umlage nicht höher als auf 3,5 Cent steigen sollte. Dieses Versprechen hat die Regierung nicht gehalten und inzwischen gehen Experten davon aus, dass Unternehmer künftig bis zu 10 Cent Umlage zahlen müssen. Doch die EEG-Umlage ist nicht der einzige Kostentreiber. Netzausbaukosten, IT-Kosten und Bereitstellungskosten kommen hinzu. „Der Umbau des Energiemixes hin zu einem vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energien wird derzeit allein über eine Verteuerung des Stroms getragen“, kritisiert Ingolf Jakobi, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH). „Wir plädieren daher dafür, das EEG zu reformieren, um eine gerechtere Verteilung der Kosten zu erreichen.“ Natürlich werde die Energiewende nicht kostenneutral zum Erfolg geführt werden können. Dennoch dürften die Kosten nicht aus dem Ruder laufen, da viele Unternehmen sonst ihre Anwendungen und Maschinen nicht mehr wirtschaftlich nutzen könnten, sagt Jakobi.

 

Diese Meinung teilt auch Karl Tack, Geschäftsführer des Getränkeherstellers Rhodius Mineralquellen in Burgbrohl, Rheinland-Pfalz. „Die Energiekosten haben sich durch das EEG in den letzten Jahren astronomisch entwickelt. Allein von 2016 auf 2017 mussten wir 160.000 Euro mehr Umlage bezahlen“, sagt Tack. Mit diesem Geld könnte Rhodius Mineralquellen viele andere Projekte finanzieren. „Eigentlich müssten meine Mitarbeiter zwölf Tage mehr im Jahr arbeiten, um die steigenden Kosten zu finanzieren“, sagt Tack. Aber das ginge natürlich nicht. „Deshalb kürzen wir andere Budgets, wie zum Beispiel im Marketing, und verschieben Projekte, die Mitarbeiterqualifizierungen beinhalten.“

Mehr Planbarkeit und Kontinuität

Eine Alternative zum EEG sieht der Mittelständler im internationalen Emissionshandel. „Das EEG ist ein deutscher Alleingang und wird international eher missmutig betrachtet.“ Mit dem Emissionshandel könne man den Klimaschutz weiter vorantreiben, sodass das EEG schrittweise auslaufen würde, so Tack. Außerdem müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Netzausbau und den Speicherkapazitäten synchronisiert werden. „Aktuell werden die Erneuerbaren immer weiter ausgebaut, aber wir kommen mit dem Netzausbau nicht hinterher. Auch die Speichermöglichkeiten haben wir noch nicht“, merkt Tack an.

In Niedersachsen wird durch erneuerbare Energien bereits mehr Strom erzeugt als das Bundesland tatsächlich verbraucht. Mit dem Windrad, der Photovoltaik- und Biogasanlage ist Gemüse Meyer Teil dieser Entwicklung. In Planung sind weitere Projekte, die das Energiesystem des Betriebs noch effizienter machen sollen. „Wir arbeiten aktuell daran, unsere Tiefkühllager als Stromspeicher zu nutzen“, sagt Christina Marcon. „Wir scheuen uns nicht vor neuen Investitionen, wünschen uns für die kommenden Jahre aber planbare und zuverlässige Vorgaben von der Politik, damit wir nicht ständig auf Änderungen reagieren müssen.“ Denn neue Abrechnungsmodelle und spontan höhere Netzentgelte würden das Unternehmen zu sehr belasten. Genauso wie die vielen anderen Verordnungen, die den Mittelstand ständig herausfordern und deutlich machen, dass die Energiewende reformiert werden muss.

Katharina-Luise Kittler

 

3 Fragen an Dieter Bischoff, Vorsitzender der MIT-Kommission Energie

Was lief in der Energiewende in den letzten Jahren falsch?

Der größte Fehler war, die Komplexität des Projektes Energiewende völlig unterschätzt zu haben. In einer auf den volatilen Energiequellen Wind und Sonne beruhenden Energiewirtschaft wurde das Speicherproblem bis heute nicht gelöst. Auch im dringend erforderlichen Netzausbau hin¬ken wir erheblich hinterher.

Was sind die Kostentreiber?

Die größten Kostentreiber sind die Netzdurchleitungs¬gebühren und die sogenannte EEG-Umlage sowie vier weitere Umlagen, die jeder mit seiner Stromrechnung bezahlt. Wir zahlen den Trägern erneuerbarer Energien eine feste Einspeisevergütung, auch wenn wir den produzierten Strom wegen Überkapazitäten nicht verbrauchen können. Andererseits halten wir konven¬tionelle Kraftwerke für den Fall vor, wenn der Wind nicht weht und die Sonne gerade nicht scheint, die so¬genannte Dunkelflaute. Man hat die Energiewende mit planwirtschaftlichen Elementen wie Einspeisevorrang und feste Vergütungssätze über 20 Jahre begonnen und versucht nun, diese Fehler mit immer höheren Umlagen auszugleichen.

Was muss sich ändern?

Die Energiepolitik muss raus aus der Planwirtschaft. Wir wollen die Energiewende durch Wettbewerb erreichen. Mit den Ausschreibungsverfahren, die an die Stelle der festen Vergütungssätze treten, ist ein Anfang gemacht. Das heißt: Jetzt wird der günstigste Anbieter genommen, nicht mehr jeder. Als nächstes müssen wir die Erneuerbaren verpflichten, uns rund um die Uhr mit Strom zu versorgen. Das hat der CDU-Parteitag 2015 auf Antrag der MIT beschlossen. Jetzt drängen wir darauf, dass es endlich ins Gesetz kommt.

Einen ausführlichen MIT-Beitrag zum Thema Versorgungssicherheit finden Sie hier.