Wer heute im Internet nach Nachrichten sucht, wird schnell fündig. die Medienhäuser stellen auf ihren Webseiten eine breite Auswahl an Schlagzeilen, Kommentaren und Hintergrundberichten zur Verfügung – und das meist kostenlos. Die Leser zahlen mit ihren Daten, mit Informationen zum Klickverhalten oder zu speziellen Interessen. So kann ihnen passgenau Werbung zugespielt werden: Wer beispielsweise nach einem Schlüsseldienst sucht, wird später vermutlich auch auf einer anderen Webseite Werbung eines Schlüsseldienst-Anbieters sehen. Damit könnte bald Schluss sein.
Strengerer Datenschutz
Denn diese Praxis wird auch kritisch gesehen. Datenschützer bemängeln fehlende Transparenz und eine unzureichende Verschlüsselung der Daten. Nun plant die EU eine weitreichende Reform. Mit einer neuen Verordnung zur sogenannten E-Privacy-Richtlinie soll diese Speicherung der Daten eingeschränkt werden. Dreh- und Angelpunkt sind die sogenannten Cookies. So werden die Datenpakete bezeichnet, die Webseiten-Betreiber beim Besuch eines Internetnutzers auf dessen Rechner speichern. Das sogenannte Tracking, also die Nachverfolgung des Klickverhaltens eines Internetnutzers, soll nur noch mit dessen ausdrücklicher Einwilligung möglich sein – zum Leidwesen insbesondere der Verlage.
Mittelständler unter Druck
„Sollte die Verordnung so kommen wie geplant, wäre das gerade für mittelständische Verlage mit ihren oftmals speziellen journalistischen Angeboten existenziell“, sagt Manfred Schmit. Der Verlagsleiter der Liborius-Gruppe und frühere Kreisvorsitzende der MIT Hamm befürchtet, dass in Zukunft vor allem kleinere Verlage ihre Online-Angebote nicht mehr in der bisherigen Form finanzieren können. Mit dieser Sorge ist er nicht allein. Laut dem Zeitschriftenverleger-Verband VDZ rechnen die Deutschen Verlagshäuser mit einem Umsatzverlust von mehr als 30 Prozent bei der Online-Werbung. Der gesamte wirtschaftliche Schaden für die digitalen Werbeumsätze aller Websites beziffert der VDZ auf deutlich über 300 Millionen Euro pro Jahr. Umsatzeinbußen sieht auch der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Geschäftsführer Bernd Nauen: „Nach den derzeitigen Plänen zwingt die Verordnung, Medien, ihre Inhalte uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Das ist Freibier für alle.“ Zugleich würden die Möglichkeiten, Daten auf gesetzlicher Grundlage zu verarbeiten, massiv beschnitten. „Die Pläne sind vollkommen inkohärent zur DSGVO. Die Unternehmen der außereuropäischen Plattformökonomie werden bevorzugt, der Mittelstand massiv benachteiligt“, kritisiert Nauen, Mitglied der MIT-Wirtschaftskommission. Wenn Online-Medien ihre Angebote nicht mehr über datenbasierte Werbung refinanzieren könnten, sei kostenloser Journalismus im Internet nicht mehr möglich. „Das führt am Ende zu mehr Bezahl-Schranken. Die Informations vielfalt wird so eingeschränkt.“ Doch nicht nur die Werbewirtschaft, auch die zunehmend vernetzte Industrie, Mobilfunkanbieter oder andere datenverarbeitende Unternehmen wären betroffen. Fitnessarmbänder, smarte Haushaltsgeräte, vernetzte Fahrzeuge – auch modernen Geschäftsmodellen würden Steine in den Weg gelegt.
US-Plattformen profitieren
Derzeit befindet sich die E-Privacy-Verordnung noch im Gesetzgebungsverfahren. Ursprünglich sollte die Verordnung zusammen mit der DSGVO in Kraft treten, da sie diese ergänzt und spezifiziert. Doch der Beratungsbedarf ist groß. Nach der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament gab am 8. Juni auch der EU-Ministerrat grünes Licht für den strengen Verordnungstext.
Die Europaabgeordneten und Vorsitzenden der MIT-Europakommission, Markus Ferber und Markus Pieper, die dagegen gestimmt haben, werfen den Europäischen Sozialdemokraten und Grünen Überregulierung vor. „Die Digitalisierung lebt vom freien Datenfluss. Europa darf im Wettbewerb mit Asien und Amerika nicht den Anschluss verlieren“, sagen sie. Das aber drohe, da der Entwurf den großen digitalen Plattformen einseitig Wettbewerbsvorteile zuspiele. Denn die US-Konzerne sind gar nicht auf Cookies angewiesen. Deren Nutzer stimmen dem Tracking direkt per Login zu. Demgegenüber verfügen kleinere Unternehmen nicht über so große Datenpools. Ferber und Pieper setzen nun darauf, dass diese Schieflage in den weiteren Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Mitgliedsstaaten noch behoben wird, ehe die Verordnung 2019 in Kraft treten könnte.
MIT-Vorstand will Moratorium
Der MIT-Bundesvorstand hat deshalb ein Moratorium für das Vorhaben gefordert. Zunächst müssten die Auswirkungen der zum Teil unpraktikablen und missverständlichen Vorgaben der DSGVO geklärt werden. Bis dahin müsse die Bundesregierung die Verabschiedung der Verordnung auf europäischer Ebene verhindern. In seiner Funktion als stellvertretender Fraktionsvorsitzender hat sich MIT-Chef Carsten Linnemann an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gewandt und ebenfalls für eine Auffangregelung geworben: „Es wäre fatal, wenn Unternehmer den Eindruck gewinnen, dass gegen sie eine neue ‚Bürokratie-Keule‘ in Anschlag gebracht wird, während sie noch mit den Herausforderungen der DSGVO zu kämpfen haben.“
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