Interview mit Jung-Unternehmerin Sarna Röser: „Der Staat kann es nicht“

Datum des Artikels 16.04.2021
MittelstandsMagazin

Sarna Röser führt den Verband der Jungen Unternehmer. Im Interview mit Mittelstands-Chefredakteur Thorsten Alsleben spricht die designierte Unternehmensnachfolgerin über das Krisenmanagement der Bundesregierung, die Lehren aus der Krise und die Unterschiede zwischen Unternehmern und Politikern.

Frau Röser, wenn Deutschland ein Unternehmen wäre, wie würden Sie den Zustand beschreiben?

Als nicht wirklich gesund. Das Krisenmanagement, das wir momentan erleben, ist miserabel – in einem Unternehmen hätte die Chefetage ernsthafte Probleme, ihre schwächelnde Leistung zu erklären. Deutschland braucht endlich ein effektives und vor allem gut organisiertes Krisenmanagement. Wir brauchen dafür einen Paradigmenwechsel. In den letzten Monaten haben wir gesehen: Der Staat kann es nicht. Jedenfalls nicht alleine. Wir brauchen auch in der Pandemie eben weniger Staat und mehr Marktwirtschaft. Dafür können Unternehmer wichtige Unterstützung leisten.

Was würden Sie jetzt anders machen in der Corona-Politik?

Mehr Tempo und mehr Kompetenz reinbringen. Die Pandemie kann nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft als „Team Deutschland“ schnell überwunden werden. Wir Familienunternehmer stehen bereit und haben bereits der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten aktiv unsere Hilfe angeboten.

Was heißt das konkret?

Wir brauchen flächendeckende Testangebote und müssen schneller ans Impfen kommen. Natürlich wissen wir, dass der Impfstoff momentan nicht ausreichend zur Verfügung steht. Aber jetzt ist genau die Zeit, um alles vorzubereiten. Wir haben seitens der Wirtschaft angeboten, unsere Betriebsärzte aktiv mit einzubinden. Vereinzelt gibt es Modellprojekte, in denen die Mitarbeiter ein Impfangebot durch Betriebsärzte erhalten. Warum gibt es das nicht gleich in ganz Deutschland? Das gleiche gilt beim Testen: Hier sollten wir viel stärker die privaten Akteure mit einbeziehen, die die nötige Logistik beherrschen. Das heißt: Apotheken, Drogeriemärkte, Supermärkte. Die Wirtschaft kann viel mehr unterstützen. Wir sind kreative Problemlöser. Wir verfügen über die Logistik, können organisieren und sind kompetent. Wir haben uns immer wieder angeboten. Für mich ist es unverständlich, dass die Regierungen von Bund und Ländern unsere Hilfsangebote bis heute nicht angenommen haben.

Sie sehen im flächendeckenden Testen eine Lösung. Was halten Sie von dem Kabinettsbeschluss, dass Unternehmen verpflichtend Tests anbieten müssen?

Wir haben dazu eine Umfrage unter den rund 6000 Mitgliedern des Familienunternehmerverbandes gemacht. 85 Prozent der Unternehmer wollen testen, aber sie stehen vor ganz praktischen Problemen. Wo bekommen sie Tests in ausreichender Menge, wie werden sie bearbeitet, wer haftet? Die Testpflicht wurde beschlossen, ohne ganz praktische Fragen ausreichend zu klären und zu kommunizieren. Jetzt wird der Schwarze Peter einfach der Wirtschaft zugeschoben.
Die Wirtschaft unternimmt bereits einiges mit strengen Hygiene- und Schutzmaßnahmen, um die Sicherheit und die Gesundheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Klar ist auch: Der Arbeitsplatz ist kein Infektionstreiber. Eine Umfrage unter unseren Mitgliedern ergab, dass über 91 Prozent der an Corona Erkrankten sich außerhalb der Arbeitsstätte angesteckt haben. Das ist ein klares Zeichen, dass die Unternehmen bereits alles dafür tun, um Mitarbeiter zu schützen. Viele Mitarbeiter befinden sich zudem im Homeoffice. Aber das ist eben nicht überall möglich.

Haben Sie in Ihrem Betrieb schon vor der Testpflicht Ihre Mitarbeiter getestet?

Ja, wir haben schon vor der Testpflicht freiwillig für unsere Mitarbeiter in der Produktion Tests angeboten, und das wurde auch genutzt. Ich kenne aber ebenso Beispiele, wo sich Mitarbeiter nicht testen lassen wollen.

Würden Sie dem Bund – wie von Kanzlerin Merkel gewünscht – mehr Kompetenzen geben, damit es zu einheitlichen und wohl auch härteren Regeln kommt?

Es braucht in jedem Fall eine klare Aufgaben- und Kompetenzverteilung. Der Bund muss sich Experten mit ins Boot holen, die Ahnung von Organisation, Logistik etc. haben. Dennoch: Es muss auch weiterhin eine regionale Betrachtung und Steuerung möglich sein. Wir Familienunternehmer plädieren dafür, die Öffnungsstrategie weiterzuentwickeln. Sie sollte sich nicht nur an den Inzidenzen orientieren, sondern auch an der Impfquote, der Auslastung der Intensivbetten etc. Wir müssen weg von der Inzidenz-Ideologie, die nur auf Inzidenzwerte schaut.

