MIT:ERKLÄRT: Wie geht eigentlich Opposition?

Datum des Artikels 09.12.2021
MittelstandsMagazin

Nach 16 Jahren an der  Regierung geht die Union in die Opposition. Die Abgeordneten haben eine fundamental wichtige Aufgabe: Sie müssen die Regierung kontrollieren und sich über die Arbeit und Pläne der Regierung informieren können. Dafür haben sie einige Instrumente zur Hand.


Die Opposition (von lateinisch „opponere“: sich entgegenstellen) bilden die Abgeordneten im Parlament, die nicht zu der Bundesregierung oder den regierungstragenden Fraktionen gehören. Die politische Opposition ist ein zentrales Element moderner Demokratien, da sie die parlamentarische Kontrolle gegenüber der Regierung und der Verwaltung wahrnimmt.

Untersuchungsausschüsse

Das wichtigste Gremium für die Opposition sind Untersuchungsausschüsse. Sie sollen Fehler der Regierung oder des Bundestages, aber auch Missstände in der Verwaltung aufklären. Dazu hat der Ausschuss einen Untersuchungsauftrag, dem er nachkommen muss. Die Mitglieder des Ausschusses können Zeugen und Sachverständige unter Eid vernehmen. Der Ausschuss kann das Erscheinen der Zeugen sogar erzwingen, bei einer Weigerung des Zeugen drohen Geld- und Haftstrafen. Außerdem kann der Ausschuss Gerichte und Verwaltungsbehörden um Amtshilfe bitten. Hat der Ausschuss seine Untersuchung abgeschlossen, berichtet er dem Bundestag über die Ergebnisse. Zudem kann die Bundesregierung vom Ausschuss einen Zwischenbericht verlangen. Untersuchungsausschüsse werden immer nur für eine Wahlperiode eingesetzt und sind an einen aktuellen Anlass geknüpft. Wichtige Untersuchungsausschüsse wurden zuletzt zur Pleite von Wirecard und zur Mautaffäre eingesetzt. Um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, müssen 25 Prozent der Abgeordneten zustimmen. Das entspricht im derzeit 736 Abgeordnete umfassenden Bundestag 184 Stimmen. Da die Union 197 Abgeordnete (26,8 Prozent) stellt, wäre sie demnach nicht auf Stimmen der anderen Oppositionsparteien angewiesen, um einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Weitere Kontrollgremien

Auch in den ständigen Ausschüssen im Bundestag üben die Abgeordneten ihre Kontrollfunktion aus. Eines der wichtigsten Rechte der Ausschüsse ist die Herbeirufung eines Mitgliedes der Bundesregierung, welches dem Ausschuss über aktuelle Gesetzgebungsvorhaben berichten muss. Der Ausschuss darf dann Empfehlungen zur Gesetzgebung aussprechen. Einige Ausschüsse verfügen über eine besondere Stellung für die Opposition. So gilt der Haushaltsausschuss generell als der wichtigste Ausschuss, da hier die Bewilligung von Haushaltsmitteln vorbereitet wird. Dem Auswärtigen Ausschuss kommt die wichtige Aufgabe der Kontrolle der deutschen Außenpolitik zu. Der Verteidigungsausschuss kontrolliert das Verteidigungsministerium und die Streitkräfte. Er kann sogar sich selbst zum Untersuchungsausschuss erklären. Der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union kann Stellungnahmen zu EU-Regelungsvorhaben abgeben. Bevor die Regierung über EU-Rechtsnormen entscheidet, muss sie sich mit dem Bundestag beziehungsweise diesem Ausschuss abstimmen. Darüber hinaus überwachen spezielle Kontrollgremien die Regierungsarbeit. Das Parlamentarische Kontrollgremium etwa überwacht die Nachrichtendienste des Bundes. Die von ihm eingesetzte G-10-Kommission achtet auf den Schutz personenbezogener Daten durch die Nachrichtendienste. Zwei weitere Gremien kontrollieren die Maßnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens sowie die Arbeit des Zollkriminalamtes. Die Bundesregierung muss sich kooperativ zeigen, also Auskunft erteilen, Einsicht in Akten gewähren, die Anhörung von Angestellten gestatten oder Kontrollbesuche zulassen.

Große und kleine Anfragen

Über die Gremienarbeit hinaus hat jeder Abgeordnete, insbesondere aber die Opposition, noch einige Instrumente, die er zur Kontrolle der Regierung nutzen kann. Dazu gehören die großen und kleinen Anfragen. Diese können von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Bundestagsabgeordneten gestellt werden. Kleine Anfragen werden ausschließlich schriftlich gestellt und beantwortet und erfordern weniger Recherche- und Verwaltungsaufwand. Zur Beantwortung hat die Regierung vierzehn Tage Zeit, im gegenseitigen Einvernehmen auch etwas mehr. Große Anfragen sind deutlich umfangreicher und können neben der schriftlichen Beantwortung auf Verlangen einer Fraktion im Plenum besprochen werden. Die Fragen werden jeweils an den Bundestagspräsidenten geleitet, der sie dann an die Bundesregierung weiterleitet. In der abgelaufenen Legislaturperiode wurden 35 große Anfragen und 11.677 kleine Anfragen gestellt.

Fragestunde und Aktuelle Stunde

Jeder Abgeordnete hat zudem die Möglichkeit, pro Monat vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. Außerdem findet in jeder Sitzungswoche eine Fragestunde im Bundestag statt, zu der jeder Abgeordnete zwei Fragen einreichen kann. Diese werden von Parlamentarischen Staatssekretären oder den Ministern beantwortet. Sollten die Abgeordneten mit den Auskünften der Regierung in der Fragestunde unzufrieden sein, können sie eine Aktuelle Stunde beantragen. Diese findet unmittelbar im Anschluss an die Fragestunde statt. Aktuelle Stunden können aber auch unabhängig von einer Fragestunde von einer Fraktion, von fünf Prozent der Abgeordneten oder durch den Ältestenrat beantragt werden. Jeden Mittwoch trifft sich die Bundesregierung im Kanzleramt zur Kabinettssitzung. Direkt nach der Sitzung findet im Bundestag die Regierungsbefragung statt. Im Gegensatz zur Fragestunde müssen hier keine Fragen vorab eingereicht werden. Stattdessen können die Abgeordneten die Bundesregierung zu aktuellen Themen und Plänen befragen. Dreimal jährlich findet zu diesem Termin die Befragung des Bundeskanzlers statt. Dieses Instrument, welches in anderen Ländern wie Großbritannien schon lange Tradition hat, wurde in Deutschland erst 2018 von der großen Koalition eingeführt.

Wagnis Misstrauensvotum

Das letzte und stärkste Instrument ist das Misstrauensvotum. Damit kann der Bundestag mit der Mehrheit der gewählten Abgeordneten („Kanzlermehrheit“) einen neuen Bundeskanzler wählen. Da die Opposition jedoch nicht die Mehrheit hat, wäre sie dazu auf Stimmen der Regierungsparteien angewiesen. Das Grundgesetz lässt nicht die einfache Abwahl eines Kanzlers zu (destruktives Misstrauensvotum), sondern gibt nur die Möglichkeit, einen neuen mit entsprechender Mehrheit zu wählen, der den bisherigen ersetzt (konstruktives Misstrauensvotum): Solche konstruktiven Misstrauensvoten gab es bislang nur zweimal: Rainer Barzel (CDU) scheiterte damit 1972 gegen Willy Brandt (SPD). Helmut Kohl (CDU) hatte 1982 Erfolg mit seinem Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt (SPD) und wurde Kanzler. 

Micha Knodt
Redakteur

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 6-2021