Erbschaftsteuer einfacher und rechtssicher ausgestalten

BESCHLUSS DES MIT-BUNDESVORSTANDS AM 24. MAI 2025

Kaum eine Steuer wird politisch so stark diskutiert wie die Erbschaftsteuer. Einige betrachten die aktuellen Belastungen der Steuerpflichtigen als “viel zu gering”, andere halten sie für “viel zu hoch”. Derzeit ist das ErbStG erneut Gegenstand von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Unter anderem wird geprüft, ob die derzeitige Rechtslage zur Erbschaftsteuer auf Privatvermögen (hier Aktiendepots) im Ver¬gleich zur begünstigten Besteuerung von Betriebsvermögen verfassungswidrig ist (1 BvR 804/22).

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) setzt sich seit jeher für ein Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht ein, das einen Interessenausgleich zwischen Eigentum und sozialer Bindung des Eigentums schafft – und dabei die mittelständischen (Familien-)Unternehmen nicht in ihrer Substanz schwächt.

Aktuellen Schätzungen zufolge stehen derzeit rund 190.000 deutsche Familienunternehmen unmittelbar vor oder in einer Unternehmensübertragungssituation (Zeitraum 2022 bis 2026). Die Erbschaft- und Schenkungsteuer hat für diese Unternehmen eine zentrale Bedeutung, weil sie sich zumindest indirekt auf den Unternehmenserfolg und damit verbunden auf die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen auswirkt.

Der Anteil der Erbschaftsteuer am Gesamtsteueraufkommen hat sich in Deutschland im Zeitraum 2000 bis 2020 in etwa verdoppelt und liegt aktuell mehr als doppelt so hoch wie im OECD-Durchschnitt. Nach aktuellen Berechnungen auf Grundlage des geltenden ErbStG hält dieser Trend auch in den kommenden Jahren an.

Das Erbschaftsteueraufkommen ist gemäß einer aktuellen ZEW-Studie sowohl unter Berücksichtigung einer Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28a ErbStG als auch ohne diese in Deutschland bei einer Vererbung an den Ehegatten mit weitem Abstand am höchsten. Ähnlich verhält es sich bei der Vererbung an ein Kind, wo lediglich die USA und Japan höhere Steueraufkommen verzeichnen.

Nach der bisher letzten BVerfG-Entscheidung zum ErbStG im Jahr 2014 (BVerfGE v. 17.12.2014 - 1 BvL 21/12) wurde das ErbStG umfassend reformiert.

Die Übertragung von Unternehmen wird seitdem steuerlich deutlich stärker belastet, weil mit dem neu definierten „Verwaltungsvermögen“ ein Teil des gesamten Unternehmensvermögens definitiv besteuert wird – genauso hoch wie vererbtes privates Vermögen.

Das ErbSt-Aufkommen, das an die Länder geht, betrug 2024 knapp 10 Milliarden Euro.

Die Erbschaft- und Schenkungsteuer besteuert die mit dem Erbe bzw. der Zuwendung verbundene Erhöhung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Erben oder Beschenkten als Bereicherungssteuer. Zur Umsetzung der so konzipierten Steuer sind klar definierte Bemessungsgrundlagen erforderlich, die eine realitätsgerechte Bewertung des Vermögens als Ausdruck der Bereicherung widerspiegeln. Das Problem ist, dass keine Ansätze vorliegen, die objektiv einzig richtige Werte von Wirtschaftsgütern aus¬weisen. Der Zuwachs an Vermögen der Erbenden und deren daraus abgeleitete höhere finanzielle Leistungsfähigkeit soll durch Verkehrswerte – also marktnahe Werte – des Vermögens bemessen werden. Aber auch diese Werte sind nicht für alle Wirtschafts¬güter in allen Regionen gleich. Dies hat auch das BVerfG mit besonderem Blick auf das Sachvermögen erkannt und lediglich gefordert, dass auch für Grund-, Betriebs-, land- und forstwirtschaftliches Vermögen ein (Annäherungs-)Wert angesetzt werden müsse, der dem Verkehrswert wenigstens angenähert sei.