Die Modellprojekte in Tübingen oder im Saarland zeigen, dass es Alternativen zum ideenlosen Dauer-Lockdown der Bundesregierung gibt. Selbst wenn sich die Situation vor Ort verschlechtert und es wieder zu Schließungen kommt, dann ist das zwar schmerzhaft. Aber für die Bevölkerung ist das immer noch besser nachzuvollziehen, als wenn in jeder Region das gleiche gilt.

Die Unternehmer und ihre Mitarbeiter, von denen noch immer viele in Kurzarbeit sind, brauchen eine Perspektive. Wir müssen mehr ausprobieren, mehr Modellprojekte zulassen und konsequent und millionenfach testen.

 

Welche Lehren für die Zukunft sollte Deutschland aus dem Management der Krise ziehen?

Wir müssen uns schon jetzt besser auf zukünftige Krisen vorbereiten. Es darf in der Zukunft nicht wieder solch ein Auf und Ab geben. Gleichzeitig gibt es positive Erkenntnisse wie die zusätzlichen Möglichkeiten durch Digitalisierung. Das Mindset der Bevölkerung hat sich verbessert. Viele Unternehmer und Mitarbeiter haben gesehen, dass Homeoffice funktionieren kann und nicht jeder vor Ort sein muss.

Eine Herkules-Aufgabe steht uns jedoch bevor: Deutschland braucht einen Restart. Wir jungen Unternehmer prangern schon seit vielen Jahren die schleppende Digitalisierung in Deutschland an. Wir brauchen dringend eine bessere digitale Infrastruktur und Verwaltung. Die deutsche Bürokratie hat die Situation weiter verschlechtert. Wir müssen jetzt Rahmenbedingungen schaffen, damit wir, die Familienunternehmen, unsere PS wieder erfolgreich auf die Straße bringen können. Bei den Rufen nach Steuererhöhungen und etwa einer Vermögensteuer sträuben sich mir die Nackenhaare. Viele Mittelständler, die so stark gelitten haben und auch noch leiden, die fast ihr gesamtes Eigenkapital aufgezehrt haben und trotzdem versuchen, jeden Arbeitsplatz zu halten, die sollten jetzt nicht belastet, sondern entlastet werden.

Der Bund reißt 2020, 2021 und wohl auch 2022 die Schuldengrenze des Grundgesetzes massiv. Ab wann muss die Schuldenbremse wieder eingehalten werden?

Die Schuldenbremse sollte so früh wie möglich wieder greifen. Dank ihr konnten wir es uns in der Krise überhaupt erst leisten, Unternehmen, die wegen der Pandemie schließen mussten, zu helfen und das ganze Land zu unterstützen. Am Ende werden wir als junge Generation die Rechnung bezahlen müssen. Die Politik muss deshalb jetzt auf Wachstum setzen und nicht den Knüppel rausholen. Deutschlands Unternehmen haben mit die höchsten Steuersätze weltweit und sorgen dafür, dass die staatlichen Kassen gefüllt sind.

Wo würden Sie sparen?

Wir müssen Prioritäten setzen, wofür wir Steuergelder verwenden. Es wurde schon vor Corona zu viel Geld ausgegeben ohne die demografische Herausforderungen im Haushalt einzupreisen. Aus meiner Sicht muss zum Beispiel die Rente mit 63 wieder abgeschafft werden. Stattdessen sollten wir wirklich in die Zukunft investieren, in unseren Wirtschaftsstandort, in digitale Infrastruktur und Bildung. Deutschlands Wirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten zum Glück gewachsen. Unsere Haushaltskassen waren prall gefüllt und trotzdem wurde der Schrei nach höheren Steuern immer lauter. Wir brauchen einen zukunftsgerichteteren, kritischeren Blick auf die Ausgabenpolitik.

Aktuell befinden sich das Lieferkettengesetz, die Frauenquote und ein Gesetz zur Stärkung der Betriebsräte in Arbeit. Was davon würde den größten Schaden anrichten?

Alle drei Vorhaben schaden unserer Wirtschaft. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass unsere unternehmerische Freiheit immer weiter eingegrenzt wird. Ich würde mir wünschen, dass wir unseren Unternehmern mehr zutrauen. Das Lieferkettengesetz wird zu deutlich mehr bürokratischen Hürden führen, auch für den Mittelstand. Und eine Frauenquote löst die Ursache des Problems nicht. Da sollte der Staat eher seine Hausaufgaben machen und für bessere und mehr Kinderbetreuung sorgen.

Denken Sie, dass man mit Ihren wirtschaftspolitischen Positionen als Partei einen Wahlkampf erfolgreich führen kann? Oder kommt das beim Wähler nicht an?

