Agilität als wirtschaftspolitisches Leitbild – Strukturen anpassen, Flexibilität ermöglichen, Dynamik fördern

Datum des Artikels 06.10.2025
Beschluss

1. Agilität als wirtschaftspolitisches Leitbild verankern
Die Bundesregierung wird aufgefordert, Agilität als Querschnittsthema in der Mittelstandspolitik zu etablieren. Dazu gehören strategische Verankerungen in Digital-, Fachkräfte- und Innovationspolitik sowie ein positives Narrativ hin zu dynamischen Unternehmensmodellen.

2. Arbeitszeitrecht modernisieren – Agilität rechtlich ermöglichen
Die im Koalitionsvertrag 2025 vereinbarte Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes ist konsequent umzusetzen. Agile Arbeitsformen wie projektbasierte Teams, Vertrauensarbeitszeit oder dynamische Arbeitszeitmodelle benötigen verlässliche, aber moderne rechtliche Rahmenbedingungen. Dazu zählen auch flexible Tagesarbeitszeiten im Rahmen der EU-Vorgaben, praxis-taugliche Regelungen zur Vertrauensarbeitszeit sowie Ausnahmen für Führungskräfte.

3. Unternehmensnahe Rahmenbedingungen agilitätsfreundlich gestalten
Mittelständische Unternehmen, die auf agile Strukturen setzen, brauchen Prozesse die schnell, digital, verständlich und anpassbar sind.

Der Staat ist gefordert, diese Rahmenbedingungen gezielt so zu gestalten, dass sie unternehmerisches Handeln unterstützen und nicht ausbremsen.

Deshalb sollen:

  • unternehmensnahe Zugänge wie One-Stop-Shops und digitale Unternehmenskonten zügig ausgebaut,
  • das Once-Only-Prinzip für Unternehmensdaten umgesetzt,
  • Genehmigungs-, Meldeverfahren vereinfacht, digitalisiert und beschleunigt werden.

4. Agile Transformation gezielt fördern

Die Bundesregierung wird aufgefordert, bestehende Mittelstands- und Digitalförderprogramme um Maßnahmen zu ergänzen, die agile Organisationsentwicklung direkt adressieren – etwa durch Coaching, Weiterbildungsangebote, agile Projektbegleitung oder Führungskräfteentwicklung.

Förderlogiken sollen iterativ ausgestaltet und Entscheidungsprozesse in Behörden verbindlich und agil organisiert werden.
KMU und Kleinstunternehmen sollen durch niedrigschwellige Förderzugänge besonders unterstützt werden.

5. Pilotregionen und Reallabore für agile Unternehmensmodelle schaffen

In Pilotregionen sollen mittelständische Unternehmen mit agilen Strukturen gezielt erproben können, wie moderne Verwaltungs- und Arbeitsprozesse unter echten Bedingungen umgesetzt werden können – unterstützt durch temporäre rechtliche Anpassungen und wissenschaftliche Begleitung.
Reallabore erhalten einen klaren Fahrplan und veröffentlichen ihre Ergebnisse zur Nachnutzung.

6. Auch die öffentliche Verwaltung muss agil(er) werden

Agilität in der Verwaltung bedeutet: durch agile Projektteams, schnellere Entscheidungsstrukturen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und konsequente Digitalisierung der Prozesse – in enger Orientierung an den Anforderungen mittelständischer Unternehmen

Dazu gehören auch neue Vertragsmodelle wie agile EVB-IT-Regelungen, klare Entscheidungsbefugnisse in Projekten sowie mehr Rechtssicherheit bei agilen Dienstverträgen.

Begründung:

Agilität meint die Fähigkeiten von Organisationen, sich flexibel, schnell und wirksam an Veränderungen anzupassen – ohne dabei an Klarheit, Verlässlichkeit oder Qualität zu verlieren. Sie basiert auf kurzen Entscheidungswegen, klaren Verantwortlichkeiten, interdisziplinärer Zusammenarbeit und einer Kultur des Ausprobierens. Agiles Arbeiten bedeutet nicht Chaos oder Regelverzicht, sondern strukturiertes und lernfähiges Handeln – mit dem Ziel, in dynamischen Märkten und sich wandelnden Rahmenbedingungen handlungsfähig zu bleiben. Besonders für mittelständische Unternehmen bietet Agilität eine Chance, Innovationskraft, Resilienz und Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken.

