Strom-Netzentgelte - Weiterem drastischen Anstieg entgegenwirken

Aktueller Status:

Der Beschluss wurde mit Bitte

Der Beschluss wurde mit Bitte um Berücksichtigung an den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß MdB, an den Vorsitzenden der AG Wirtschaft und Energie der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer MdB, an den Fachreferenten des Konrad-Adenauer-Hauses sowie an einen Fachverteiler geschickt.

Datum des Artikels 26.03.2021
Beschluss

Eine jederzeit zuverlässige und leistungsstarke Infrastruktur ist das Rückgrat einer sicheren Energieversorgung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie eine zunehmend dezentralere und volatile Einspeisung zieht notwendige Investitionen und Anpassungen der Netze nach sich. Dabei muss die sehr hohe Zuverlässigkeit des Netzbetriebs in Deutschland Benchmark bleiben.

Neben dem notwendigen Ausbau und Ertüchtigung der Netze sind aber auch immer Effizienz und Kosten im Blick zu halten. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert daher die Bundesregierung  auf, weiteren drastischen Verteuerungen der Strom-Netzentgelte entgegenzuwirken und so einen Beitrag zur Entlastung der Strompreise zu leisten:

1. Systemdienstleistungen, wie Blindleistung, müssen soweit wie möglich über den Markt erbracht und das Unbundling zwingend beibehalten werden. Netzbetreiber sollten also weder Speicher steuern noch Ladesäulen betreiben. Die Bereitstellung von Flexibilität muss dem Markt überlassen werden und ist nicht Aufgabe des Netzes.

2. Die europäische Harmonisierung der Netzentgelte muss stärker vorangetrieben werden. Hierbei sollte eine G-Komponente als Instrument einer kosteneffizienten, regionalen Steuerung umgesetzt werden. Parallel müssen bestehende, nationale Regionalisierungskomponenten wie Quoten oder Referenzertragsmodelle aufgelöst werden.

3. Die Kapazitätsreserve zur Entlastung der Netzentgelte soll in ein marktwirtschaftliches System überführt werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind so anzupassen, dass die Lieferung aller am Markt gehandelten Strommengen entsprechend ihres witterungsbedingten volatilen Anteils europaweit und technologieoffen physikalisch abgesichert werden muss. Für dezentrale kleinteilige Nutzung von regenerativen Energien sind Bagatellgrenzen für die Nachweispflicht festzusetzen (siehe MIT-Beschluss vom 8. Mai 2020 „Versorgungssicherheit in der Energiewende gewährleisten“).

4. In der Anreizregulierung sind mittels Strukturparameter entsprechende Benchmarks über die jeweiligen Netzentgelte an sich zu setzen und insbesondere das vereinfachte Verfahren, das von vielen kleineren Netzbetreibern genutzt wird und bei dem stets nur ein gemittelter Effizienzwert angesetzt wird, zu streichen sowie im Verteilungsbereich in Gebieten mit niedriger Anschlussdichte teure Ausbau- und Umstrukturierungsmaßnahmen, insbesondere Erdverkabelungen nur in Ausnahmefällen zu genehmigen (s. dazu § 23 Abs. 6 AnRegV).

5. Die Gebietszerstücklung in rund 900 Netzbetreiber ist ineffizient und belastet insbesondere den Mittelstand. Eine weitere Zerstückelung ist nicht hinnehmbar.

6. Um erforderliche Netzentgeltentlastungen durch den marktbedingten Zinsrenditerückgang bei der für die 4. Regulierungsperiode anzusetzenden Eigenkapitalverzinsung zu erreichen, ist der eingehende Wagniszuschlag weiterhin bei 3,15 % zu belassen.

7. Sachfremde Elemente wie Kapazitätsreserve, Sicherheitsbereitschaft und Kosten aus Redispatch-Maßnahmen müssen aus den Übertragungsnetzentgelten entfernt werden. Dadurch werden die tatsächlichen Kosten des Übertragungsnetzes sichtbar und nicht länger durch sachfremde Elemente verzerrt.

8. Aus dem Bundeshaushalt ist ein Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten entsprechend KWSB-Empfehlung zu gewähren. Zudem wird es durch die Stilllegung von Kohlekraftwerken für immer weniger Unternehmen möglich sein, einen physikalischen Pfad bei der Bandlast zu berechnen. Hier muss es eine Lösung geben, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sicherzustellen.