Die Themen sind wichtig. Ich wünsche mir auch von der Union einen klareren Fokus auf Werte wie Freiheit, Eigentum, Verantwortung und Wettbewerb. Das ging mir in letzter Zeit zu sehr verloren. Die Union braucht im Wahlkampf eine klare Strategie, wie unser Wirtschaftsstandort gestärkt werden soll. Wenn man die Themen richtig setzt und sich positioniert, kann man damit im Wahlkampf auch die Bürger abholen und gewinnen.

Wer könnte das Ihrer Ansicht nach am besten? Markus Söder oder Armin Laschet?

Wir wünschen uns Wirtschaftskompetenz und gute Wirtschaftspolitik.

Sehen Sie die denn bei beiden Kandidaten?

Es kommt bei beiden Kandidaten darauf an, gute Teams um sich zu versammeln. Die Wirtschaftskompetenz in der Union verkümmert mehr und mehr, vor allem hier muss das Team des Kanzlerkandidaten überzeugen.

Die Grünen sind in Umfragen und Wahlen erfolgreich, versuchen sich bürgerlich zu geben. Wie kommt die Partei bei jungen Unternehmern an?

Die Grünen haben gerade in der Startup-Szene einige Anhänger, für viele sind sie aber auch nach wie vor die „Verbotspartei“. Wir setzen uns auch mit jungen Initiativen wie „Fridays for Future“ auseinander. Deren Unternehmer-Bashing, das teils auch von der Grünen Jugend betrieben wird, können wir uns als Land nicht leisten. Klimaschutz geht nur gemeinsam mit der Wirtschaft. Uns Familienunternehmern liegt Nachhaltigkeit im Blut. Nur mit Verboten kommen wir nicht weiter. Wir müssen intelligente Lösungen und Instrumente anbieten und die Menschen mitnehmen. Das machen die Grünen meiner Meinung nach bei vielen Punkten nicht.

 

Welchen Hauptunterschied sehen Sie zwischen Unternehmern und Politikern?

Für mich sind Unternehmer kreative Problemlöser. Das haben wir auch in der Pandemie gesehen. Unternehmen, gerade in den schwer getroffenen Branchen, haben schnell mutige Entscheidungen getroffen und Dinge ausprobiert. Dieses pragmatische Handeln und der Mut, Ideen schnell umzusetzen, das fehlt mir in der Politik. Aber auch in der Gesellschaft würde ich mir mehr die Haltung wünschen, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen und zu scheitern. Und was ich mir vor allem von einzelnen Politikern in Zukunft mehr wünsche: Stehen zu bleiben, für seine Meinung und Positionen zu kämpfen, egal wie stark der Wind bläst.

Ihre Vorgängerinnen im Amt der Bundesvorsitzenden der Jungen Unternehmer Marie-Christine Ostermann und Lencke Wischhusen haben sich ja nach der Verbandsarbeit in der Politik engagiert. Könnte Sie das auch reizen?

Ich bin ja als Vertreterin der Jungen Unternehmer schon politisch aktiv. Ich finde es richtig und wichtig, sich als Unternehmer oder Unternehmerin einzumischen. Die Stimme der Wirtschaft ist gefragter denn je, und wir müssen laut sein und auf unsere Themen und Positionen hinweisen. Es braucht natürlich auch in der Politik Praxiserfahrung. Ob das für mich auch eine Option ist, kann ich vielleicht sagen, wenn es mal so weit ist. Ich werde mich auf jeden Fall immer politisch einsetzen, und für mich ist das wichtigste Credo: „Nicht nur reden, sondern handeln“. Aber ich bin mit Leib und Seele Unternehmerin, und ich habe meinem Vater versprochen, dass ich unser Familienunternehmen fortführen werde, und ob ich dann noch eine politische Laufbahn einschlage, weiß ich nicht. Aber: Sag niemals nie.

Bei den letzten Fragen bitte ich um eine spontane Reaktion, wofür Ihr Herz eher schlägt. Auto oder Fahrrad?

Auto.

Mallorca oder bayerische Alpen?

Bayerische Alpen.

Unternehmen oder Verband?

Unternehmen.

Zeitungen oder Fernsehen?

Fernsehen.

Twitter oder Instagram?

Instagram.

Ein Abendessen mit Peter Altmaier oder mit Robert Habeck?

Um ihn näher kennenzulernen: Robert Habeck.

Zum Abschluss noch eine Satzvervollständigung: Wenn ich nach der Wahl gefragt würde, ob ich Wirtschaftsministerin werden möchte…

… würde ich mir das doch noch einmal gut überlegen.

 

Sarna Röser (33) ist seit 2018 Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer. Sie kommt aus der Nähe von Stuttgart und will das 1923 gegründete Familienunternehmen Zementrohr- und Betonwerke Karl Röser & Sohn GmbH von ihrem Vater übernehmen. Röser hat selbst ein Startup gegründet und führt ein zum Familienverbund gehörendes Unternehmen mit. Seit dem vergangenen Jahr ist sie Mitglied des Aufsichtsrats der Fielmann AG und des Beirats der Deutschen Bank. Röser engagiert sich zudem als stellvertretende Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung. Die Jungen Unternehmer gehören zum Verband „Die Familienunternehmer“ und zählen gemeinsam rund 6000 Mitglieder.

Dieser Artikel erschien zuerst im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 2-2021.