Wehr- und sicherheitstechnische Industrie gemeinsam mit dem Mittelstand stärken

Datum des Artikels 06.10.2025
Beschluss

Mit der Besetzung der Krim im Frühjahr 2014, spätestens aber durch den Angriffskrieg der russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022 endete die Zeit einer Politik in Deutschland, die daran glaubte, dass es keiner militärischen Stärke und Wehrbereitschaft mehr bedürfe. Diese neue Lage betrifft sowohl die Bundeswehr als auch alle anderen Bereiche der „Gesamtverteidigung“, also der zivilgesellschaftlichen Resilienz. Unter anderem muss die Bundeswehr fundamentale Veränderungen bei Rekrutierung und bei Ihrer Struktur vornehmen. Dazu muss die Vergabe und Beschaffung unserer Streitkräfte völlig umgebaut und europäisiert werden. Dazu muss die gesamte Infrastruktur in Rekordtempo tauglich werden für den Fall einer Bedrohung, eingebettet in eine völlig neue europäische Bündnis- und Militärdoktrin im Hinblick auf den hybriden Krieg gegen Europa.

Politik muss dabei erkennen, dass die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie eine originäre Schlüsselindustrie ist, deren Knowhow in besonderer Weise im eigenen Land gehalten und aufgebaut werden muss. Die MIT hat dies erkannt und fordert folgende Maßnahmen:

1. Defense Hubs / Cluster „Wehr- und Sicherheitsindustrie“

Einige Bundesländer haben sich bereits auf den Weg gemacht, ihrer wehrtechnischen Industrie einen völlig neuen Stellenwert zu geben. Die Bundesregierung muss nun das Ihrige dazu tun. Mit einer gezielten Förderung von sog. Defense Hubs kann das Bundeswirtschaftsministerium dies flankieren und die folgenden weiteren Maßnahmen verzahnen. Die Bundesregierung soll diese Strategien vor allem im Hinblick auf die Gewinnung immer mehr mittelständischer Unternehmen für den Verteidigungssektor fördern, nicht zuletzt durch Förderung entsprechender Kontaktstellen auf Bundes- wie auf Länder-Ebene.

Die vom Bund und den Ländern initiierten Hubs/Cluster richten jährlich eine gemeinsame, Fachmesse und -tagung aus, die dazu beitragen soll, dass sich die Unternehmen vernetzen, ihre Produkte und Dienstleistungen zeigen und gesellschaftlichen Vorbehalten entgegenwirken können. Die Zugangsvoraussetzungen hierzu für mittelständische Aussteller sind zu minimieren.

2. Rüstungsexport

Ohne Rüstungsexporte – auch in Länder außerhalb von EU und NATO – lässt sich selbst heute die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie im europäischen Maßstab nicht aufrechterhalten. Dies gilt insbesondere für KMU, die mit ihren essenziellen Schlüsseltechnologien die Bundeswehr, verbündete Streitkräfte und Drittabnehmer wettbewerbsgerecht beliefern sollen. Jede Novellierung des Rüstungsexportkontrollgesetzes, welches deutsche Unternehmen von europäischen Rüstungskooperationen ausschließt lehnen wir ab. Jegliche sonstige Verschärfung der gängigen Exportpraxis, ist abzulehnen. Vielmehr gilt es, einheitliche europäische Standards in diesem Exportsektor zu erarbeiten. Diese sollten einen Gegenentwurf zur aktuell restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik darstellen.

3. Forschung und Entwicklung

Die Forschungsarbeit zwischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen) und der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie muss aktiv gefördert werden. Die Landesregierungen werden aufgefordert, die Hochschulen zu ermutigen, die Forschungsfreiheit gerade auch in den Bereichen der Wehr- und Sicherheitstechnik zu ermöglichen und zu fördern. Universitäten, HAW und Institute sind aktiv zu fördern, wenn sie sich an Forschungskooperationen mit der mittelständischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie beteiligen. Wir halten dabei Zivilklauseln für schädlich und diese spiegeln nicht die Wichtigkeit der Rüstungswirtschaft für unsere Freiheit und Sicherheit wieder.  In einem ersten Schritt soll daher in der Exzellenzstrategie des Bundes- und der Länder als Bedingung für Zuspruch oder Erhalt des Exzellenzstatus und der daran gebundenen Mittel die Entscheidung für Zivilklauseln als förderschädlich definiert werden. Forschungshubs für diesen Sektor sowie entsprechende Forschungsschwerpunktprogramme können die Zusammenarbeit der Branche mit der Wissenschaft stärken. 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das Nachfolgeprogramm zu Horizon Europe explizit die militärische Forschung und Entwicklung in folgenden Bereichen umfasst und betont:

  • Materialforschung und -entwicklung, Entwicklung der Fertigungskompetenz neuer Materialien vom technischen Kunststoff bis hin zu Metallen
  • Forschung und Entwicklung im Bereich der digitalisierten Rüstung inkl. KI
  • Entwicklung und Herstellung von Schutzausrüstungen mit Einbindung der hochspezialisierten Textilindustrie
  • Gezielte Förderung der militärisch relevanten Forschung bzgl. Drohnen- und Aufklärungstechnologie
  • Raumfahrt und Satellitentechnologien im Hinblick auf militärische Anwendbarkeit und Schutz der Bevölkerung.
  • Forschung im Bereich des EMP-Abwehr und Resilienz unserer Energie- und Kommunikationssysteme

4. Vergabe und Beschaffung in Bezug auf den Mittelstand und die Industrie

Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist im Vergaberecht besonders zu behandeln. Sie ist als Schlüsseltechnologiefeld entsprechend Art. 346 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) zu betrachten. Alle Vergaberechtsregelungen auf Landes- und Bundesebene sollen diesbezüglich auf zulässige Erleichterungen für Betriebe dieses Sektors geprüft werden. Die Reichweite der Möglichkeiten soll klar und möglichst breit definiert werden.

