ARD und ZDF: Teurer Schönsprech

Datum des Artikels 17.04.2019

Deutschland hat den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt. Fast neun Milliarden Euro stehen ARD und ZDF jährlich zur Verfügung. Zum Vergleich: Die international erfolgreiche BBC hat jedes Jahr etwa fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Wohin fließen die deutschen Gebührengelder eigentlich?

„Sexposivität statt Schuld und Scham“, „Toxische Männlichkeit: What the Fuck“, „Weder Mann noch Frau? NON-BINÄR“: Was sich liest wie das Vorlesungsverzeichnis eines „Gender“-Studiums oder ein Wochenendseminar der Grünen-Jugend, sind Programmpunkte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bezahlt von uns allen durch den monatlichen Rundfunkbeitrag. Dieser stellt ARD, ZDF und Deutschlandfunk ein Jahresbudget von fast neun Milliarden Euro zur Verfügung. Das macht die Anstalten und ihr unüberschaubares Netz an Lokalsendern zum teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt – mit Abstand.

Ein Teil dieses Geldes wird seit drei Jahren in „Funk“ investiert, einem digitalen Angebot für Jugendliche. Funk ist der Versuch der öffentlich-rechtlichen Sender, die Zielgruppe der 14 bis 29-Jährigen wieder zu erreichen. Schließlich ist der durchschnittliche ZDF- oder ARD-Zuschauer Erhebungen zufolge etwa 60 Jahre alt. Die oben genannten Programmpunkte sind Titel von Beiträgen der Plattform „Softie“. Softie ist eine queer-feministische Plattform und gehört seit einem Jahr zu Funk. Insgesamt gibt es 75 Kanäle und 22 Serien auf Funk. Mit Blick auf Funk fallen zwei Punkte auf. Da wäre einmal das Budget. Zwischen 2017 und 2020 soll Funk von ARD und ZDF insgesamt 165,1 Millionen Euro erhalten. Zum Vergleich: Der Informationssender Phoenix bekommt im gleichen Zeitraum 151,4 Millionen Euro. ARD und ZDF lassen sich die junge Zielgruppe also mehr Geld kosten als den Sender, der für ARD und ZDF einen wesentlichen Teil ihres Programmauftrages erfüllt – die Information und Bildung. Die zweite Frage ist, ob das Budget für Funk gut angelegt ist. Die Abonnenten- und Abrufzahlen sind jedenfalls dürftig. Der Hauptkanal auf Youtube hat etwa 58 000 Abonnenten. Der bereits erwähnte Instagramkanal Softie zählt nach einem Jahr gerade einmal 8 000 Abonnenten. Zum Vergleich: Spiegel TV hat auf Youtube fast eine halbe Million Abonnenten, der Kanal der Tageszeitung Die Welt kommt auf 163.000 Abonnenten. Produziert wird Softie übrigens unter anderem vom Missy Magazin. Ein Teil der Beitragsgebühren fließt damit an ein linksfeministisches Magazin, in dem weiße Deutsche gerne mit dem Begriff „Kartoffel“ diskriminiert werden. Es ist nicht so, dass es auf Funk keine Kanäle mit hoher Reichweite gäbe. Der Kanal MrWissen2go hat beispielsweise fast eine Million Abonnenten. Allerdings wurde er nicht von Funk gegründet, sondern jahrelang von dem Journalisten Mirko Drotschmann aufgebaut. Erst später wurde der Kanal Teil von Funk.

Haltung statt Fakten

Auch der journalistische Anspruch des aus Rundfunkgebühren finanzierten Kanals verwundert. Ein Video-Interview der Plattform Funk Politik mit dem EU-Parlamentarier Axel Voss zur Urheberrechtsreform trägt die Überschrift „Axel Vosssi“, darunter steht „Bla bla“. Eine journalistische, kritische Auseinandersetzung mit Inhalten sieht anders aus. Überhaupt scheint den Machern von Funk eines ganz besonders wichtig zu sein: die richtige Haltung. Dieser Vorwurf wird nicht nur Funk, sondern auch ARD und ZDF immer öfter gemacht. Spätestens seit der Flüchtlingskrise wird die Diskussion um die Frage, wie differenziert und faktenorientiert im öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch berichtet wird, wieder geführt. Und gerade wichtige Mitarbeiter von ARD und ZDF geben sich wenig Mühe, den Eindruck, Haltung und Meinung sind wichtiger als die harten Fakten, zu zerstreuen. Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassel etwa twitterte vom Bundesparteitag der Grünen: „Frische grüne Doppelspitze lässt Aufbruchsstimmung nicht nur in Frankreich spüren. Habeck und Baerbock werden wahrgenommen werden.“ Später twitterte sie: „Baerbock wird mit viel Applaus zur Wahl getragen, beim Rennen um Parteivorsitz. Erfrischend lebendig, angesichts der lahmen Groko-Protagonisten“. Diese Tweets schrieb sie wohlgemerkt als Reporterin und mit dem Hinweis auf ihre Tätigkeit bei der ARD. Die Reaktionen bei Twitter waren heftig. Vorwürfe fehlender Distanz wies sie zurück. Konsequenzen in der ARD: keine.