Das Urteil des BVerfG von 2014 hat trotz seiner vielen Detailregelungen im Kern ein zweistufiges Verfahren bestätigt: Nach der komplizierten und häufig unklaren Bewer¬tung des Vermögens auf der ersten Stufe folgt auf der zweiten Stufe eine Anwendungsebene, auf der in erster Linie durch eine Verschonung von betriebsnotwendigem Vermögen Lenkungsziele des Gesetzes umgesetzt werden. Die Verschonung von übertragenem betriebsnotwendigem Vermögen wurde vom BVerfG bestätigt, aber an strengere Voraussetzungen geknüpft. Gerechtfertigt wird die Verschonung mit dem Schutz von Unternehmen vor Liquiditätsproblemen durch die erbschaft- oder schenkungsteuerliche Belastung beim Unternehmensübergang. Explizites Ziel der Verschonungsnorm ist es, den Bestand von Arbeitsplätzen bei der Unternehmensnachfolge zu sichern. Betont wird vom BVerfG dabei die besondere Bedeutung der klein- und mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft für die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb. Der ausdrückliche Lenkungszweck der Verschonungsnorm besteht nach dem BVerfG in der Förderung von Familienunternehmen, deren Vermögen eine Basis für Wertschöpfung, Beschäftigung und den Erhalt von Arbeitsplätzen sei.

Allerdings wurde die bis zum Urteil 2014 gültige Verschonung von Erbschaftsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens angesichts ihres Ausmaßes und der Gestaltungsmöglichkeiten für mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar erklärt. Bei kleinen und mittleren Unternehmen könne davon ausgegangen werden, dass eine Gefährdung durch Steuerzahlungen eintritt, bei größeren Unternehmen bedürfe es zur Rechtfertigung der weitreichenden Verschonung dagegen schon eines konkreten Nachweises der Gefährdungslage im Sinne einer individuellen Bedürfnisprüfung. Eingeführt wurde deshalb eine Grenze von 26 Millionen Euro, ab der die Verschonung einer besonderen Rechtfertigung bedürfe. Für 26 Millionen Euro übersteigende sog. „Großerwerbe“ existiert eine Wahlmöglichkeit: Entweder wird eine Verschonungsbedarfsprüfung durchgeführt oder es greift ein Verschonungsabschlag, der in 750.000 Euro -Schritten bis auf null Euro abschmilzt; ab 90 Millionen Euro wird dann keine Verschonung mehr gewährt. Die eingeführte Höchstgrenze von 26 Millionen Euro knüpft an der letzten Tarifstufe des § 19 Abs. 1 ErbStG als Eingang in den Spitzensteuersatz an und besitzt insoweit eine gewisse Plausibilität. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung wird geprüft, ob der Erbende in der Lage ist, die Erbschaft¬steuerzahlung zu leisten. Dabei muss der Erbende mindestens 50 Prozent seines privaten Vermögens einsetzen.

Eine spezielle Begründung für die Beibehaltung der Höhe des Verschonungsabschlages von 85 % bzw. 100 % enthält das Gesetz nicht. Sicher ist aber, dass ein Paradigmenwechsel vorgenommen wurde: Begünstigtes Unternehmensvermögen wird von nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen unterschieden und das Verwaltungs¬vermögen erbschaftsteuerlich voll belastet, genauso wie außerhalb des Betriebsvermögens übertragenes Vermögen. Vor diesem Hintergrund bezieht sich der 85 %ige Abschlag nunmehr an sich nur auf begünstigtes Unternehmensvermögen und hat mit der typisierenden Erfassung von Verwaltungsvermögen im Ausgangspunkt nichts mehr zu tun. Insoweit kann nun auch dem Verhältnis zur 100 %igen Vollverschonung ein gewisser Sinn gegeben werden, da sich diese ebenfalls nur auf begünstigtes Vermögen bezieht und sie zudem mit strengeren Bindungen für die Erwerber verbunden ist.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert, die durch das Urteil aus dem Jahr 2014 bestätigte, grundlegende Struktur der Verschonung des betriebsnotwendigen Vermögens beizubehalten.

