Editorial zum Abschied: Es war mir eine Ehre

Datum des Artikels 09.12.2021
MittelstandsMagazin

Ob Sie es mir glauben oder nicht: Der anstehende Abschied als Vorsitzender der MIT geht mir nahe. Auch wenn ich rationale Gründe für meine Entscheidung habe. Auch wenn ich mich auf meine zukünftigen Herausforderungen freue. Auch wenn wir uns seit Jahren für eine Begrenzung von Amtszeiten bei politischen Spitzenämtern einsetzen und ich dies jetzt auch (vor)leben will. Am Ende trifft es mich doch mehr als erwartet.

Dabei bin ich der MIT sehr dankbar. Ich bin stolz, dass ich ihr acht Jahre vorsitzen durfte. Wir sind zu einer engen Gemeinschaft zusammengewachsen. Eine Gemeinschaft, die sich wie keine andere Institution in Deutschland so prominent, so klar und so überzeugend für die Soziale Marktwirtschaft einsetzt. Wir nehmen keine Rücksicht auf Einzelinteressen, sondern fühlen uns ausschließlich dem Konzept Ludwig Erhards verpflichtet. Die Soziale Marktwirtschaft ist unser Kitt, unser Wertefundament.

Konkret konnten wir in den letzten Jahren viele Dinge umsetzen, etwa die Einführung der Flexirente, die Abschaffung der kalten Progression, die Wiedereinführung des Meisterbriefes im Handwerk, den sektorübergreifenden Emissionshandel als Klima-Leitinstrument und vieles mehr.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Als ich 2013 zum Vorsitzenden der MIT gewählt wurde, wollte ich mehr. Ich wollte die Welt verändern. Ich wollte die Steuerreform auf dem Bierdeckel einführen, über eine Föderalismusreform das Bildungssystem erneuern und eine große Rentenreform auf den Weg bringen. Doch so weit ist es nicht gekommen.

Im Gegenteil: Deutschland ist seit Jahren im Krisenmodus festgefahren. Erst die Eurokrise, dann die Flüchtlingskrise und jetzt Corona. Und zu allem Überfluss macht sich in der Pandemie auch noch eine neue Staatsgläubigkeit breit. Das alles trifft in Zeiten der Digitalisierung auf eine Realität, in der Faxgeräte nicht in Kleinstbetrieben oder in Museen herumstehen, sondern in deutschen Gesundheitsämtern vor sich hin rattern. Mich lässt mittlerweile das Gefühl nicht los, dass wir zu einer Selbstverwirklichungsgesellschaft mutiert sind. Wir bestellen pausenlos und unbedacht Dinge bei Internet-Konzernen, die beim zweiten Blick wieder zurückgeschickt werden. Mit der gleichen Mentalität fordern wir beim Staat immer wieder neue Leistungen und Rechte ein. Und Pflichten? Fehlanzeige. Es geht vielfach nur noch um das eigene Ich. Die Verantwortung für das eigene Handeln aber wird immer weniger übernommen.

Mein Appell: Stellen wir uns in den Gegenwind und kämpfen für unsere marktwirtschaftlichen Überzeugungen. Ein einfaches Unterfangen wird es nicht. Schon Ludwig Erhard hat kurz vor seinem Tod erkannt, dass mit steigendem Wohlstand den Menschen die Eigenverantwortung immer mehr abhandenkommt.

Es geht um viel. Denn wenn wir diesen Kampf nicht gewinnen, werden wir in Deutschland nichts mehr entfesseln, nichts mehr erneuern, nirgendwohin mehr aufbrechen. Dann übernimmt China das Zepter, während wir in Deutschland noch darüber streiten, ob das Binnen-I oder Gendersternchen genderneutraler ist.

Abschließend möchte ich mich bei allen Fürsprechern, Kritikern und Mutmachern für Ihre überwältigende Unterstützung bedanken, die Sie mir in all den Jahren zukommen ließen. Auf dem CDU-Bundesparteitag werde ich mich als stellvertretender Vorsitzender der CDU Deutschlands zur Wahl stellen. Friedrich Merz hat mir im Falle seiner Wahl angeboten, die Programmatik der Partei maßgeblich mitzuverantworten. Das ist genau mein Ding, darauf freue ich mich.

Es war mir eine Ehre, mich für Sie, die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft und unser Programm einzusetzen. Wir werden uns nicht aus den Augen verlieren. Versprochen.Alles Gute für die MIT und für Sie persönlich!

Ihr
Carsten Linnemann
MIT-Bundesvorsitzender (2013-2021)

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 6-2021