Raus aus der Schwarzarbeit

Datum des Artikels 20.12.2017
MittelstandsMagazin

Haushaltshilfen in Deutschland arbeiten meistens schwarz – doch viele Privathaushalte würden sie lieber offiziell bei sich beschäftigen. Aber Bürokratie und hohe Abgaben schrecken beide Seiten immer noch ab.

 

Nicole S. arbeitet in Teilzeit, ihr Mann ist in einem großen Konzern beschäftigt und ist weit mehr als 40 Stunden pro Woche im Büro. Die beiden haben zwei Kinder im Teenager-Alter, die Nicole mehrmals pro Woche zu Musikunterricht und Nachhilfestunden fahren muss. Viel Zeit für den Haushalt bleibt da nicht, sagt die 45-Jährige. Deshalb hat sich die Familie in ihrer Reihenhaussiedlung nach einer Haushaltshilfe umgehört. Der kleine Ort, in dem das Reihenhaus der Familie steht, wird von einem ganzen Netzwerk an schwarzarbeitenden Reinigungskräften bedient. „Es gab keine Möglichkeit jemanden zu finden, den wir offiziell bei der Minijob-Zentrale anmelden können“, sagt Nicole S. Deshalb möchte sie auch nicht ihren Namen nennen, denn seit mehreren Jahren arbeitet die Haushaltshilfe schwarz für die Familie. „Wir haben sie immer wieder versucht zu überreden, dass sie den Job bei uns anmeldet, aber keine Chance“, sagt Nicole. Die Dame fürchte sich vor dem hohen bürokratischen Aufwand, den sie mit ihren eingeschränkten Deutschkenntnissen nicht bewältigen könnte.

So wie Familie S. geht es vielen in Deutschland. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) beschäftigten im Jahr 2016 rund neun Prozent der deutschen Haushalte eine Haushaltshilfe. Diese Zahl ist in den letzten 15 Jahren konstant geblieben. Dabei schätzt das IW Köln, dass acht von zehn Reinigungskräften schwarzarbeiten. Nur die restlichen 20 Prozent sind bei einer Reinigungsfirma angestellt, arbeitet auf Minijob-Basis oder als Solo-Selbstständige. Auch Babysitter oder Nachhilfelehrer schreiben oft keine offizielle Rechnung und bekommen ihren Lohn direkt auf die Hand.
Diese Haushaltshilfen können sich eine von vier Beschäftigungsformen aussuchen, wenn sie legal in einem Privathaushalt arbeiten möchten. Neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, können sie ihre Kunden auch über eine Dienstleistungsagentur bekommen, ihre Arbeit als Minijob anmelden oder sich selbstständig machen. Die Möglichkeiten unterscheiden sich erheblich in ihrem bürokratischen Aufwand für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und, laut IW Köln, auch im Nettoarbeitslohn.

Bürokratie schreckt ab

Familie S. hätte sogar Vorteile, wenn sie ihre Haushaltshilfe auf Minijob-Basis anmelden könnte. Die Familie könnte die Ausgaben steuerlich absetzen und ihre Reinigungskraft mit gutem Gewissen bei sich arbeiten lassen. „Die Reinigungskraft schwarz zu beschäftigen, ist illegal“, sagt Isabel Klocke Leiterin der Abteilung Steuerrecht und Steuerpolitik beim Bund der Steuerzahler. Viele sehen es immer noch als Kavaliersdelikt, Haushaltshilfen schwarz bei sich arbeiten zu lassen. Aber der volkswirtschaftliche Schaden ist enorm: Auf 340 Milliarden Euro schätzt das Bundesfinanzministerium die jährlichen Ausfälle bei Steuern und Sozialversicherungen durch Schwarzarbeit, Geld das die ehrlichen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch höhere Abgaben kompensieren müssen. Außerdem sind die Haushaltshilfen, beispielsweise bei einem Arbeitsunfall, nicht richtig abgesichert“, sagt Klocke. Auch für die Altersvorsorge lässt sich durch einen Minijob etwas tun, sagt die Steuerexpertin und rät dazu die Beschäftigung in jedem Fall anzumelden. Das kann auf direktem Wege und ohne viel bürokratischen Aufwand bei der Minijob-Zentrale geschehen, sagt Klocke.