"Haltung" statt Neutralität: ARD-Journalistin Tina Hassel twittert zum Grünen-Parteitag

Vor einem Jahr veröffentlichte der Redaktionsleiter der ARD-Sendung Monitor, Georg Restle, im Magazin WDR Print einen Essay. Darin plädiert er für einen werteorientierten Journalismus. Er stellte unter anderem fest, dass es eine „der größten Lebenslügen des heutigen Journalismus“ sei, neutral zu sein und zu berichten „was ist“. Restle zieht daraus folgenden Schluss: „Wir sollten wieder mutiger und entschiedener werden: nicht als Zyniker, sondern als Humanisten. Ein werteorientierter Journalismus also, statt blinder Neutralität.“ Das ist das genaue Gegenteil des berühmten Satzes des Tagesthemen-Moderators Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er Distanz (…) hält, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, dass er immer dabei ist, aber nie dazugehört.“ Und ist es nicht genau diese Werteorientierung und Haltung, die ARD und ZDF in die Kritik bringen? Nach der Kölner Silvesternacht etwa dauerte es fünf Tage, bis es das Thema in die Tagesschau schaffte. Die Deutungshoheit hatten da längst andere übernommen. Es blieb der Eindruck zurück, das Thema würde verschwiegen, um keine Ressentiments gegen Geflüchtete zu schüren. Diesen Vorwurf stützt eine Studie der Universität Mainz, der zufolge über die Kriminalität der Zugewanderten anfangs kaum, nach Köln aber überproportional häufig berichtet wurde. Die Forscher bestätigten auch einen Vorwurf, der der Tagesschau oft gemacht wurde. In deren Berichterstattung sei das Bild entstanden, es kämen vor allem Frauen und Familien nach Deutschland. Stattdessen waren es, zumindest in der Anfangszeit, überwiegend schlecht ausgebildete junge Männer.

ARD und ZDF müssen effizienter und besser werden

Christoph Minhoff war selbst 30 Jahre lang Journalist bei öffentlich-rechtlichen Sendern, zuletzt für das ZDF als Programmgeschäftsführer von Phoenix. Heute ist er Hauptgeschäftsführer der Lebensmittelverbände BLL und BVE. Dem ZDF fühlt er sich auch heute noch verbunden: „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verzichten kann. Aber es muss dann eben auch wirklich ein öffentlich-rechtliches Programm sein.“ Er kritisiert, dass Journalisten oft nicht mehr den Anspruch hätten, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ihnen ginge es immer häufiger darum, einer Haltung oder politischen Position zum Durchbruch zu verhelfen. „Dann sind sie aus meiner Sicht keine Journalisten mehr, sondern Aktivisten. Und mittlerweile gibt es leider eine ganze Menge Journalisten, die ihren Beruf so ausüben“, so Minhoff. Ihn stört aber weniger die Art der Berichterstattung, sondern der ständige Kampf um die Einschaltquote: „Man sollte schon darüber nachdenken, mehr Geld in die Kernkompetenzen der öffentlich-rechtlichen Sender zu investieren, anstatt immer um das goldene Kalb der Marktführerschaft zu kämpfen. Diese Kernkompetenzen sind Kultur und Information. Phoenix beispielsweise hat bis heute keinen eigenen Rundfunketat, sondern ist auf Gelder von ARD und ZDF angewiesen.“


