Pro & Contra: Handelsbeziehungen mit China

Datum des Artikels 23.09.2022
MittelstandsMagazin

Sollte Deutschland seine Geschäfte mit China reduzieren?

Abhängigkeit von China ist viel zu groß


Pro: Dr. Norbert Röttgen (57) ist PRO CDU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Von 2014 bis 2021 war er dessen Vorsitzender. Der Jurist war von 2009 bis 2012 Bundesumweltminister.

Deutschland hat sich selbstverschuldet in eine Abhängigkeit von russischem Gas gebracht. Wie dramatisch die Folgen sind, erleben wir gerade jeden Tag. Aber statt selbst zu handeln, starrt Deutschland auf Putin wie das Kaninchen auf die Schlange. Wir haben uns aus Angst vor den Konsequenzen eines Lieferstopps in die schlechtmöglichste Situation gebracht: Jetzt entscheidet Putin, ob das Gas fließt oder nicht, und wir sehen hilflos zu. 
Wir müssen verhindern, dass wir im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan in eine noch viel schlimmere Situation geraten. Denn unsere Abhängigkeit von China ist um ein Vielfaches größer als unsere Abhängigkeit von Russland. Das setzt voraus, dass wir die Zeit, die uns noch bleibt, jetzt nutzen und damit beginnen, unsere Abhängigkeit vom chinesischen Markt systematisch zu reduzieren. Leider ist nach wie vor das Gegenteil der Fall. Abhängigkeiten werden selbst in strategischen Bereichen unserer Volkswirtschaft weiter gesteigert. 
Wenn China Taiwan angreift, dann werden die USA an Taiwans Seite stehen und dies von Deutschland und Europa ebenfalls fordern. Sollte Deutschland aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Verwendbarkeit zögern, wäre das für den Westen ein schwerer Schlag. Tragen wir Sanktionen gegen China hingegen mit, wird Chinas Staatspräsident Xi Jinping unsere wirtschaftliche Abhängigkeit – ohne mit der Wimper zu zucken – ausnutzen und gegen Deutschland ausspielen. 
Die strategische Abhängigkeit einzelner Unternehmen vom chinesischen Markt ist daher mehr als ein privatwirtschaftliches Problem. Ihre Abhängigkeit wird zur Gefahr für unsere Volkswirtschaft und damit für unser Land schlechthin. Wie wir mit dieser Ansteckungsgefahr umgehen sollen, die in ihrer ökonomischen Bedeutung weit über die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen hinausgeht, ist in der deutschen Politik nach wie vor unbeantwortet. 
Über Jahrzehnte bestand deutsche China-Politik im Wesentlichen aus Industrie-Exportpolitik. Geopolitische Risiken wurden ausgeblendet. Das funktioniert in einer Zeit des Systemkonflikts mit China nicht mehr. Politik und Wirtschaft müssen sich zusammensetzen und für Deutschland eine neue Außenwirtschaftsstrategie entwickeln, die neue Absatzmärke und Investitionsfelder erschließt und uns so erlaubt, auf Wachstumskurs zu bleiben, ohne dafür den Preis von weiteren Abhängigkeiten zu bezahlen.

Freihandel ist wichtig für Wohlstand und Werte

Contra: Matthias Klein (57) ist Mitglied des MIT-Bundesvorstands und Vorsitzender des MIT-Auslandsverbands Schweiz. Er arbeitet als Europa-Chef einer global agierenden Investmentund Beratungsgruppe.

Freihandel gehört geradezu zur DNA eines marktwirtschaftlichen Systems. Wenn Deutschland also seine Geschäfte mit China reduzieren sollte, müsste dies durch eindeutige politische Vorgaben des Staates gegenüber privaten Marktteilnehmern geschehen. Das wäre ein Markteingriff auf der höchsten Intensitätsstufe, der einer klaren Legitimation bedarf. 
Dabei ist zu berücksichtigen, dass dadurch die Dispositionsfreiheit über privates Eigentum massiv beschränkt werden könnte. Es wären erhebliche Kollateralschäden bei Unbeteiligten zu erwarten, die zu entschädigen wären. 
Es ist eine gesicherte Erkenntnis der Wirtschaftswissenschaft, dass die grenzüberschreitende wirtschaftliche Verflechtung allen nützt, die dabei mitmachen. Die internationale Arbeitsteilung empfiehlt, dass jeder das herstellen soll, was er relativ am besten und günstigsten fertigen kann, und dass die Grenzen der Staaten für Importe, Exporte und Investoren offen sein müssen. Das alles kommt dem technischen Fortschritt zugute und bringt Wachstum und Wohlstand. Handel ist übrigens auch die beste Medizin gegen Inflation, denn er führt durch Wettbewerbsdruck zu sinkenden Preisen, während Protektionismus die Preise nach oben treibt. 
In den vergangenen 40 Jahren war die gegenseitige Marktöffnung bezogen auf China ein grandioser Erfolg. Die Einführung der Marktwirtschaft führte dazu, dass rund 800 Millionen Menschen aus der extremen Armut befreit wurden und nicht mehr hungern müssen – ein humaner, ökonomischer und auch politischer Erfolg, der weltweit ohne Parallele ist. 
Es gibt eine Reihe seriöser Studien, die belegen, dass der Handel nichtdemokratischer Länder mit demokratischen Ländern zumindest dazu führt, dass demokratische Werte verstärkt in den Fokus der Menschen in den Ländern mit Demokratiedefiziten geraten und immer mehr Menschen trotz der Risiken bereit sind, ihre Meinung zu äußern. Eine Studie der US-Denkfabrik CSIS demonstriert eindrucksvoll: Je mehr Menschen mit dem Ausland interagieren, desto liberaler und marktfreundlicher sind sie. Das politische System in China hat sich kaum gewandelt. Doch Modernisierung und Verflechtung mit dem Ausland haben viele Chinesen offener gemacht. Die Autoren der Studie sprechen von einer (noch?) leisen liberalen Mehrheit der Bevölkerung. Dieses „Pflänzchen Hoffnung“ sollten wir hegen und pflegen.