Keine Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen durch Lieferkettengesetz

Datum des Artikels 12.02.2020
Beschluss

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) unterstützt die Bestrebung, die Verletzungen von Menschenrechten, Sozial- und Umweltstandards weltweit zu bekämpfen. Ein Lieferkettengesetz ist jedoch der falsche Weg. Es ist für Unternehmen mit komplexen Lieferketten, gerade für Mittelständler, die gegenüber Einkäufern über keine dominante Marktmacht verfügen, in vielen Fällen nicht erfüllbar oder würde zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen führen. Durch diese Wettbewerbsnachteile würden deutsche Unternehmen im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz massiv geschädigt bis hin zur Gefahr der Geschäftsaufgabe oder vollständigen Standortverlagerung ins Ausland. Die Achtung der Menschenrechte in Deutschland und weltweit ist eine Selbstverständlichkeit für deutsche Unternehmen. Gerade viele Mittelständler tragen schon heute durch ihre Investitionen zu höheren Sozial- und Umweltstandards, zu besserer Bildung und damit weltweit zu Wachstum und Wohlstand bei. Statt den Menschen vor Ort zu helfen, würde ein Lieferkettengesetz vor allem deutsche Unternehmen belasten. Daher lehnen wir ein Lieferkettengesetz ab.

Die MIT fordert:

• Die Durchsetzung von Menschenrechten ist Aufgabe des Staates:
Die Durchsetzung von Arbeitsbedingungen oder Umweltschutz in anderen Ländern ist – jenseits des eigenen Betriebs – nicht die Aufgabe deutscher Unternehmen, sondern Kernverantwortung der jeweiligen Staaten und deren Institutionen vor Ort. Diese müssen geltende Vorschriften, dazu gehören auch internationale Vereinbarungen, durchsetzen. Eine nachhaltige Lösung ist nur dann gewährleistet, wenn sie von und in den betroffenen Ländern entwickelt und durchgesetzt wird. Die deutsche Politik ist aufgefordert, über die Instrumente der Außenpolitik und wirtschaftlichen Zusammenarbeit für die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards zu werben.

• Unternehmen übernehmen Verantwortung, aber keine Haftung für andere:
Ein Lieferkettengesetz, das die gesamte Wertschöpfungskette umfasst, ist nicht praktikabel. Die Anzahl der Zulieferer geht oft bereits auf erster Ebene in die Hunderte, in der zweiten Ebene in die Tausende. Unternehmen sind für ihr eigenes Handeln verantwortlich, sie können aber nicht für das Handeln anderer in der Lieferkette die Haftung übernehmen. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sehen vor, dass Betriebe nur haften, wenn sie selbst einen aktiven Beitrag zur Verletzung von Menschenrechten leisten - nicht aber für bloße Geschäftsbeziehungen und Lieferantenbeziehungen. Das ist zu Recht ein wichtiger Grundsatz auch des deutschen Rechts.

• Keine Nachteile im internationalen Wettbewerb:
Eine nationale Regelung bringt für deutsche Unternehmen nur Nachteile. Selbst ein Level-Playing-Field auf EU-Ebene ist keine Lösung, denn der Nachteil im weltweiten Wettbewerb würde zunehmen. Deutsche Unternehmen müssten z.B. nicht nur in eigenen Betrieben, sondern auch bei Unternehmen in der Lieferkette die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften durchsetzen. Konkurrenzprodukte ausländischer Hersteller könnten jedoch ohne Nachweis solcher Sicherheitsstandards in der Lieferkette über Onlineplattformen bestellt werden. Ob diese Hersteller wiederum an ihren Standorten vor Ort Menschenrechte einhalten oder gar bei Lieferanten durchsetzen, wird nicht überprüft. Der richtige Ansatz wäre daher, dass sich die Bundesregierung gemeinsam mit den Partnern in der EU stärker für die Durchsetzung der internationalen Standards weltweit einsetzt.

• Rohstoffzugang offenhalten:
Viele mittelständische Zulieferer in Deutschland sind auf den Import von Rohstoffen aus Entwicklungs- und Schwellenländern oder Konfliktregionen angewiesen. Sie können die erforderlichen Nachweise für die Einhaltung der Menschenrechte häufig gar nicht beibringen. Daher würde ihnen der Zugang zu Rohstoffen erschwert oder gar nicht mehr möglich. Ebenso würde das Gesetz das internationale Engagement der Unternehmen gefährden, das ja auch politisch z.B. mit Blick auf Afrika ausdrücklich erwünscht ist. Anstatt sich zu engagieren, würden unsere verantwortungsvoll handelnden Unternehmen den Weg dorthin noch seltener wagen oder sich sogar aus Krisenregionen zurückziehen und das Feld ihren Konkurrenten aus Drittstaaten überlassen, in denen Menschenrechte weniger beachtet werden.

• Einfluss der Unternehmen wird überschätzt:
Der tatsächliche Einfluss von Unternehmen auf die Zulieferkette ist je nach Unternehmensgröße und Marktposition, auch je nach einzelnem Produkt, sehr unterschiedlich. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben oft nur begrenzten Einfluss und geringe Kontrollmöglichkeiten bei der Einhaltung der Standards vor Ort. Da KMU häufig als Zulieferer für größere Unternehmen arbeiten, wäre auch eine Ausnahmeklausel für diese nicht zielführend: Denn die großen Betriebe müssen ja ihre bürokratischen Auflagen an ihre Zulieferer in der Lieferkette zwangsläufig weitergeben. Zudem zeigen Erfahrungen mit Größenbeschränkungen bei Gesetzen, dass diese nicht unveränderlich sind. Die berechtigte Sorge ist: Politik beginnt mit den Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeitern, am Ende sind womöglich alle verpflichtet.

• Bürokratie reduzieren, statt auszuweiten:
Die Kontrolle und Einhaltung der Menschenrechte erfordert Nachweise und Berichte. Diese Pflichten bringen den Unternehmen mehr Arbeit und Kosten, jedoch gleichzeitig den Menschen vor Ort keine Verbesserungen ihrer Lage. Das passt nicht zur selbstgesetzten Zielsetzung der Bundesregierung von „One in, one out“.

• Unternehmen mit Informationen unterstützen:
Statt neue Hürden im oftmals herausfordernden Auslandsgeschäft aufzustellen, sollte die Politik Betriebe bei ihrem Engagement für Menschenrechte stärker unterstützen und beraten: mit belastbaren Informationen über Lieferländer und verlässlichen unternehmensbezogenen Siegeln in der Lieferkette. Außerdem sollen mit den lokalen Regierungen Vereinbarungen zur Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards getroffen werden. Gelder im Rahmen der Entwicklungshilfe sollen an konkrete Verbesserungen des Einzelfalles geknüpft, nachgehalten und bei Verstößen ggf. neu konditioniert werden.