Darüber hinaus fordert die MIT, notwendige Korrekturen am Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht vorzunehmen, damit es in der Praxis ohne Rechtsunsicherheiten umgesetzt werden kann:

I. Grundlegende Korrekturen notwendig: Rechtssicherheit schaffen

1. Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip wegen unbeherrschbarer Komplexi¬tät des Gesetzes vermeiden und Grundsätze der Normenbestimmtheit und Normenklarheit einhalten:

Das ErbStG hat eine Komplexität erreicht, die die Vollziehbarkeit des Gesetzes in einigen Teilen ernstlich in Frage stellt. Einen wesentlichen Anteil an der mangelnden Beherrschbarkeit der Vorschriften besitzen vor allem die unklaren Regelungen zum Verwaltungsvermögen, insbesondere die Regelungen zum jungen Finanzvermögen und der Bezug zum „Hauptzweck“ der Unternehmenstätigkeit, die Berücksichtigung von Schulden und der Altersvorsorge sowie das Erfordernis einer Verbundvermögensaufstellung, in der über die Beteiligungsketten hinweg die Ver-waltungsvermögen einer Unternehmensgruppe miteinander konsolidiert werden müssen. Bei den in gewichtigeren Fällen regelmäßig vorliegenden Konzernverflechtungen muss diese Betrachtung auf allen Beteiligungsebenen separat im Rahmen einer Verbundvermögensaufstellung für alle Gesellschaften durchgeführt werden. Dazu zählen auch Auslandsgesellschaften innerhalb der EU. Bei der Verbundvermögensaufstellung benötigen sie detaillierte Informationen aller Tochtergesellschaften und Betriebsstätten. Dabei sind gegenseitige Forderungen und Verbindlichkeiten auszuklammern; bei Personengesellschaften ist das Sonder-betriebsvermögen aber einzubeziehen. Die von der MIT geforderten Vereinfachungen sollten dringend auf den Weg gebracht werden, damit in der Anwendung des Gesetzes die oben genannten Grundsätze eingehalten werden können.

2. Regelungen zielgenau und normenklar ausgestalten:

Das BVerfG verlangt im Zusammenhang mit der erbschaftsteuerlichen Verschonung eine hinreichende Normenbestimmtheit. Die Rechtstheorie unterscheidet zwischen der Dichte, d. h. der Anzahl der zu berücksichtigen normativen Informationen, und den Interdependenzen zwischen den Normen (externe Interdependenz) bzw. Normbestandteilen (interne Interdependenz). Die Norm ist noch weniger zu be-herrschen, wenn sie in ihren Bestandteilen gleich mehreren Zwecken dient und der Rechtsanwender diese mehrdimensional beachten muss. Die von uns angesproche¬nen Vereinfachungen würden hier zu mehr Klarheit sorgen.

3. Strukturelle Vollzugsdefizite vermeiden und Rechtsanwendungsgleichheit beachten (Art. 3 Abs. 1 GG):
Das BVerfG hat sich wiederholt dazu geäußert, dass Normen auch in der Praxis vollziehbar sein müssen. Danach muss das materielle Gesetz so ausgestaltet und in ein normatives Umfeld eingebettet sein, dass es die Finanzbehörden auch auf gleichheitskonforme Weise vollziehen können. Vollzugsmängel können bei den Steuererhebungsverfahren durchaus schnell vorliegen und lassen sich in der Praxis nicht vollständig vermeiden. Nur wenn sich bei einer Steuer die Erhebungsregelung strukturell als nicht anwendbar erweist, kann die dadurch bewirkte Gleichheitswidrigkeit auch zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Norm führen. Finanzbehörden müssen die Verschonungssubvention mit zumutbarem Aufwand prüfen können. Bei der Erbschaftsteuer bestehen derzeit aber ernsthafte Zweifel, die durch Umsetzung unserer Forderungen beseitigt oder doch deutlich vermindert werden könnten.