Agilität ist für mittelständische Unternehmen längst mehr als ein modernes Arbeitsmodell – sie ist ein unternehmerischer Überlebensmechanismus in Zeiten disruptiver Veränderungen. Wer schnell handeln, entscheiden und liefern muss, darf nicht durch starre Vorgaben, träge Verfahren oder veraltete Förderlogiken ausgebremst werden.
Der Koalitionsvertrag 2025 benennt wichtige Zielsetzungen – von der Flexibilisierung der Arbeit über die Verwaltungsmodernisierung bis hin zur Förderung innovativer Mittelständler. Der vorliegende Antrag ergänzt diese Weichenstellungen um eine klare mittelstandspolitische Perspektive: Agilität muss politisch ermöglicht, rechtlich abgesichert und strukturell unterstützt werden.

Agilität sollte als wirtschaftspolitisches Leitbild etabliert werden. Im Koalitionsvertrag 2025 ist das Konzept bislang nicht als strategischer Rahmen für Mittelstandspolitik definiert. Es braucht eine klare Einordnung, die Agilität aus der operativen Ebene heraushebt und als gestaltenden Ansatz in Digital-, Fachkräfte- und Innovationspolitik verankert.
Für die Arbeitszeitflexibilisierung ist eine praxisgerechte Umsetzung erforderlich. Während der Koalitionsvertrag eine Wochenhöchstarbeitszeit vorsieht und die Vertrauensarbeitszeit im Einklang mit der EU-Richtlinie zulässt, braucht es ergänzend klare Regelungen zur Dokumentationspflicht, praktikable Ausnahmen für Führungskräfte und Rechtssicherheit für projektbezogene Arbeitsmodelle. Entscheidend ist dabei: Die EU-Arbeitszeitrichtlinie gibt hier bewusst Gestaltungsspielräume. Es wird also nicht überreguliert – vielmehr zeigt sich gerade an diesem Beispiel, dass europäische Vorgaben mehr Flexibilität für modernes Arbeiten ermöglichen, als das deutsche Recht bisher zulässt.

Unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen müssen stärker auf die Realität agiler Mittelständler abgestimmt werden. Allgemeine Digitalisierungsziele wie das Once-Only-Prinzip und digitale Unternehmenskonten sind ein guter Anfang – es braucht jedoch ergänzende Maßnahmen wie beschleunigte Verfahren, verbindliche Ansprechpartner in Behörden und flexible Förderlogiken.

Eine gezielte Förderung agiler Transformationen ist bislang nicht vorgesehen. Zwar existieren Programme zur Digitalisierung und ökologischen Transformation, doch klassische mittelständische Unternehmen benötigen zusätzlich Coachingformate, Weiterbildungsangebote und agile Projektbegleitung – gerade in frühen Phasen.
Pilotprojekte und Reallabore sollten auf Agilität fokussiert werden. Der Koalitionsvertrag benennt eine Kultur der Experimentierfreude, ohne konkrete Umsetzungsvorgaben für KMU. Hierfür sind zeitlich befristete Reallabore mit klarer Zieldefinition, Begleitforschung und öffentlich zugänglichen Ergebnissen erforderlich.
Die Verwaltung muss auch strukturell auf agile Prozesse vorbereitet sein. Digitalisierung allein reicht nicht – es braucht angepasste Vertragsmodelle wie agile EVB-IT-Regelungen, verbindliche Entscheidungsrollen und verlässliche Rahmenbedingungen für agile Dienstverträge. Das betrifft insbesondere Fragen rund um § 611a BGB, Scheinselbstständigkeit und öffentliche Beschaffung.

Agilitätsförderung ist dabei keine Einbahnstraße zugunsten von Arbeitgeberinteressen. Sie schafft auch für Arbeitnehmer mehr Selbstbestimmung, sinnvolle Teilhabe an Entscheidungen, moderne Arbeitsumgebungen und flexible Lebensgestaltung. Gerade im Mittelstand bietet sie das Potenzial für eine neue Balance aus Leistungsbereitschaft und individueller Entfaltung – im Einklang mit den Werten der Sozialen Marktwirtschaft.

Diese vertiefenden Argumente zeigen: Der Antrag ist keine Wiederholung bestehender Regierungsziele, sondern eine mittelstandspolitische Weiterentwicklung. Er konkretisiert den Handlungsbedarf in zentralen Feldern, die für die agile Zukunftsfähigkeit von Unternehmen entscheidend sind – und stärkt so den politischen Gehalt der vorgeschlagenen Maßnahmen.