Ausbildung sichern. Meisterbrief stärken

Datum des Artikels 05.07.2016

Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT) spricht sich dafür aus, die im Zuge der Handwerksreform für 53 Berufe abgeschaffte Meisterpflicht für neu gegründete Unternehmen in den Berufen wieder einzuführen, in denen das verfassungs- und europarechtskonform möglich ist.

Dabei muss der Gesetzgeber in der Handwerksordnung die Begründung für die Meisterpflicht verändern: Schutzziel der Meisterprüfungsverordnung darf nicht nur Gefahrgeneigtheit sein, sondern der Gesetzgeber muss auch mit den Gemeinwohlgründen der Sicherung des Nachwuchses argumentieren sowie mit Verbraucherschutz, Mittelstandsförderung, Unternehmerschutzverantwortung, öffentlicher Auftragsvergabe und In-Bezugnahme der Arbeitnehmerverantwortung. Nur mit der Meisterpflicht können diese Schutzzwecke angemessen erreicht werden, so dass die Meisterpflicht damit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG einschränkt und zugleich EUrechtliche Ziele verfolgt.

Der Meisterbrief soll ferner durch folgende Maßnahmen gestärkt werden:

  • Stärkung der höheren beruflichen Bildung, u. a. durch bundesweite Einführung des Berufsabiturs und Zugangsmöglichkeiten für Meister zu Master-Studiengängen
  • Erhöhte Förderung der Berufsbildungs- und Kompetenzzentren durch Bund und Länder
  • Qualitätsverbesserung durch regelmäßige Evaluierungen nach bundesweiten Standards für die Meisterschulen (Meister-PISA)
  • Erhöhte Leistungen beim Meister-BAFöG

Um die bestehenden Wettbewerbsvorteile der zunehmenden Zahl von Einmannbetrieben (Solo-Selbstständigen), die nach Abschaffung der Meisterpflicht gegründet wurden, gegenüber den Meisterbetrieben, die Arbeitsplätze für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte schaffen, zu verringern, sollte auch eine gesetzlich verpflichtende
Altersversorgung für Selbstständige (und damit auch für alle Solo-Selbstständigen) geschaffen werden. Da auch nicht meisterpflichtige Einmannbetriebe in die
Handwerksrolle eingetragen werden, sollte sowohl die schon bestehende gesetzliche Krankenversicherungspflicht als auch die geforderte gesetzliche Altersversorgung - mit
einem Wahlrecht zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und einem privaten Versorgungsträger – bei der Eintragung in die Handwerksrolle durch einen
entsprechenden Versicherungsnachweis überprüft werden.

Begründung:
Die Abschaffung der Meisterpflicht in 53 Handwerksberufen (Verlagerung von Anlage A in Anlage B1 der Handwerksordnung) in 2003 hat die Ausbildung in diesen Berufen deutlich geschwächt. Zwar ist insgesamt die Zahl der Auszubildenden im Handwerk aufgrund der Demografie und einem Trend weg von Ausbildung hin zu  Hochschulabschlüssen zurück gegangen, aber in den Berufen, bei denen die Meisterpflicht abgeschafft wurde (B1- Berufe) sind die Ausbildungszahlen überdurchschnittlich gesunken. So ging die Zahl der Ausbildungsanfänger bei den A-Berufen seit 2003 um ca. 18 % zurück. Bei den B1-Berufen aber um rund 30 %. Die Zahl der bestandenen Meisterprüfungen ist bei den ABerufen seit 2003 um ca. 17 % zurückgegangen, in den B1-Handwerken um rund 57 %. Zwar hat sich – wie von der Politik erhofft – die Zahl der Neugründungen durch die Abschaffung der Meisterpflicht in den B1-Handwerken erhöht von 3.894 in 2003 auf 32.291 im Folgejahr, aber auch in den A-Handwerken hat sich die Zahl der Gründungen von 32.750 auf 40.650 erhöht. Neben der Reform der Handwerksordnung haben auch die damals geltende Förderung der Ich-AG und die EU-Osterweiterung den Trend, vor allem bei den B1-Betrieben, verstärkt. Allerdings waren die Neugründungen im B1-Bereich nicht nachhaltig: Nach fünf Jahren waren weniger als 50 % dieser Neugründungen am Markt mit entsprechend nachteiligen Auswirkungen auf Geschäftspartner und Privatkunden bei den Themen Garantie und Zahlungsverpflichtungen. Im gesamten Handwerk sind nach ünf Jahren noch rund 70 % der Neugründungen am Markt.

Die EU-Kommission sieht unter  Wettbewerbsgesichtspunkten eine Berufszugangsregelung kritisch. Zuletzt gab es zwar keine Angriffe mehr auf die (noch bestehende) Meisterpflicht,aber es besteht ein Risiko, dass bei dem Versuch, die Meisterpflicht in den bisherigen B1-Berufen wieder einzuführen, die EU-Kommission sich erneut umfassend dem Thema widmet. Wenn man aber die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit in Europa vergleicht, wird offensichtlich, dass die duale Ausbildung Deutschlands deutlich größere Erfolge zeitigt als Ausbildungssysteme anderer europäischer Staaten. Die OECD lobte in ihrem Bildungsbericht 2016 die Ausbildung am Arbeitsplatz, wie sie in Deutschland praktiziert wird, als effektives Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit. Der Zusammenhang zwischen Meister und Ausbildung ist durch die vorhandene Datenbasis eindrucksvoll belegt und auch der Zusammenhang zwischen Ausbildung und niedriger Jugendarbeitslosigkeit.

Neben dem Ziel der Sicherung des Nachwuchses und der Integration in den Arbeitsmarkt ist für die Meisterpflicht noch der Verbraucherschutz zu benennen, der eine anerkannte staatliche und EU-gemeinschaftsrechtliche Querschnittsaufgabe (§§ 13 BGB, Art. 169 AEUV) darstellt und der die Gesundheit sowie wirtschaftliche Interessen der Verbraucher auf hohem Niveau schützen soll. Den in der Industrie zur Verfügung stehenden Anlagenund Produktgenehmigungen sowie dem CE-Zeichen als verpflichtendem Gütesiegel entspricht im Handwerk der Meistervorbehalt. Es gibt noch weitere Schutzzielbestimmungen, die als Argumente für eine EU-rechtskonforme und verfassungskonforme Einschränkung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG durch die Einführung der Meisterpflicht herhalten können: Umweltschutz (Art. 20a GG, Art. 11, 191 AEUV), Mittelstandsverantwortung (Art. 153 II, 173 AEUV), Unternehmerschutzverantwortung (Art. 12 GG, Art 16 EU GR-Charta), öffentliche Auftragsvergabe (§§ 97 GWB, Art. 179 AEUV) und In-Bezugnahme der Arbeitnehmerverantwortung (Art. 109 II GG i. V. m. § 1 StabG, Art. 2, 153 AEUV).