Der falsche Prophet – zum 200. Geburtstag von Karl Marx

Datum des Artikels 06.09.2018
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Das Ludwig-Windhorst-Haus hatte dazu in Kooperation mit der MIT Mittelstandvereinigung Kreisverband Lingen zu einem Akademieabend eingeladen. Mittlerweile hat diese Kooperation Tradition: Es war die siebente gemeinsame Veranstaltung.

Michael Reitemeyer (LWH) und Thomas Diepenbrock (MIT KV Lingen) konnten Dr. Philip Plickert aus der Wirtschaftsredaktion der FAZ sowie Frederick Heidenreich, Vorstandsmitglied der CDA, begrüßen. In seinem Impulsreferat unterzog Philip Plickert die Hauptthesen von Karl Marx einer kritischen Überprüfung. Marx wäre am 5. Mai 2018 200 Jahre alt geworden. Zudem erschien vor gut 150 Jahren „Das Kapital“, sein wissenschaftliches Hauptwerk. Plickerts Fazit: Die zentralen Vorhersagen von Marx – wie z.B. die zur Verelendung des Proletariats oder zum Absterben des Staates – sind nicht so eingetroffen, wie er es beschrieben hat. Und wie Kommunismus praktisch funktionieren sollte, darüber hatte er so gut wie nichts zu sagen. Der Kern des kommunistischen Programms bestand in der Abschaffung des Privateigentums und in der Einführung von Kollektiveigentum an den Produktionsmitteln, wie Karl Marx und Friedrich Engels im „Kommunistischen Manifest“ 1848 betonten. Marx‘ Schriften hatten größtmögliche weltpolitische Konsequenzen. Im 20. Jahrhundert beriefen sich eine Reihe von Staaten mit Hunderten Millionen Einwohnern auf die Ideologie des Marxismus. Diese kommunistische Wirtschaftsweise ist überall da, wo sie ausprobiert wurde, opferreich gescheitert. Sie bot weder Anreize zum Arbeiten noch verschaffte sie den Arbeitenden Freiheit – im Gegenteil: Die Zwänge waren immens. Plickert beschrieb Marx als einen in sich sehr widersprüchlichen Menschen, der in seinen Schriften durchaus eine Tendenz zu totalitären Staatsformen offenbart. Trotz aller Kritik an Marx konnte Plickert anschaulich demonstrieren, dass Marx bereits das Phänomen der Globalisierung treffsicher beschrieben hat. Frederick Heidenreich erwiderte die Thesen von Plickert mit einer deutlichen Kritik an Zeitarbeit und Werkverträgen. Es stimme nicht, dass es in Deutschland keine Formen der Verelendung mehr gebe. Er wies auf die Situation in der Fleischindustrie hin, wo Arbeiter aus Ost- oder Südosteuropa unter unsäglichen Bedingungen tätig seien. Plickert dagegen hielt das Ausmaß dieser „Arbeitsformen“ für kaum relevant. Seiner Meinung nach müsste der Markt vieles von allein regeln; im Zweifel müsse der Staat regulierend eingreifen. Auch die Frage nach gemeinsamen sozialethischen Grundüberzeugungen hielt Plickert für obsolet: Man könne Menschen nicht bevormunden, moralische Vorstellungen seien individuell sehr unterschiedlich. Im Laufe des sehr lebendigen Gesprächs wurden viele weitere Themen angesprochen: Die Fragen nach dem ungebremsten Wachstum, nach ökologischen Folgen unseres Wirtschaftens, auch die nach Gemeinwohlpflichtigkeit des Eigentums, nach Geldpolitik spielten eine Rolle. „Die katholische Soziallehre sieht in Marx ihren großen Gegner. Sie bezeugt ihm ihren Respekt“ – dieses Wort des großen katholischen Sozialethikers Oswald von Nell-Breuning mag vielleicht nach wie vor das äußerst ambivalente Erbe von Marx auf den Punkt bringen. Foto von links nach rechts Dr. Michael Reitemeyer (LWH), Frederich Heidenreich (CDA), Dr. Philipp Plickert (FAZ), Thomas Diepenbrock (MIT), Elisabeth M. Klaas (MIT), Helmut Holt (MIT)