Gegen staatliche Eingriffe - für mehr Wettbewerb: 11. GWB-Novelle verhindern [MIT-Präsidium]

Datum des Artikels 09.05.2023
Beschluss

Ende letzten Jahres warnte die MIT vor dem Versuch der Bundesregierung, das Bundes-kartellamt bei Sektoruntersuchungen mit neuen Eingriffskompetenzen zu versehen. Nun hat die Ampel-Koalition einen Regierungsentwurf zum Wettbewerbs- und Kartellrecht verabschiedet, am 5. April 2023 passierte die 11. GWB-Novelle das Bundeskabinett. Der Gesetzesentwurf soll eine verbesserte Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Kartellbehörden ermöglichen. Dazu werden völlig neue Instrumente und Eingriffsmaßnahmen bis hin zur Zerschlagung von Unternehmen eingeführt. Wie von der MIT befürchtet geht die Umsetzung dieser neuen Eingriffsbefugnisse für die Kartellbehörden weit über das Ziel hinaus und das Gesetz weist schwerwiegende Mängel auf.

Der Referentenentwurf bezieht alle – auch mittelständische Unternehmen – in die neue Kategorie der missbrauchsunabhängigen Marktstrukturkontrolle ein. Selbst wenn bei Sektoruntersuchungen vom Bundeskartellamt keinerlei Wettbewerbsverstöße von Unternehmen festgestellt worden sind, sollen künftig staatliche Abhilfemaßnahmen angeordnet werden können, um einer „zukünftigen erheblichen und fortwährenden Störung des Wettbewerbs entgegenzuwirken“. Die mit dem Referentenentwurf verbundenen Kosten für die Wirtschaft dürften erheblich höher ausfallen als vom Bundesministerium angenommen.


Zudem wirft der Gesetzesentwurf eine Reihe verfassungsrechtlicher Fragen auf, etwa nach der Rechtmäßigkeit von Eingriffen in Grund- und Verfahrensrechte oder nach der Verhältnismäßigkeit von Prüfungen. Grundrechte wie die unternehmerische Handlungsfreiheit, die Berufsausübung, das Eigentumsrecht und das Rechtstaatsprinzip sind durch die 11. GWB-Novelle in Gefahr (Grundgesetz Artikel 2, 12, 14 und 19). Und es ist äußerst zweifelhaft, ob der Staat mit dem Mitteln des Kartellrechts ein rechtmäßiges Verhalten von Unternehmen zu einem besseren „marktgerechten“ unternehmerischen Handeln erzwingen darf. Mit der 11. GWB-Novelle tritt die Bundesregierung offen für einen neuen staatlichen Marktdirigismus ein, der fatale wirtschaftliche Folgen haben kann.


Der von der Ampel angestrebte Paradigmenwechsel im Kartellrecht ist gerade in der derzeit angespannten wirtschaftlichen Lage das falsche Signal, Märkte dürfen nicht zum Spielball des Bundeskartellamtes werden. Die 11. GWB-Novelle muss aus Sicht der MIT im parlamentarischen Verfahren dringend geändert werden. Die MIT lehnt den Referentenentwurf zur 11. GWB-Novelle weiterhin ab und fordert:

 

  1. Das Wettbewerbsrecht muss ein verlässliches Instrument der sozialen Marktwirtschaft bleiben. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgeschlagene Gesetz weckt erhebliche marktwirtschaftliche und rechtliche Bedenken. Wo das Ziel die Stärkung des Wettbewerbs ist, wird eher eine Einschränkung des Wettbewerbs nach politischen Vorgaben stattfinden, weil Marktteilnehmer aller Unternehmensgrößen ohne vorwerfbare Verstöße zu einem mutmaßlich marktkonformen – tatsächlich aber rein staatlich geprägten - Verhalten gegängelt werden können. Regulierungen und Inhaltsbestimmungen, z.B. Verbraucherschutzregelungen, müssen aber Gegenstand der Fachgesetze sein und nicht Entscheidungen von Kartellbehörden im Wettbewerbsrecht. Der Gesetzgeber ist zudem verpflichtet, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen.
  2. Die MIT fordert für Sektoruntersuchungen der Kartellbehörden insgesamt eine präzise und abschließende Festlegung von Gegenstand, Eröffnung, Informationspflichten, Adressaten, Umfang, Schutz von Betriebsgeheimnissen etc. in einer Vorschrift.
  3. Kleine und mittlere Unternehmen dürfen durch die neuen Regeln nicht benachteiligt werden. Bei der Anordnung einer Anmeldepflicht nach einer Sektoruntersuchung im Hinblick auf künftige Zusammenschlüsse von Unternehmen fordert die MIT angemessene höhere Schwellen, ab denen Unternehmen einer Anmeldepflicht unterworfen werden. Niedrige Schwellenwerte blockieren oft Exit-Strategien von Unternehmensinhabern/-inhaberinnen ohne Nachfolgeregelung in Familienunter-nehmen. Geeignete größere Marktteilnehmer lassen sich als Erwerber bei immer neuen, härteren Transaktionsschwellen oft nicht mehr finden. Der Schwellenwert für eine ausgeweitete Anzeigepflicht bei Fusionen sollte an der zweiten Inlandsumsatzschwelle orientiert werden, die 2021 mittelstandsfreundlich in der 10. Novelle des GWB angehoben worden ist und damit auch zu einer eheblichen Entlastung der Kartellbehörden führte.  
  4. Die MIT lehnt die Abschöpfung von möglichen Vorteilen durch Kartellverstöße ohne Nachweis der Höhe des entstandenen Vorteils in Form eines umsatzabhängigen Pauschalbetrags zu Gunsten der Staatskasse ab. Sie hat eher Strafcharakter und ist aus rechtsstaatlichen Gründen abzulehnen; ebenso ist die gesetzliche Vermutung einer bestimmten Höhe eines Gewinns abzulehnen.
  5. Die MIT fordert die Bundesregierung auf, die Kostenschätzung für die Belastung der Wirtschaft durch die 11. GWB-Novelle erneut zu überprüfen.

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