Corona-Rettungsschirm: So kommen Unternehmen an Hilfen

Datum des Artikels 17.04.2020
MittelstandsMagazin

Die Große Koalition hat zur Unterstützung in der Corona-Krise milliardenschwere Hilfspakete von historischer Größenordnung beschlossen. Welche Hilfen gibt es für Unternehmen, Selbstständige und Gründer? Und was muss noch passieren?

Die Bewältigung der Corona-Pandemie bedeutet einen historischen Kraftakt für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Der Kampf gegen das Virus hat das öffentliche Leben bereits über viele Wochen lahmgelegt: Geschäfte und Restaurants wurden geschlossen, Lieferketten unterbrochen, Beschäftigte in Zwangsurlaub geschickt und Schulen und Kitas bleiben zu. Hunderttausenden Unternehmen – vom SoloSelbstständigen bis zum DAX-Konzern – brechen die Einnahmen weg, während die Kosten weiterlaufen. Im Rekordtempo haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat daher Hilfsmaßnahmen im dreistelligen Milliardenbereich beschlossen. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt 353,3 Milliarden Euro, der Umfang der Garantien gar 819,7 Milliarden Euro. Zur Finanzierung lockert der Bund die Schuldenbremse und nimmt neue Kredite in Höhe von rund 156 Milliarden Euro auf. Neben Kliniken, Beschäftigten, Familien und Mietern kommen die Hilfen vor allem der Wirtschaft zugute, vom Solo-Selbstständigen bis zum Konzern.

Soforthilfen für Kleinunternehmen

Für kleine Unternehmen, Freiberufler und Solo-Selbstständige wurde ein Soforthilfeprogramm in Höhe von 50 Milliarden Euro aufgelegt. Zur Sicherstellung ihrer Liquidität erhalten sie eine Einmalzahlung für drei Monate. Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) erhalten bis zu 9.000 Euro, Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern erhalten bis zu 15.000 Euro. Sofern der Vermieter die gewerbliche Miete um mindestens 20 Prozent reduziert, kann der nicht ausgeschöpfte Zuschuss auch für zwei weitere Monate eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen vor März 2020 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen ist und der Schadenseintritt nach dem 11. März eingetreten ist. Entscheidend ist, dass die Liquidität nicht reicht, um die laufenden Kosten wie Miete, Immobilienkredite oder Leasingverträge zu decken. Die Einmalzahlungen müssen nicht zurückgezahlt werden. Die Bewilligung der Anträge erfolgt durch die jeweiligen Länder oder Kommunen. Weitere Infos

Startup-Unterstützung

Die Bundesregierung unterstützt Startups, junge Technologieunternehmen und kleine Mittelständler mit zusätzlichen zwei Milliarden Euro. Es ergänzt die bestehenden Unterstützungsprogramme um Maßnahmen, die speziell auf die Bedürfnisse von Startups zugeschnitten sind. Dazu zählen unter anderem zusätzliche Mittel für öffentliche Wagniskapitalinvestoren sowie Erleichterungen bei der Finanzierung für junge Startups ohne Wagniskapitalgeber und kleine Mittelständler. Parallel dazu wird derzeit ein eigener Zukunftsfonds für Startups abgestimmt. Weitere Infos

KfW-Sonderkredite

Über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bietet der Bund gleich zwei Programme mit Hilfskrediten an. Zunächst wurde ein Sonderprogramm mit niedrigen Zinssätzen und vereinfachter Risikoprüfung bei Krediten bis zu drei Millionen Euro aufgesetzt. Der Staat übernimmt 80 bis 90 Prozent der Haftung. Da die Anforderungen an die Kreditwürdigkeit für viele Unternehmen aber noch immer zu groß waren, wurde im April zusätzlich ein weiterer KfW-Schnellkredit für Mittelständler mit mehr als zehn Beschäftigten beschlossen. Voraussetzung ist, dass der Betrieb 2019 oder im Durchschnitt der letzten drei Jahre einen Gewinn ausgewiesen hat. Das Kreditvolumen pro Unternehmen beträgt bis zu drei Monatsumsätze des Jahres 2019, maximal 500.000 Euro für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern und maximal 800.000 Euro für Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern. Der Zinssatz beträgt drei Prozent, die Laufzeit zehn Jahre. Die Bank erhält eine Haftungsfreistellung in Höhe von 100 Prozent durch die KfW, abgesichert durch eine Garantie des Bundes. Die Kreditbewilligung erfolgt ohne weitere Kreditrisikoprüfung durch die Hausbank oder die KfW. Unternehmen, denen der Zinssatz von drei Prozent zu hoch ist und die ausreichend Sicherheiten bieten, können auf das KfW-Sonderprogramm zurückgreifen. Eine spätere Umschuldung ohne Vorfälligkeitsentschädigung ist möglich, wenn zunächst der Schnellkredit ohne Sicherheiten in Anspruch genommen wird. Weitere Infos 