Wenig Bürokratie und einen direkten Draht zu einer Reinigungskraft gibt es bei der Online-Plattform Helpling, die sich zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz zum Schwarzmarkt entwickelt hat. Auf der Plattform können sich Reinigungskräfte registrieren und ihren Service anbieten. Vorher prüft ein Helpling-Mitarbeiter in einem persönlichen Gespräch sowie einem Reinigungstest die Kenntnisse und Eignung der potentiellen Reinigungskraft. Zudem fordert Helpling neben den Daten des Personalausweises, ein persönliches Führungszeugnis sowie einen Gewerbeschein ein. Danach können sie sich mit einem Profil bei Helpling registrieren und Kundenanfragen annehmen. Seit rund einem Jahr ist Romy Schneider bei Helpling registriert und arbeitet zwischen 15 und 20 Stunden pro Woche als Reinigungskraft. Mit einem Kleingewerbe hat sich die 50-Jährige selbstständig gemacht und arbeitet parallel noch in Teilzeit in einem Altersheim. Sie nutzt Helpling als Vermittler und gibt dafür auch rund 20 Prozent ihres Lohns an die Plattform ab. Vor kurzem ist sie vom Stadtrand Münchens weiter in die Stadt gezogen, um näher bei ihren Kunden zu sein. „Ich habe inzwischen so viele Anfragen, dass ich keine Kunden mehr annehmen kann“, sagt Schneider. Durch die gute Auftragslage kann sie sich eine Wohnung in zentraler Lage in München leisten und überlegt sogar, ob sie ihren Teilzeitjob im Altersheim kündigt. „Mein Kleingewerbe reicht eigentlich nicht mehr aus, um den vielen Kundenanfragen nachzukommen“, sagt Schneider. Auf die Frage, ob sie den Verdienstausfall bei Krankheit oder Urlaub nicht fürchte, antwortet sie, dass sie nach Krankheit oder Urlaub automatisch mehr Aufträge bekommen würde. „Wenn ich mal ein paar Tage nicht gearbeitet habe, dann gleicht sich das so aus“, sagt sie.

Mehr Entlastung für Solo-Selbstständige

„Die Methode von Helpling ist ein guter Schritt in die richtige Richtung“, sagt Carsten Linnemann, MIT-Bundesvorsitzender. „Trotzdem müssen wir Solo-Selbstständige stärken und Bürokratie bei haushaltsnahen Dienstleistungen abbauen“, sagt Linnemann. Auf dem Bundesmittelstandstag im September hat die MIT beispielsweise beschlossen, sich für die Herabsetzung der Kranken- und Pflegeversicherungs-Mindestbeiträge für freiwillig gesetzlich-versicherte Selbstständige einzusetzen. „Der Mindestbeitrag sollte deutlich gesenkt werden“, sagt Linnemann. Aktuell liegt der Mindestbeitrag bei über 400 Euro, wenn der Selbstständige einen Bruttoverdienst von rund 2.230 Euro hat. „Selbstständige, die mit Fleiß, Verantwortung und unternehmerischen Risiko arbeiten, müssen wir besonders in ihren Anfängen, wenn sie noch nicht viel verdienen, unterstützen“, sagt Linnemann. Aber die MIT setzt sich auch dafür ein, dass Solo-Selbstständige eine Altersvorsorge nachweisen müssen. „Es kann nicht sein, dass Solo-Selbstständige mit Billiglöhnen seriösen Unternehmen Konkurrenz machen und dann im Alter den Steuerzahlern auf der Tasche liegen, weil sie keine eigene Altersvorsorge angespart haben“, so Linnemann. Allerdings wolle man nicht vorschreiben, welche Altersvorsorge der Selbstständige auswählt. Linnemann: „Es kann die gesetzliche Rentenversicherung genauso sein, wie eine Lebensversicherung oder eine Fondslösung.“

Beide Forderungen, niedriger Krankenversicherungsbeitrag und Pflicht zur Altersvorsorge, unterstützt auch MIT-Mitglied Benedikt Franke, einer der Helpling-Gründer. „Der Gesetzgeber sieht derzeit noch den Privathaushalt als klassischen Arbeitgeber mit allen verbundenen Pflichten“, sagt Franke. Ein Privathaushalt sei aber kein klassischer Arbeitgeber. Er kenne sich weder mit den komplizierten Anmeldeverfahren, noch mit Lohnbuchhaltung oder arbeitsrechtlichen Restriktionen aus. „Das schreckt die meisten ab. Nicht, dass er bei legaler Beschäftigung vielleicht zwei Euro mehr zahlen muss“, ist sich Franke sicher.

Wie es einfacher funktionieren könnte, sehe man laut Franke schon in Frankreich, das sich für das Berliner Unternehmen Helpling zu einem zentralen  Markt entwickelt. „Dort wird eine Haushaltshilfe ganz anders steuerlich eingestuft, denn die Arbeit wird als Dienst am Menschen gesehen“, sagt Franke. In Frankreich kann jeder Privathaushalt 50 Prozent der gesamten Ausgaben für Haushaltshilfen von seiner Steuerschuld abziehen. Und es wird demnächst noch einfacher: Frankreich zahlt dann den 50-Prozent-Bonus direkt an den Privathaushalt im Monat der Beschäftigung. Die Folge, so Franke: „In Frankreich gibt es kaum noch Schwarzarbeit in Privathaushalten und der Mittelstand floriert in diesem Bereich.“ Trotz des erhöhten Steuerbonus hätte der Staat damit unter dem Strich seine Einnahmen erhöht, weil viele Beschäftigungsformen jetzt legal geworden seien.