Wir wollen KMU-freundliche Vertragsbedingungen bei Beschaffungen der öffentlichen Hand insbesondere der Bundeswehr. Wir fordern eine engere Zusammenarbeit im Bereich Wartung/Instandhaltung sowie Schulung des militärischen Personals durch die jeweiligen Experten der Lieferanten. Insbesondere bei Beschaffungen ausländischer Systeme, ist auf eine hinreichende Beteiligung der heimischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu achten. Dies betrifft die gesamte Wertschöpfungskette. Beispielhafter Anwendungsbereich ist das sog. Foreign-Military-Sales-Verfahren. Dazu bieten sich Kompensationsgeschäfte (Offset) und in besonderem Maße Workshare-Vereinbarungen an. Workshare-Vereinbarungen für Produktion und Wartung bieten dabei den besonderen Vorteil, zu einer langfristigen nationalen Betreuungsfähigkeit der beschafften Systeme beizutragen.

Außerdem fordern wir:

  • Bevorzugte Entwicklung und Zurverfügungstellung von Flächen für diese Industrie mit vereinfachten Genehmigungsverfahren, sowie
  • eine Start-Up und Finanzierungsstrategie auf Länderebene mit öffentlichen und privaten Kreditinstituten, die Ausrüstung unserer Streitkräfte als Beitrag zum Frieden anerkennt

5. Investment, Produktionsstandort, Lieferketten, Lagerhaltung, Zivilschutz

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Regelungen des §12 KWKG respektive auf dem Ausführungsverordnungsweg zum KWKG weitgehende Befreiungen vom Verbot der Produktion auf Vorrat oder auf Vorleistung vorzusehen. Dies soll nicht nur auf Antrag geschehen, sondern für auf einer umfassenden Positivliste verzeichnete zuverlässige Unternehmen auch regelmäßig ohne Antrag. Hochgefährliche Kriegswaffen sind in begrenztem Maße dem Genehmigungsvorbehalt weiter zu unterziehen.

Unterlieferanten können gegen eine Abnahmegarantie über gleiche Positivliste sogar zur Aufrechterhaltung von für die Bundeswehr und Bündnispartner dringlich notwendigen Lagerreserven verpflichtet werden.
Eine resiliente Wirtschaft benötigt eine staatliche wie auch eine industrielle Rohstoffvorsorge. Sowohl über den EU-Critical Raw Materials Act als auch über weitere nationale Gesetzgebung ist eine ausreichende Lagerhaltung solcher Rohstoffe sicherzustellen. Graphit, Germanium, Gallium und Seltene Erden sind nur einige der sicherheitstechnischen Schlüsselrohstoffe. Auch energetische Rohstoffe wie Öl, Benzin, Diesel und Kerosin etc. gehören zu den resilienz- und verteidigungsrelevanten Rohstoffen. Gesicherte Lagerhaltung ist sowohl in staatlichen Strukturen als auch in privaten, wie auch in Public-Private-Partnerships massiv auszubauen. Der Staat muss des Weiteren gerade mittelständische Unternehmen bei der Preisabsicherung eingeschränkt handelbarer Rohstoffe unterstützen.

Wir erwarten im Einzelnen:

• Die Bundesregierung nimmt die strategische Sicherung von Lieferketten und Rohstoffversorgung in ihre außenwirtschaftspolitische Strategie auf und verknüpft entwicklungspolitische Themen strukturell mit dieser Zielsetzung
• Die Bundesregierung fördert in Abstimmung mit den Bundesländern eine Reihe von Campuskonzepten für militärische Vorrang-Gewerbegebiete, u.a. mit vereinfachtem Planungsrecht. Das Involvement der Bundeswehr in die Themen Sicherung und Betrieb ist herzustellen. Darüber hinaus können sogenannte Production Launch Centers (PLC) die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Mittelstand und Industrie unterstützen.

Zivilschutz ist von allen staatlichen Akteuren in allen baulichen Investitionen mitzudenken. Öffentliche Bauvorhaben haben statt des Grundsatzes „Kunst am Bau“ zukünftig immer eine Zivilschutzkomponente statt der geforderten Kunstinvestition vorzuweisen. Dafür sind die Richtlinien für die Umsetzung der Bauaufgaben des Bundes - nach dem One-In-One-Out-Grundsatz - zu novellieren. Die Bundesländer und die Kommunen sind aufgefordert, dem zu folgen.

6. Finanzierung unserer Sicherheit und Nachhaltigkeit

Mangels konsistenter Regulatorik auf Seiten der EU behandeln mache Akteure der Finanzwirtschaft auch aktuell immer noch noch Waffen als nicht oder nur bedingt vereinbar mit den Nachhaltigkeitszielen des EU-„Green Deal“. In Wirklichkeit sind Waffen als Ausrüstung von EU- und NATO-Streitkräften (zuvorderst der Bundeswehr) unverzichtbar zur Gewährleistung von Frieden und Sicherheit in Mitteleuropa.

Wir fordern daher:

  • eine klare Regelung in Art. 2 Nr. 17 (Definition von Nachhaltigkeit) der Sustainable Finance Due Diligence Regulation (SFDR – EU 2019/2088), die den Aussagen der Joint Communication zur European Defence Industrial Strategy vom 05.03.2024 folgt („defence industry enhances sustainability“),
  • eine Änderung des Green Bond-Rahmenwerks der Bundesregierung aus 2020 zugunsten der Verteidigungswirtschaft.

Begründung:

Begründungen jeweils bei den einzelnen Forderungen.

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