4. Rechts- und Planungssicherheit schaffen:

Derzeit erlassen Finanzbehörden etwaige Erbschaft- oder Schenkungsteuer¬bescheide nur unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO, um innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist die Überprüfung des Steuerfalls noch vornehmen zu können. Die zunächst verschonten Erwerber leben daher über Jahre im Zustand der Ungewissheit über die Höhe ihrer definitiven Erbschaft- oder Schenkungsteuerschuld, was erhebliche negative Auswirkungen auf die Übernahme und Fortführung von Betrieben hat. Nur eine konsequente „Entrümpelung“ des ErbStG und konsequente Klarstellungen sowie Vereinfachungen werden Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wieder mehr Sicherheit geben. Mit Blick auf die in den kommenden Jahren stark zunehmende Zahl von Erbschaften und Schenkungen sollte der Gesetzgeber die hier angemahnten „Reparaturen“ zeitnah angehen. Dabei sollte die Struktur des Gesetzes mit marktnaher Bewertung und Verschonung des betriebsnotwendigen Vermögens aber bei¬behalten werden.

II. Notwendige Korrekturen in der Rechtsanwendung

5. Wertminderungen von Verfügungsbeschränkungen bei Gesellschaftsanteilen bereits auf der Bewertungsebene berücksichtigen:

Bewertungsmaßstab ist nach § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes der sog. gemeine Wert. Dieser Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei der Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, durchaus zu be¬rücksichtigen. Unberücksichtigt bleiben sollen allerdings alle ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse des Erbenden, zu denen auch die Verfügungsbeschränkungen gehören. Hierunter fallen auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanz¬hofs insbesondere in Gesellschaftsverträgen und Satzungen verankerte Verfü¬gungsbeschränkungen. Die durch die Beteiligung der Gesellschafter in hohem Maße eingeschränkte Fungibilität wirkt sich negativ auf den objektivierten Wert einer Beteiligung und damit auf die Bereicherung des Gesellschafters aus. Das Problem der Verfügungsbeschränkung bei nichtbörsennotierten Anteilen an Kapital- und Personengesellschaften hat der Gesetzgeber aber nicht auf der Bewertungsebene, sondern erst auf der Verschonungsebene durch einen Vorab-Verschonungsabschlag in Höhe von 30 Prozent des begünstigten Unternehmensvermögens angesiedelt. Der Gesetzgeber wollte damit familiengeführte Unternehmen, deren Unternehmensführung typischerweise auf die langfristige Sicherung und Fortführung des Unternehmens ausgerichtet und bei denen ein freier Handel der Gesellschaftsanteile ausgeschlossen sei, fördern. Die Beschränkungen müssen zudem mindestens zwei Jahre vor und 20 Jahre nach der Steuerentstehung bestanden haben bzw. fortbestehen. Während dieser Zeit ist der Erwerber verpflichtet, Änderungen der genannten Bestimmungen oder auch tatsächlichen Verhältnisse innerhalb einer Frist von einem Monat anzuzeigen. Mit dem Vorab-Verschonungsabschlag entspricht der Gesetzgeber der berechtigten Forderung nach Berücksich¬tigung der die objektive Leistungsfähigkeit des Erwerbers schmälernden Verfügungsbeschränkungen. Jedoch geschieht dies auf der falschen Ebene, die Be-schränkungen sollten auf der 1. Stufe, der Bewertung des Vermögens, berücksichtigt werden, weil Verfügungsbeschränkungen den Wert des Erworbenen direkt beeinflussen. Im Übrigen sind solche Bewertungsabschläge auch in vielen anderen Bewertungsfällen vorzunehmen (Bsp. Grundstücksbewertungen). Es wäre nicht zielführend, Bewertungs- mit Verschonungsfragen weiterhin zu vermengen, zumal diese zwei verschiedene Zwecke verfolgen und somit strikt zu trennen sind.