Während Supermarkt-Regale häufig leer gekauft wurden, blieben die Lagerbestände vieler Mittelständler gefüllt. Der Corona-Effekt auf die international stark verflochtene deutsche Wirtschaft ist enorm, da anders als bei der Finanzkrise 2007/2008 sowohl die Angebots als auch die Nachfrageseite betroffen ist.

Flexibleres Kurzarbeitergeld 

Rückwirkend zum 1. März 2020 sind Neuregelungen für einen leichteren Zugang zum Kurzarbeitergeld in Kraft getreten. Ein Betrieb kann Kurzarbeit anmelden, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sein könnten. Die Sozialversicherungsbeiträge soll die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstatten. Arbeitnehmer dürfen den Teil des bisherigen Nettolohns, der dann entfällt, anrechnungsfrei hinzuverdienen, egal ob als reguläre Beschäftigung oder Minijob. Weitere Infos

Wirtschaftsstabilisierungsfonds 

Ziel des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist es, Liquidität und Eigenmittelausstattung von großen, eigentlich gesunden Unternehmen zu sichern. Dazu gehören ein Garantierahmen von 400 Milliarden Euro zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen sowie Kreditermächtigungen zur Rekapitalisierung und zur Refinanzierung der KfW-Sonderprogramme. Zugang zu den Instrumenten erhalten Unternehmen ab 250 Arbeitnehmern, einer Bilanzsumme über 43 Millionen Euro und Umsatzerlösen über 50 Millionen Euro. Im Einzelfall können auch kleinere, infrastrukturkritische Unternehmen profitieren. Weitere Infos

Grundsicherung für Selbstständige 

Selbstständige, vor allem Kleinunternehmer und sogenannte Solo-Selbstständige, sollen die Grundsicherung in einem vereinfachten Verfahren schnell und unbürokratisch erhalten. Dazu werden unter anderem die Vermögensprüfungen ausgesetzt und die tatsächlichen Aufwendungen für die Miete als angemessen anerkannt. Damit müssen nicht erst Betriebsvermögen angerechnet werden, bevor die Grundsicherung ausgezahlt wird. Lediglich bei besonders großen Vermögen gibt es weiter eine Vermögensanrechnung. Die Regelungen gelten zunächst bis zum 30. Juni 2020. Bei Bedarf können sie bis zum 31. Dezember 2020 verlängert werden. Weitere Infos

Steuerliche Hilfsmaßnahmen 

Von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen stehen weitere steuerliche Erleichterungen zur Verfügung. Fällige Steuerzahlungen können auf Antrag befristet und grundsätzlich zinsfrei gestundet werden. Anträge können bis Jahresende beim Finanzamt gestellt werden. Betriebe müssen darlegen, dass sie unmittelbar betroffen sind. Schäden müssen aber nicht im Einzelnen belegt werden. Diese Maßnahme betrifft die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer. Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler können zudem die Höhe ihrer Vorauszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer anpassen lassen. Gleiches gilt für den Messbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen. Hierfür können sie bei ihrem Finanzamt einen Antrag stellen. Sobald klar ist, dass die Einkünfte der Steuerpflichtigen im laufenden Jahr voraussichtlich geringer sein werden als vor der Corona-Pandemie erwartet, werden die Steuervorauszahlungen unkompliziert und schnell herabgesetzt. Auf die Vollstreckung von überfälligen Steuerschulden soll bis Jahresende verzichtet werden. Säumniszuschläge, die in dieser Zeit gesetzlich anfallen, werden erlassen. Dies betrifft die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie die Umsatzsteuer. Darüber hinaus sind für Beschäftigte Bonuszahlungen bis zu 1.500 Euro in diesem Jahr steuerfrei. Weitere Infos


Krisengeschüttelte Mittelständler können Antrag auf Soforthilfe stellen. Zudem gibt es steuerliche Erleichterungen und Liquiditätshilfen.

