MIT Stuttgart: Deutschland nach der Wahl

Datum des Artikels 28.09.2017
Basis aktuell

In einer kleinen Runde des 82. After Business Talk analysierte der stellvertretende Chefredakteur der Stuttgarter Nachrichten, Wolfgang Molitor die Ergebnisse der Bundestagswahl und diskutierte anschließend angeregt mit den MIT’-Mitgliedern.

Molitor meinte, dass die parteipolitischen Kreise wohl zu sehr auf die Popularitätswerte von Merkel gesetzt hatten. Bei den Ankündigungen, was man künftig wolle, hatte die Erklärung gefehlt, wie das zu erreichen sei. Daraus kann und muss man lernen. Jamaika ist nicht so selbstverständlich wie es sich rechnet. Die Frage, die sich nun stellt ist, wie will man ein Jamaikabündnis eingehen? Molitor: „Die CDU und die CSU und dazu zwei andere sehr unterschiedliche Parteien – mir ist es schleierhaft, wie das zusammen passen soll.“ Auf jeden Fall werden die Verhandlungen der möglichen Jamaika-Partner spannend. Die unterschiedlichen Forderungen und Vorstellungen von CDU / CSU, FDP und den Grünen von einer Bürgerversicherung, die Steuerpolitik und die Verkehrspolitik, Einwanderungsgesetz , die großen Themen im sozialen Bereich, besonders bei der Pflege, Bildung und Rente sind schwer unter einen Hut zu bekommen. Molitor: „so flexibel sind Grün und die FDP nicht“ und „wenn Jamaika scheitert, wird es an der FDP scheitern“. Jetzt braucht man viel Geduld. Die FDP kennt ihre Schwächen. Für sie ist es ein hohes Risiko nach vier Jahren Abstinenz vom Bundestag gleich in die Regierungsverantwortung zu gehen. Besser wäre eigentlich die Opposition, um einen Unterbau zu schaffen und nicht mehr vorhandene Strukturen wieder aufzubauen.

Die Grünen geben sich überraschend moderat. Allerdings stellt sich die Frage, wie sie den Koalitionsvertrag ihrer Parteibasis klar machen wollen. Ein großer Unruhefaktor ist die CSU. Deren anstehender Landtagswahlkampf hat für Bayern größere Bedeutung als Bundesfragen. Bei den Wählern hat es eine Lagerverschiebung gegeben. Es sind zwei Parteien am Markt, die die gleiche Klientel in der Mitte ansprechen und bedienen. Die politische Landschaft ist in Bewegung und wird dies die nächsten vier Jahre auch bleiben. Gibt es Jamaika, wird dies zu Lasten der CDU gehen. Es wird künftig knappere Mehrheiten geben. Andrea Nahles, aus dem Lager Lafontaine kommend, wird dafür sorgen, dass es ein deutliches Zusammenrücken zwischen SPD und Linke gibt und Links wird in die Mitte rücken. Rot-Rot-Grün wird zusammenrücken, was man in den Anträgen merken wird. Bisher rechnerisch Unmögliches wird möglich. 2021 wird eine erstarkte SPD antreten, 10 % der Wähler wählt Links und Grün wird künftig der Königsmacher wie früher die FDP. „ Merkel wird 2021 ihre Partei nicht vertreten“. Verantwortungsvolle Politik ist undankbar. Immer mehr Leute setzen sich nicht damit auseinander, welche Auswirkungen politische Entscheidungen haben. Europäische Zusammenhänge zu erklären, ist für Wähler schwierig zu verstehen. Die Gesellschaft wird sich massiv ändern. Die demografische Entwicklung wird zur sozialen Spaltung und zum sozialen Auseinanderbrechen der Gesellschaft führen. Jamaika wird für die CDU keine Chancen bieten, wieder stärkste Partei zu werden. Ihr Bewegungsspielraum ist sehr klein und er wird nicht für vier Jahre reichen.