Unternehmen in der Ukraine-Krise steuerlich entlasten

Datum des Artikels 05.07.2022

Der Überfall Russlands auf die Ukraine stellt Politik und Wirtschaft vor große Herausforderungen. Unternehmen mit Russland-Geschäft sind von Sanktionen und Enteignungen betroffen, die Preisexplosion an der Tankstelle und am Gashahn trifft Unternehmen und Haushalte gleichermaßen. Finanzielle Hilfsprogramme und die Auszahlung von Fördergeldern auf der Basis von Staatsschulden dürfen nicht bei jeder Krise die Lösung sein, denn sie berauben uns der Möglichkeiten zur Reaktion auf kommende Krisen. Vielmehr sollte der Staat Unternehmen und Arbeitnehmern in der Ukraine-Krise durch gezielte Entlastungen und ordnungspolitische Gestaltung den Rücken stärken, damit sie aus eigener Kraft die Krise überwinden können. Das Steuer- und Abgabenrecht bietet zahlreiche Möglichkeiten für Entlastungen, die sofort wirken.

Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion fordert:

1. Schuldenbremse einhalten – für Krisen gerüstet bleiben
Staatsschulden senken die Möglichkeiten des Staates, auf künftige Krisen reagieren zu können. Deshalb darf die Schuldenbremse in Deutschland nicht weiter aufgeweicht werden. Vielmehr bedarf es gerade jetzt eines klaren Bekenntnisses zur Schuldenbremse. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit müssen beibehalten werden. Die MIT bezweifelt die Verfassungsmäßigkeit des zweiten Nachtragshaushalts 2021 und wartet auf die Ergebnisse der verfassungsgerichtlichen Prüfung durch unsere Bundestagsabgeordneten. Spätestens ab 2023 müssen die Vorgaben der Schuldenbremse wieder uneingeschränkt gelten.

2. Kalte Progression abschaffen – Einkommensteuertarif anpassen
Die Wirkung der kalten Progression im Einkommensteuertarif muss vermindert werden. Der Einkommensteuertarif muss deshalb schnellstmöglich an die vorhersehbar hohe Inflationsrate angepasst werden. Rückwirkend zum 1. Januar 2022 muss der Einkommensteuertarif entsprechend dem für dieses Jahr nun prognostizierten Anstieg der Verbraucherpreise angepasst und bürokratiearm umgesetzt werden. Konkret bedeutet das eine Erhöhung des Grundfreibetrags und eine Verschiebung der Steuerkurve. Dadurch können alle Lohn- und Einkommensteuerzahler – also Arbeitnehmer und große Teile des Mittelstands – unmittelbar entlastet werden. Die inflationsbedingt höheren Steuereinnahmen müssen den Steuerzahlern zurückgegeben werden.

3. Berufstätige spürbar entlasten – Kilometergeld auf 0,60 Euro/km anheben
Die Entfernungspauschale muss auf einheitlich 0,60 Euro/km ab dem ersten Entfernungskilometer angehoben werden. Auch Erstattungen von Arbeitgebern für beruflich veranlasste Fahrten ihrer Mitarbeiter mit dem privaten Fahrzeug müssen mit 0,60 Euro pro gefahrenem Kilometer steuerfrei sein. Die krisenbedingt hohen Kraftstoffpreise belasten insbesondere Berufstätige. Allerdings werden auch die Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel steigen.

4. Stromsteuerspitzenausgleich um weitere fünf Jahre verlängern
Zum 31. Dezember dieses Jahres soll der Spitzenausgleich nach § 10 StromStG und §55 EnergieStG auslaufen. Angesichts der nach wie vor extrem hohen Stromkosten für Unternehmen muss der Spitzenausgleich für Unternehmen daher um maximal fünf Jahre weiter verlängert werden. Die Bundesregierung kann hierfür auf den Werkzeugkasten (Toolbox) der EU-Kommission zurückgreifen und Unternehmen so über 2022 hinaus unbürokratisch und zielgerichtet helfen.

5. Energiesteuerbelastung auf EU-Mindestmaß senken

a. Steuer auf Flüssiggas (LNG) und Erdgas senken

Die Energiesteuer für Gas muss auf das europäische Mindestmaß herabgesetzt werden. Die Steuer für Flüssiggas (LNG) muss von 125,00 Euro je 1.000 Kilogramm (bis 31. August 2022) auf die seitens der EU möglichen 0,00 Euro (gewerblich und privat) gesenkt werden. Die Senkung der Energiesteuern für Flüssiggas begünstigt den raschen Aufbau der LNG-Infrastruktur, die dringend notwendig ist, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu senken.

Die Energiesteuer auf Erdgas muss von 9,36 Euro/MWh (bis 31. August 2022) auf den von der EU vorgesehenen Mindestsatz von 0,54 Euro/MWh (gewerblich) bzw. 1,08 Euro/MWh (privat) gesenkt werden. Die deutsche Wirtschaft ist auf die Versorgung mit Gas als Energieträger und Grundstoff in der Produktion angewiesen. Im Falle einer weiteren Verknappung ist eine weitere Explosion der Erdgaspreise zu erwarten. In diesem Falle ist eine maximale Absenkung der Steuern auf Erdgas notwendig, um die Schockwirkung abzufedern. Die temporäre Senkung der Energiesteuern durch das Energiesteuersenkungsgesetz (EnergieStSenkG) vom 5. Mai 2022, die ab Juni 2022 für drei Monate gilt, ist weder in der Höhe noch in der Dauer ausreichend.

b. Stromsteuer für Haushalte und Unternehmen senken

Die Stromsteuer muss auf das EU-Mindestmaß von 0,05 Cent/kWh (Unternehmen) bzw. 0,1 Cent/kWh (Haushalte) gesenkt werden. Stromabnehmer werden in Deutschland vom Staat gemäß StromStG derzeit mit 2,05 Cent Stromsteuer für jede kWh belastet. Für Unternehmen liegen die Belastungen damit um den Faktor 40, für private Haushalte um den Faktor 20 über dem EU-Mindestmaß!

c. Energiesteuer auf Heizöl senken

Die Energiesteuer für Heizöl muss auf das europäische Mindestmaß herabgesetzt werden. Von derzeit 130,00 Euro je 1.000 Kilogramm muss die Steuer auf die seitens der EU möglichen 15,00 Euro je 1.000 Kilogramm (gewerblich und privat) gesenkt werden. Obwohl der Verbrauch von Heizöl im Sommer vergleichsweise gering ist, sind Gewerbetreibende und Haushalte auf die Möglichkeit angewiesen, ihre Lagerbestände vor Einbruch der nächsten Kälteperiode zu vertretbaren Kosten aufzufüllen.

d. CO2-Abgabe aussetzen

Die CO2-Abgabe gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) muss ausgesetzt werden. Die verknappten und durch Inflation zusätzlich verteuerten fossilen Energie- und Brennstoffe werden durch die CO2-Abgabe zusätzlich verteuert. Bei einem CO2-Preis von 30 Euro/Tonne beträgt die Belastung durch die CO2-Abgabe rund 7 Cent pro Liter Benzin und 8 Cent pro Liter Diesel oder Heizöl. Die Mehrwertsteuer wird auf diese CO2-Abgabe aufgeschlagen. Um Energieverbraucher in der Krise zu unterstützen, muss die CO2-Abgabe temporär nicht erhoben werden.

BuVo-Beschluss Unternehmen in der Ukraine-Krise steuerlich entlasten