Begründung:
Von verschiedenen Seiten wird immer wieder die Einführung einer Vermögensabgabe oder das (Wieder-)Inkrafttreten der in Deutschland ab 1997 ausgesetzten Vermögensteuer zur Finanzierung von staatlichen Ausgaben gefordert. Dabei wird regelmäßig unterschlagen, dass es erhebliche verfassungsrechtliche und ökonomische Bedenken gegen diese Forderungen gibt. Aus Sicht der Unternehmen – insbesondere der eigentümer- und familiengeführten mittelständischen Unternehmen – stehen die negativen ökonomischen Folgen einer weiteren Belastung des Vermögens im Vordergrund. Relevant sind aber auch die rechtlichen Bedenken. Gegen die Vermögensteuer, die im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 verankert ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 schwerwiegende Einwände formuliert, vor allem wegen der Probleme bei der Definition einer dem Gleichheitsgrundsatz genügenden Bemessungsgrundlage und den damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Erhebungskosten. Eine Vermögensabgabe, die im GG in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 geregelt ist, darf rechtlich gesehen lediglich einmalig, anlassbezogen erhoben werden, wenn dem Staat in einer Notlage keine anderen Finanzierungsquellen zur Verfügung stehen.
Eine Vermögensbesteuerung würde die Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandorts Deutschland weiter verschlechtern und die Substanz vieler Unternehmen schädigen. Die Gründe gegen eine Vermögensbesteuerung im Einzelnen:
• Vermögensteuern oder -abgaben belasten die Substanz vor allem der mittelständischen Betriebe:
Der Löwenanteil des privaten Vermögens in Deutschland steckt in Personenunternehmen. In den meisten eigentümer- oder familiengeführten Unternehmen ist das Vermögen langfristig gebunden, z. B. in Betriebsanlagen und Maschinen, Arbeitsplätzen, Grundstücken, Immobilien oder Know-how sowie Schutzrechten. Erzielter Gewinn wird vorwiegend in Unternehmen reinvestiert und unterliegt bereits der Ertragsbesteuerung. Unternehmensinhaber/innen sorgen zusätzlich für eine angemessene Liquiditätsausstattung (Working Capital). Diese benötigen sie als Puffer, um unerwartete Chancen nutzen oder möglichst unbeschadet durch Krisen kommen zu können. Das hat auch die Corona-Krise gezeigt. Gerade viele kleine Betriebe haben diese Krise nur überlebt, weil die Inhaber/innen private Reserven in die Betriebe geleitet haben. Vermögensteuern/-abgaben beziehen sich nicht auf den Vermögensertrag, sondern auf den Vermögensstamm bzw. die Substanz von Unternehmen. Sie wären unabhängig von der wirtschaftlichen Lage zu zahlen und würden deshalb oftmals krisenverschärfend wirken. Notfalls müssten Anteile an Unternehmen beliehen oder sogar verkauft werden, um die Steuerschuld zu begleichen.
Eine Substanzsteuer trifft Familienunternehmen besonders hart, da sie das Unternehmen und gleichzeitig die Anteilseigner belastet. Selbst wenn das Unternehmensvermögen teilweise befreit würde, würden doch die Gesellschafter mit Steuern auf ihren Anteil am Unternehmen belastet. In der Folge müsste aber in vielen Fällen der eigenen Firma notwendige Liquidität entzogen werden, um die Steuerschuld zu begleichen. Spätestens wenn Maschinen, Fuhrpark oder Grundstücke veräußert werden müssen, um die neue Steuer oder Abgabe zu begleichen, stehen Arbeits- und Ausbildungsplätze auf dem Spiel. Besonders betroffen wären der industrielle Mittelstand und die eigentümer- oder familiengeführten Unternehmen. Viele Betriebe wurden über Generationen aufgebaut. Sie sind unverzichtbar für die regionale Wirtschaftskraft. Sie stärken mit der Zahlung von Steuern und Sozialabgaben – sowie in nicht wenigen Fällen darüberhinausgehenden Unterstützungen etwa durch Spenden – das Gemeinwesen ganz wesentlich.
• Eine Substanzsteuer verschärft Markt- und Wettbewerbsverzerrungen:
In Deutschland ansässige und damit potenziell von einer Substanzbesteuerung betroffene Unternehmen stehen im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen, die ohne diese Belastung agieren können. Zu beachten ist auch, dass private Unternehmen mit Unternehmen in öffentlicher, kommunaler oder kirchlicher Hand konkurrieren – etwa in den Branchen Gesundheit/Kliniken, Entsorgung oder Land- und Forstwirtschaft –, die weder von Substanz- noch von Erbschaftsteuer betroffen sind. Eine Substanzbesteuerung würde Deutschland immer weiter von dem Ziel entfernen, das Steuersystem insgesamt zu vereinfachen und international wettbewerbsfähiger zu gestalten.