Weitere Erleichterung

Arbeitszeit: Das starre deutsche Arbeitszeitgesetz wird für besonders wichtige Branchen übergangsweise gelockert. So sollen täglich 12 Stunden Arbeitszeit möglich sein und Ruhezeiten um zwei Stunden verkürzt werden können. Auch wird die „70-Tage-Regelung“ für Saisonarbeitskräfte bis 31. Oktober auf bis zu 115 Tage ausgeweitet. Zudem sollen Unternehmen kurzfristig und unbürokratisch eigene Arbeitnehmer anderen Unternehmen wie eigenes Personal zur Verfügung stellen können („Kollegenhilfe“). Online-Versammlungen: Mit Regelungen zu virtuellen Versammlungen und elektronischen Beschlussfassungen bleiben Unternehmen handlungsfähig, auch wenn Präsenzveranstaltungen wie etwa Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften nicht stattfinden können.

Insolvenzrecht: Die Änderung des Insolvenzrechts erleichtert die Fortführung von Unternehmen, die infolge der Epidemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Insolvenzantragspflicht und Zahlungsverbote werden bis 30. September 2020 ausgesetzt. Voraussetzung ist, dass unter Berücksichtigung der Hilfsmaßnahmen die Zahlungsunfähigkeit behoben werden kann und dass das Unternehmen nicht schon vor dem 31. Dezember 2019 insolvenzreif war. Es wird daher empfohlen, dies frühzeitig zu dokumentieren.

Sozialbeiträge: Für März und April konnten Arbeitgeber, die trotz beantragter Hilfsmaßnahmen Liquiditätsprobleme hatten, die Stundung der Sozialbeiträge unbürokratisch beantragen. 
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Reichen die Hilfen? 

Ob die gigantischen Hilfsmaßnahmen ausreichen, ist nicht absehbar. Dies hängt vor allem mit der Frage zusammen, wann die Wirtschaft wieder hochgefahren wird. Die meisten Ökonomen und die Bundesregierung rechnen damit, dass Deutschland in eine tiefe Rezession rutschen wird. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt deshalb vor einer „Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes“. Von der Zahl der Insolvenzen macht es auch der Bundesverband der deutschen Industrie abhängig, wie stark die Folgen für den Arbeitsmarkt werden. In der EU reichten die fiskalischen Stützungsund Belebungspakete aber noch nicht aus. „In Europa kann und muss die supranationale Ebene einen wesentlichen Beitrag leisten“, fordert BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Nach dem Exit aus der Quarantäne muss ein lang angelegtes Wiederaufbauprogramm beginnen.“ Vor zu viel staatlichem Aktionismus warnt dagegen MIT-Vorsitzender Carsten Linnemann. Er mahnt an, sich der Grenzen des Staates bewusst zu machen: „Wir können nicht große Teile des Bruttoinlandsproduktes durch Steuergelder ersetzen.“ Jeder werde sich daher auf Einbußen gefasst machen müssen. „Sobald wir wieder Licht am Ende des Tunnels sehen, werden wir die nun aufgenommenen Schulden und mögliche Staatsbeteiligungen schnell wieder zurückfahren und zu den bewährten Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückkehren müssen.“ Eine langfristige Staatsbeteiligung an Unternehmen gehört für ihn nicht dazu. Beteiligungen solle es nur bei systemrelevanten Firmen geben – und erst dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Im Gesetz zum WSF sollte deshalb festgehalten werden, dass es das Ziel ist, die Beteiligungen des Staates schnellstmöglich zu beenden. „Generell sehe ich mit Sorge, dass derzeit viele politische Kräfte die Situation nutzen wollen, um über Beteiligungsinstrumente und Haftungsvergemeinschaftungen das durchzudrücken, was sie vor der Krise nicht durchbekommen haben“, sagt Linnemann. „Wenn wir hier nicht aufpassen, werden wir unsere Soziale Marktwirtschaft nicht wiedererkennen.“

Hubertus Struck
Redakteur/Chef vom Dienst

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin (Ausgabe 2-2020)