9. Die atypische Netznutzung soll weiterentwickelt werden, indem die sogenannten Hochlast-Zeitfenster flexibilisiert werden. Dadurch wird es möglich, dass mehr erneuerbarer Strom genutzt wird und die Netze dadurch entlastet werden.

10. Es soll keine bundesweite Wälzung der Verteilnetzentgelte geben, denn dadurch würde der Effizienzvergleich weiter erschwert und der politische Druck auf die Netzentgelte sinken.

11. In der Niederspannung sollten Eigenversorger eine Netzpauschale bezahlen müssen, da sie trotz eigener Erzeugungsanlage weiterhin vollständig von der Netzinfrastruktur abhängen.


Begründung:
In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung sorgt der Wettbewerb für günstige Preise, gleicht Angebot und Nachfrage aus und motiviert die Unternehmen, nach neuen Produkten und kostengünstigen Verfahren zu suchen. Demgegenüber gehören die Stromnetze neben den Gasnetzen zu den sogenannten natürlichen Monopolen, in denen der Wettbewerb nur eingeschränkt wirkt oder ganz außer Kraft gesetzt ist. Damit die Netzbetreiber jedoch keine Monopolgewinne erzielen und die Netze trotzdem so kostensparend wie möglich betrieben werden, werden die Strom- und Gasnetzbetreiber EU-weit durch gesetzliche Vorgaben reguliert. In Deutschland erfolgt die Regulierung neben dem Energiewirtschaftsgesetz u.a. über die Netzentgelt- und die Anreizregulierungsverordnung.

Das für den Stromtransport zu zahlende Netzentgelt nimmt mit rund einem Viertel einen maßgeblichen Anteil am Gesamtstrompreis mittelständischer Unternehmen ein. Belastend kommt hinzu, dass diese innerhalb der letzten 5 Jahre um bis zu 50 % angestiegen sind; in den letzten 10 Jahren teilweise sogar um bis zu 200 %. Mit weiteren, den Wirtschaftsstandort Deutschland belastenden erheblichen Steigerungen ist aufgrund der noch anstehenden Ausbau- und Ertüchtigungsmaßnahmen und der zahlreichen Eingriffe in den nächsten Jahren zu rechnen.

Die MIT hält es daher für dringend geboten, weiteren drastischen Verteuerungen der Netzentgelte entgegenzuwirken. Um der absehbaren Verteuerung der Netzentgelte in den kommenden Jahren durch erheblich steigende Kosten für die Bereitstellung von Kraftwerkskapazitätsreserven über das Stromnetz entgegenzuwirken, sind rechtzeitig marktwirtschaftliche Bedingungen für eine gesicherte Stromversorgung zu schaffen.

Durch den zunehmenden Anteil der volatilen Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung und die vorgegebenen gesetzlichen Stilllegungen von konventionellen Kraftwerken kommt der Gewährleistung der Versorgungssicherheit ein zunehmender Stellenwert zu. § 13e EnWG sieht dafür den Aufbau von Kapazitätsreserven durch die Übertragungsnetzbetreiber vor. Zunächst hat das Gesetz dafür nur 2 Gigawatt eingestellt. Es ist absehbar, dass diese Reserve durch den drastischen Abbau von konventionellen Stromerzeugungskapazitäten in den nächsten Jahren bei weitem nicht ausreichen wird. Zudem sind die nur für auftretende Kapazitätslücken einzusetzende Reserven bis zu 100 Mio. € /Gigawatt/Jahr zu vergüten und würden infolgedessen in den kommenden Jahren die Strom-Netzgelte noch maßgeblich ansteigen lassen. Zur künftigen Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind daher rechtzeitig marktwirtschaftliche Bedingungen für eine gesicherte Stromversorgung zu schaffen.

Nach Auffassung der MIT gehört zu einer ordnungsgemäßen Stromversorgung insbesondere, dass die Stromanbieter die Verantwortung für die Versorgungssicherheit im Sinne der Versorgung der Letztverbraucher mit Strom tragen. Sie haben durch geeignete Geschäftsmodelle und technologische Lösungen in den bestehenden Strommärkten die Gewähr für eine Rund-um-Versorgung zu übernehmen.