6. Lohnsummenregelung für Kleinbetriebe vereinfachen:

Voraussetzung für die Gewährung des o. gen. Verschonungsabschlags ist, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen eines Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Ausgenommen sind davon lediglich Betriebe, mit nicht mehr als fünf Beschäftigten. An die Stelle der Mindestlohnsumme von 400 Prozent tritt bei mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 250 Prozent, bei mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 300 Prozent. Bereits die Überwachung des Lohnsummentests und der Halteregelung über 5 bis 7 Jahre hinweg verursacht allerdings einen hohen Verwaltungsaufwand, der sich deutlich verringern ließe, wenn die Haltefristen verkürzt würden. Die Anwendung der Lohnsummenregelung in seiner aktuellen Ausgestaltung birgt erhebliche Nachversteuerungsrisiken, wenn die Lohnsumme aufgrund äußerer Faktoren beeinträchtigt wird. Als gutes Beispiel dient hier die in vielen Unternehmen Corona-bedingte Anordnung von Kurzarbeit, um die Unternehmensfortführung zu gewährleisten.

7. Verwaltungsvermögenstest (§ 13b ErbStG) vereinfachen:

Das BVerfG hat die vom Gesetzgeber getroffene Unterscheidung zwischen begünstigtem („produktivem“) Unternehmensvermögen und nicht begünstigtem („unproduktivem“) Verwaltungsvermögen grundsätzlich gebilligt. Mit der Definition des Verwaltungsvermögens wird das Ziel verfolgt, möglichst nur den Erwerb von produktivem Vermögen zu fördern und Umgehungsstrategien zu unterbinden. Das BVerfG hat die Verwaltungsvermögensregelung zwar für im Ausgangspunkt zur Sicherung des Lenkungszwecks geeignet und erforderlich, in ihrer konkreten Aus¬gestaltung („Alles-oder-nichts“-Prinzip, Kaskadeneffekt) aber für unverhältnismäßig im engeren Sinne gehalten. Die gesetzliche Regelung geht weiterhin von einem mit Einzelsachverhalten befüllten Verwaltungsvermögenskatalog aus, an dem im Detail wenig verändert wurde. Das BVerG hat sich neben der für verfassungswidrig erachteten 50 %igen „Alles-oder-nichts“-Grenze mit einzelnen Positionen des Katalogs jedoch nicht weiter befasst. Daraus lässt sich aber nicht einfach ableiten, dass die aus dem bisherigen Katalog übernommenen Regelungen ohne weiteres sinnvoll und verfassungskonform sind. So hat zuletzt eine Entscheidung des BFH für Aufregung gesorgt, in der dieser in einer weiten Auslegung von § 13b Abs. 4 Nr. 1 Satz 1 ErbStG sämtliche (lang- und kurzfristige, entgeltliche und unentgeltliche) Nut¬zungsüberlassungen von Grundstücken als Verwaltungsvermögen ansieht. Nun muss wieder das BVerfG entscheiden, ob die Grenze verfassungsrechtlich zulässiger Typisierung überschritten ist, wenn der Gesetzgeber solche Grundstücke, die ihrem Hauptzweck nach einer originär gewerblichen Tätigkeit dienen und damit nach der Zielrichtung der Verschonungsregelungen gerade begünstigt sein sollen, wieder aus den Begünstigungen für Betriebsvermögen ausnimmt. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber selbst frühzeitig seinen Katalog insgesamt nachbessert und nicht erst nach einer gegen das BFH-Urteil eingelegten erfolgreichen Verfassungsbeschwerde.