Hans-Peter Siebenhaar ist Journalist beim Handelsblatt. Er veröffentlichte 2013 das Buch „Die Nimmersatten“. Darin analysiert er das System von ARD und ZDF. Auch er ist den öffentlich-rechtlichen Sendern eigentlich zugeneigt: „Ich wünsche mir kein Mediensystem ohne öffentlich-rechtliche Sender. ARD und ZDF bieten eine journalistische Abdeckung und Qualität, die in Europa sonst nur die BBC leistet“, findet er. Sein großes Aber: ARD und ZDF betrieben Sender im Promillesektor. Oder sie kauften teure Unterhaltungssendungen ein, die auch im Privatfernsehen laufen könnten. „Damit erfüllen sie meiner Meinung nach nicht mehr ihre Funktion. Es braucht heute auch keine Grundversorgung mehr. Das war vielleicht in den 50ern und 60ern so, heute gibt es eher zu viele Informationen“, so Siebenhaar. Dass die Öffentlich-Rechtlichen so teuer werden konnten, liege daran, dass es in Deutschland seit den 60ern zwei Sender gab. Daraus entstanden dann die Landesanstalten und kleinere Kanäle wie ZDF neo. Hinzu kamen die Gemeinschaftssender und eine Vielzahl an digitalen Angeboten. „Und das alles ordentlich zu betreiben, kostet natürlich viel Geld“, erklärt Siebenhaar. Siebenhaar habe das Buch damals vor dem Hintergrund der Diskussion über die Einführung der Haushaltsgebühr veröffentlicht. Siebenhaar hält diese Gebühr bis heute für einen Fehler, „weil sie unabhängig von der Nutzung jeden Haushalt zum Zahlen zwingt.“ Durch Streamingdienste wie Netflix sei die Entfremdung zwischen der jüngeren Zielgruppe und den öffentlich-rechtlichen Sendern noch weiter gewachsen. Viele nutzten die Programme überhaupt nicht, müssten aber dafür zahlen. „Ich glaube, dass dieses Modell dem Ansehen der Sender geschadet hat“, sagt Siebenhaar.

Das Framing-Manual der ARD

Im Februar wurde bekannt, dass die ARD für interne Schulungen einen Kommunikationsleitfaden bei der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling in Auftrag gegeben hat. Zum Zeitpunkt der Enthüllung war der als „Framing-Manual“ bezeichnete Leitfaden bereits seit zwei Jahren im Einsatz. Kommunikationsforscher gehen davon aus, dass jedes Wort, welches wir verwenden, um die Wirklichkeit zu beschreiben, auch unsere Sicht auf die Wirklichkeit beeinflusst. Das ist der Frame (deutsch: Rahmen). Themen können, je nach Wortwahl, in unterschiedliche Richtungen tendieren. Es macht gemäß der Framing-Theorie einen Unterschied, ob jemand von Migration oder von Flüchtlingswelle spricht. Die ARD wollte sich diese Effekt zunutze machen, indem sie ihre Mitarbeiter anregte, die ARD mit positiven Begriffen zu besetzen (beispielsweise: „unser gemeinsamer Rundfunk ARD“). Gleichzeitig wird im
 Framing- Manual empfohlen, private Medien beispielsweise als „medienkapitalistische Heuschrecken“ zu bezeichnen, um so negative Assoziationen hervorzurufen. Kritiker sehen in dem Framing-Manual den Versuch der ARD, durch Propaganda das eigene Image aufzupolieren.

Für Hans-Peter Siebenhaar zeigt das Manual „die ganze Hilflosigkeit im Umgang mit einer kritischen Öffentlichkeit. Die Öffentlich-Rechtlichen müssten noch viel mehr den Dialog mit den Gebührenzahlern und vor allem den
Jüngeren suchen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört schließlich allen, weil alle verpflichtet sind dafür zu zahlen.“ Für Christoph Minhoff ist das Manual eine Scheinlösung, um die eigene Bedeutung hervorzuheben. „Das wird aber nicht funktionieren“, so der frühere Journalist. „Ich bin der festen Überzeugung, dass man die eigene Bedeutung am besten durch ein gutes Programm unterstreicht. Kein Framingprogramm, kein Haltungsprogramm.“ In dem Essay des Monitor-Chefs Georg Restle findet sich noch ein interessanter Satz: „Wir sollten unsere eigene Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit schärfen und nicht unbedacht das Wording und Framing anderer übernehmen.“ Als das Essay erschien, arbeitete die ARD bereits seit eineinhalb Jahren mit dem Framing-Manual.

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 02-2019