Franke fordert einen ähnlichen Weg für Deutschland. Für Dienstleistungen im Privathaushalt müsse es andere Regeln geben als für professionelle Arbeitgeber. Neben geringeren Abgaben für die Kranken- und Pflegeversicherung bei Selbstständigen fordert Franke auch weniger Umsatzsteuer. „Es kann nicht sein, dass eine selbständige Reinigungskraft mit einem Bruttolohn von 1500 Euro 20 Prozent Umsatzsteuer zahlen muss, nur weil sie sich gegen den Schwarzmarkt entschieden hat.“ Außerdem fordert Franke einen gleichberechtigten Zugang zur Sozialversicherung unabhängig von Mindestbeiträgen. Wie in Frankreich sollten auch die deutschen Privathaushalte steuerlich noch mehr begünstigt werden, wenn sie die Kosten für ihre Haushaltshilfe absetzen.
Als Reinigungskraft selbstständig zu arbeiten, ist nur eine Variante, in einem Privathaushalt beschäftigt zu sein. Eine andere ist der Mini-Job. Eine Anhebung der 450-Euro-Grenze würde da vielen Familien und ihren Haushaltshilfen auch schon helfen. „In diesem Zuge könnte die Politik auch das Haushaltscheck-Verfahren der Minijob-Zentrale weiter vereinfachen. Probleme gibt es aktuell beispielsweise, wenn der Minijobber in mehreren Haushalten tätig ist“, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Allerdings dürfe man die Anhebung nicht zu sehr ausreizen und müsse das Lohnabstandsgebot einhalten. „Friseure haben zum Beispiel häufig einen sehr geringen Verdienst und dann könnten die Grenzen zwischen Minijob und Vollzeitbeschäftigung verwischen“, sagt Klocke.

Doch um die Schwarzarbeit bei haushaltsnahen Dienstleistungen endlich einzudämmen, sind sich Experten, Beschäftigte und Arbeitgeber einig:  Abgaben senken, Innovation fördern und Bürokratie abbauen. Nicole S. hofft deshalb darauf, dass sie bald legal eine Reinigungskraft zu Hause anstellen kann: „Wenn ich meine Putzfrau auch dann nicht überzeugt bekomme, hätte ich wenigstens die Chance, jemanden zu finden, der freiwillig legal arbeitet.

3 Fragen an die CDU-Bundestagsabgeordnete Jana Schimke, Vorsitzende der MIT-Kommission Arbeit und Soziales

1. Wie groß ist der Schaden durch Schwarzarbeit?

Der Schaden erstreckt sich sowohl auf unsere Volkswirtschaft, als auch auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst. Das Bundesfinanzministerium schätzt den Umfang der sogenannten Schattenwirtschaft für 2016 auf rund 340 Milliarden Euro. Arbeitgeber machen sich strafbar und setzen ihr Unternehmen einem nicht zu vernachlässigenden wirtschaftlichen Risiko aus. Für Arbeitnehmer fehlt jedwede Absicherung: arbeitsrechtlich, gesundheitlich und vor allem auch altersbezogen. Die Folgen sind fatal.

2. Was sollte die nächste Regierung konkret umsetzen, um Schwarzarbeit einzudämmen?

Formalrechtlich haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Die Mittel für Personal und Ausrüstung beim Zoll wurden kontinuierlich aufgestockt und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Prüfungs- und Ermittlungstätigkeiten der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und der Landesbehörden wurden verbessert. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Reduzierung der Steuer- und Sozialabgabenlast sowie von Bürokratie sind nicht nur aus Sicht der Bekämpfung von Schwarzarbeit geboten.

3. Sind strengere Kontrollen und härtere Strafen notwendig?

Das Strafmaß ist mit Zahlungen von bis zu 50.000 Euro oder Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren angemessen. Die zuständige Zollbehörde sollte aber wirksamer aufgestellt werden, um effizienter arbeiten zu können. Dazu zählt eine größere Präsenz im Außendienst, eine stärkere Konzentration der Kontrollen und eine engere Zusammenarbeit der Behörden. Die Wahrnehmung von Präsenz ist für die Akzeptanz von Regeln besonders wichtig. Für bedeutsam halte ich aber auch, immer wieder auf die Nachteile und Risiken von Schwarzarbeit hinzuweisen, gerade für Arbeitnehmer.
Doch neben den repressiven Maßnahmen, müssen wir - zum Beispiel in Privathaushalte – Anreize schaffen, dass mehr Menschen sozialversicherpflichtig beschäftigt werden oder wenigstens legal als Selbstständige auf Rechnung arbeiten. Das könnte eine schöne Aufgabe für die neue Koalition sein, weil es unternehmerisches Denken stärkt und zugleich die soziale Absicherung der Betroffenen erhöht.