In die Stromnetzentgelte eingeht nach § 7 der StromNEV eine Verzinsung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals ein. Dabei darf der auf das betriebsnotwendige Eigenkapital, das auf Neuanlagen entfällt, anzuwendende Eigenkapitalzinssatz den auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse nicht überschreiten. Bei Altanlagen ist der anzuwendende Eigenkapitalzinssatz um den auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der Preisänderungsrate gemäß Verbraucherpreisgesamtindex zu ermäßigen.

In den Zuschlag zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse gehen ein:
1. Verhältnisse auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten und die Bewertung von Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen auf diesen Märkten
2. Durchschnittliche Verzinsung des Eigenkapitals von Betreibern von Elektrizitätsversorgungsnetzen auf ausländischen Märkten
3. Beobachtete und quantifizierbare unternehmerische Wagnisse

Die jeweilige Eigenkapitalverzinsung wird von der Bundesnetzagentur aufgrund dieser Vorgaben für den Zeitraum der fünfjährigen Regulierungsperiode vorgegeben.

Die derzeitige 3. Regulierungsperiode umfasst die Jahre 2019 bis 2023. Dafür wurden als Eigenkapitalverzinsung für Neuanlagen 6,91 % und für Altlangen 5,12 % vorgegeben. Für die 4. Regulierungsperiode von 2024 bis 2028 gehen die in den letzten Jahren extrem gefallenen Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere ein. Für die Berechnung gibt die VO keinen Spielraum vor, jedoch beim Zuschlag für netzbetriebspezifische unternehmerische Wagnisse. Bisher eingegangen in die Eigenkapitalverzinsung ist dafür ein Wagniszuschlag von 3,15 %.

Vorgegebenes Ziel mit der für Strom- und Gasnetzbetreiber eingeführten Anreizregulierung ist ein Benchmarking-System zu etablieren, um die Effizienz im Netzbetrieb zu steigern, um somit die Kosten möglichst weit unter die festgelegten Erlöse zu drücken. Druck zur Kostensenkung soll durch die Systematik der Anreizregulierung erzeugt werden. Derweilen wird Benchmarking in der betriebswirtschaftlichen Theorie als kontinuierlicher Vergleich von Produkten, Dienstleistungen sowie Prozessen und Methoden mit mehreren Unternehmen definiert, um Leistungslücken zum sogenannten Klassenbesten systematisch zu schließen. Die insbesondere bei den Verteilnetzentgelten auftretenden Unterschiede zwischen den Netzbetreibern von bis zu 300 % lassen auf eine äußert geringe Effizienz des derzeitigen Anreizregulierungssystems schließen. Auffallend dabei sind auch die erheblichen Differenzen in den Netzentgelten bei aneinander grenzenden Netzgebieten.

Bisher gibt es kaum europäische Vorgaben für die Netzentgelte. So erheben manche Länder ein Netzentgelt auf die Einspeisung. Dieses Element (G-Komponente) ist sinnvoll, sorgt es doch für eine netzdienlichere Verteilung der Stromerzeugung. Daher brauchen wir dazu klare europäische Vorgaben. Ein deutscher Alleingang sorgt für Wettbewerbsnachteile im Strombinnenmarkt. Ab 2023 werden die Übertragungsnetzentgelte bundesweit einheitlich gewälzt. Dies ist sinnvoll, da es sich um das Rückgrat der deutschen Stromnetzinfrastruktur handelt. Eine bundesweit einheitliche Wälzung aller Netzentgelte ist hingegen nicht sinnvoll. Der politische und wirtschaftliche Druck in Gebieten mit hohen Netzentgelten, diese zu senken, würde zurückgehen. Die Teilung von Netzgebieten in noch kleinere und damit potenziell teurere Einheiten würde weiter voranschreiten. Die ca. 900 Netzgebiete, die wir heute schon haben, sind nicht effizient.

Sofern die Netze „frei“ sind, sollte der verstärkte Bezug von Strom nicht durch höhere Netzentgelte bestraft werden. Die atypische Netznutzung ist dafür das bisherige Instrument. Durch die Einführung einer Netzampel und eine Flexibilisierung kann sie stärker den Echtzeitbedingungen in Form von EE-Einspeisung und Netzbelastung Rechnung tragen. Sie ist daher ein wichtiges Instrument zur Integration erneuerbarer Energien in die Netze. Anbietern von Flexibilität muss es offenstehen, ob sie sie dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen oder an anderen Märkten anbieten. Die Einführung regionaler Flexibilitätsmärkte ist nicht zielführend, da sie dem Markt Kapazitäten entzieht.