8. Zusammenhang zwischen sog. Finanzmitteln, sonstiges Verwaltungsvermögen und Regelverschonung klären und vereinfachen:

Das Gesetz sieht für dieses ebenfalls unschädliche Verwaltungsvermögen vor, dass jeder Betrieb zur Gewährleistung seiner unternehmerischen Unabhängigkeit in einem gewissen Umfang Vermögen benötigt, das nicht unmittelbar der originären Betriebstätigkeit dient. Es handelt sich im Prinzip um Finanzierungspuffer, die zur Kapitalstärkung und Sicherung der objektiven Unternehmenszwecke benötigt werden. Auch deshalb bezieht sich der 85 %ige Abschlag an sich nur auf begünstigtes Unternehmensvermögen und hat mit der typisierenden Erfassung von Verwaltungsvermögen im Ausgangspunkt nichts mehr zu tun. Auch die 100 %ige (Voll-)Verschonung bezieht sich auf das betriebsnotwendige Vermögen und unterliegt strengeren Voraussetzungen, die die Erwerber erfüllen müssen. Zur Absicherung gegen missbräuchliche Gestaltungen hat der Gesetzgeber zudem eine – leider viel zu kompliziert formulierte – zusätzliche 90 %-Grenze (§13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG) eingeführt. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, dass als begünstigtes Vermögen auch das Vermögen vermögensverwaltender Kapitalgesellschaften und gewerblich geprägter Personengesellschaften im Ausgangspunkt (wieder) einbezogen werden. Unternehmen vieler Branchen – wie im Gastgewerbe – haben aber erhebliche Prob-leme mit dieser Regelung, weshalb die 90%-Grenze abgeschafft werden sollte.

9. Investitionsklausel (§13b Abs. 5 ErbStG) und Regelung zu jungen Finanzmitteln (13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 5 ErbStG) vereinfachen:

An sich schädliches Verwaltungsvermögen kann innerhalb von zwei Jahren in begünstigtes Betriebsvermögen investiert und damit steuerlich auch als solches behandelt werden. Diese Regelung soll den Härten begegnen, die mit dem Stichtagsprinzip eines „Erwerbs von Todes wegen“ verbunden sind. Allerdings muss die Investition auf Grund eines bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vorgefassten Plans des Erblassers erfolgen und es darf keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen werden. Auch für junge Finanzmittel gilt die 2-Jahres-Regel. Diese Regelungen sind im Detail sehr komplex und nur schwer zu überprüfen. Sie sind auch nicht als grundlegende Umgehungstatbestände geeignet, weshalb hier deutliche Vereinfachungen vorgenommen werden sollten.

10. Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) vereinfachen:

Eine Ausdehnung der Bedürfnisprüfung auf das bereits vorhandene Vermögen des Erben oder Beschenkten steht durchaus in einem gewissen Widerspruch zur Systematik des Erbschaftsteuerrechts, die für die Bemessung der Steuer allein auf die Bereicherung durch das durch den Erbfall oder die Schenkung Erworbene abstellt und auch sonst Befreiungen ohne Rücksicht auf die Bedürftigkeit des Erwerbers im Übrigen gewährt. Eine Verschonungssubvention rechtfertigt sich von ihrem Ansatz her allein durch die Gefahr eines Zugriffs der steuerpflichtigen Erwerber auf das Unternehmensvermögen und die damit verbundene Gefahr für die Unternehmensfortführung und den Erhalt von Arbeitsplätzen. Von daher wäre es konsequent, bei der Bedürfnisprüfung auf die Zugriffsmöglichkeiten des Erwerbers auf das Unternehmensvermögen aufgrund der Erbschaft- oder Schenkungsteuer abzustellen und nicht auf dessen privaten Vermögen (inklusive Verwaltungsvermögen).

III. MIT-Position: Vereinfachungen dringend angehen, Verschonungssystematik beibehalten und Steuerklassen modernisieren!

Das BVerfG hat in seinen bisherigen Entscheidungen stets das System der Unternehmensbegünstigungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht gestärkt. Eine gene¬relle Abschaffung dieser Begünstigungen, wie sie aktuell wieder von einigen politischen Gruppen gefordert wird, wäre ökonomisch aufgrund der hiermit verbundenen Gefährdung des deutschen Mittelstands aus ökonomischer Sicht äußerst unvernünftig und angesichts der eindeutigen Verfassungsrechtsprechung seitens der Judikative ausdrücklich nicht gewünscht. Im OECD-Vergleich ist die Erbschaftsteuerbelastung in Deutschland schon heute hoch. Würde die Belastung weiter erhöht, dürften die Familienunternehmen in Deutschland in ihrer Wettbewerbsposition geschwächt werden, was unmittelbar und mittelbar zu einer Gefährdung vieler Arbeitsplätze führen würde. Auch angesichts der ohnehin aktuell großen Herausforderungen, die auch der Mittelstand in Deutschland zu bewältigen hat, lehnt die MIT jegliche weitere Erhöhungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ab.

Rechtsänderungen, die im Ergebnis zu einer höheren Steuerbelastung bei der Übertragung von Unternehmen führen würde, lehnt die MIT unter dem Gesichtspunkt einer negativen Beeinflussung auf die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen ab.
Die aktuellen Steuerfreibeträge sollten deutlich nach oben angepasst werden. Zuletzt wurden sie im Jahr 2009 angepasst. Seitdem erfolgten erhebliche inflations¬bedingte Wertsteigerungen. Besonders hohe Verkehrswertsteigerungen gab es bei Immobilienwerten, die häufig einen wesentlichen Übertragungswert darstellen. Angesichts der allgemeinen Wertsteigerungen in den vergangenen 15 Jahren von etwa 35% (Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts) sollten die Freibeträge auch zumindest um diesen Wert nach oben angepasst werden. Daneben sollten die Steuerfreibeträge aus Erbschaft- und Schenkungsteuer zukünftig vollständig und automatisch an die Inflation angepasst werden (Maßstab: Verbraucherpreisindex).
Auch in der Sozialstruktur ergaben sich in den letzten Jahren in vielfacher Hinsicht Änderungen, infolgedessen heute nicht mehr nur das “klassische Erbmodell” einer Übertragung von Vermögenswerten vorrangig auf die eigenen Kinder erfolgt. Neben dem “klassischen Familienmodell” wie vom ursprünglichen Gesetzgeber angenommen, bestehen heute viele weitere Familienmodelle. Die heutige Gesellschaft ist vielfältiger, mit der Folge, dass häufig auch auf eine Seitenlinie übertragen wird. Das gilt ins¬besondere dann, wenn der Schenker/Erblasser – vielfach ungewollt – keine eigenen Kinder hat und somit auch keine Möglichkeit zur erbschaftsteuerbegünstigten Übertragung nach Steuerklasse I an seine ihm nahestehenden Familienangehörigen der Seitenlinie (bspw. Nichte/Neffe). Ein Freibetrag von derzeit gerade einmal 20.000 Euro bei einer Übertragung innerhalb eines engen familiären Umfelds und damit die faktische Gleichsetzung beim Freibetrag mit außerfamiliären Dritten wird dieser Situation nicht gerecht. Denkbar wäre bspw. eine Übernahme der Regelungen zur Steuerklasse I, wenn der Übertragende keine eigenen Kinder hat. Auch ein Verweis auf die Möglichkeit einer familienrechtlichen Adoption als Mittel der Steuergestaltung ist nicht zweckdienlich, weil es sich hier um zwei verschiedene Rechtsinstitute handelt und man die Entscheidung einer Anwendungsmöglichkeit von Steuerbegünstigungen für nahe Angehörige nicht an die ordentliche Gerichtsbarkeit auslagern sollte, zumal nach weit herrschender Meinung steuerliche Fragen gerade kein Gegenstand der familienrechtlichen Adoptionsprüfung sein dürfen.

Sinnvoll wäre schließlich eine deutlich weniger restriktive Anwendung von Stundungsmöglichkeiten, um Unternehmensentwicklungen gerecht zu werden. Es ist nicht im Sinne des Gesetzgebers, den Mittelstand ad hoc auf den Zeitpunkt des Erb- oder Schenkungsfalls selbst bei Liquiditätsengpässen zu belasten, sondern geboten, durch freiere Stundungsoptionen bei den Steuerpflichtigen unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen, ohne im Ergebnis auf fiskalische Einnahmen verzichten zu müssen.