• Vermögensteuer als Standortnachteil – Deutschland ist bereits ein Hochsteuerland:
Wichtig ist, dass die Wirtschaft in Deutschland wieder auf einen Wachstumskurs einschwenkt. Nur dann steigen auch die Steuereinnahmen kontinuierlich. Zusätzliche Steuerbelastungen, die die ohnehin im internationalen Vergleich hohe Besteuerung vor allem der Unternehmen weiter erhöhen würden, wären Gift für die wirtschaftliche Entwicklung. Deshalb müssen die Steuerbelastungen der Unternehmen auf ein im internationalen Wettbewerb vertretbares Niveau reduziert werden und dürften auf keinen Fall weiter erhöht werden. Es sind andere Maßnahmen, wie die Beschleunigung von Genehmigungs- und Planungsverfahren, der konsequente Abbau von unnötiger Bürokratie sowie eine größere Wertschätzung der marktwirtschaftlichen Mechanismen, die für mehr private Investitionen erforderlich sind. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Belastungswirkung hat die Vermögensteuer einen negativen Symbolwert, der als Standortnachteil Deutschlands wirken würde.
• Im internationalen Vergleich sind Steuern auf das persönliche Vermögen rückläufig:
Internationale Steuervergleiche sind zwar gebräuchlich, haben aber nur eine begrenzte Aussagekraft. Die Besteuerung von Vermögen setzt sich international aus verschiedenen Steuern zusammen. Daher kann keine einfache Schlussfolgerung aus dem Anteil der Steuern auf Vermögen gezogen werden. Vielmehr muss genau betrachtet werden, welche Steuern in einem Land auf Erträge und Vermögen erhoben werden und welche zusätzlichen (kommunalen) Gebühren und Abgaben zur Finanzierung ganz konkreter kommunaler Leistungen darüber hinaus erhoben werden.
Aktuell werden Vermögensteuern nur noch in Spanien, Frankreich, Luxemburg, Schweiz, Norwegen und Japan erhoben, wobei Frankreich in 2018 seine Vermögensteuer auf eine Steuer auf Grundeigentum umgestellt hat. Abgeschafft wurde die Vermögensteuer in Österreich (1993), Dänemark (1996), Finnland (2005), Italien (1993), den Niederlanden (2000) und Schweden (2000). Auch die USA haben keine Vermögensteuer. Schweden hat die Vermögensteuer ausdrücklich mit der Begründung abgeschafft, Investitionen und Arbeitsplätze zu fördern.
Die nominalen Sätze einzelner Steuerarten sollten im internationalen Vergleich nur mit großer Vorsicht verglichen werden. Deutschland erhebt zwar derzeit keine Vermögensteuer, hat aber stattdessen sehr hohe Ertragsteuersätze und finanziert viele kommunale Leistungen über Gebühren. Die Gesamtsteuerbelastung der hiesigen Unternehmen ist deshalb auch ohne Vermögensteuer deutlich höher als in anderen (Industrie-)Staaten. Schon heute liegt Deutschland bei der Besteuerung von Familienunternehmen auf dem 16. Rang von insgesamt 21 Wettbewerberstaaten. Die Position Deutschlands verschlechtert sich weiter, weil eine Reihe von Ländern gegenüber Deutschland aufgeholt haben, weil sie in den vergangenen Jahren die Unternehmensteuern zum Teil kräftig gesenkt haben. Auch die Erbschaftsteuerreform hat zu zusätzlichen Belastungen für (Familien-)Unternehmen in Deutschland geführt (s. MIT-Positionspapier zur Erbschaftsteuer).
• Bürokratiewahnsinn mit ineffizient hohen Erhebungskosten:
Gefordert wird, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen (Kapitalgesellschaften) Vermögensteuern zahlen sollen. Die Bemessungsgrundlage – das Vermögen – soll nach den Verkehrswerten und damit nach den Grundsätzen der Erbschaftsteuer bewertet werden. Beschwichtigend wird oftmals angeführt, dass Verschonungen von bestimmten Betriebsvermögen und Freibeträge vorgesehen würden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Wiedereinführung der Vermögensteuer zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand bei den Steuerpflichtigen, aber auch bei der Finanzverwaltung führen würde. Insbesondere wäre eine weitere Bewertung von Betriebsvermögen erforderlich. Je nach Beteiligungsstruktur und internationaler Verflechtung wären erhebliche Bewertungsprobleme zu lösen. Die Praxis nach der Reform der Erbschaftsteuer 2016 zeigt dies deutlich. Jeder einzelne Fall der Bewertung birgt die Gefahr der Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung. Aufwand, Dauer und hieraus folgende Rechtsunsicherheit steigen mit zunehmender Komplexität der Fälle. Der Verweis auf das im Rahmen der Erbschaftsteuer eingeführte vereinfachte Ertragswertverfahren zur Bewertung von Unternehmen ist keine Lösung, weil die vereinfachte Bewertung aufgrund der Erträge der zurückliegenden Jahre in den meisten Fällen gerichtlich überprüft werden müsste. Um die Gleichheitsvorgaben des Verfassungsgerichts einzuhalten, müssten zudem eine Vielzahl von privaten Vermögen, wie z. B. Grundstücke, Immobilien, Wertpapiere und Kunstgegenstände, erstmals bewertet werden. Das wäre selbst mit einem hohen Personaleinsatz auf Seite der Steuerpflichtigen, aber auch in den Finanzämtern, kaum rechtssicher zu lösen. Angesichts des derzeit großen Fachkräftebedarfs kann man nur davor warnen, ein solches Experiment zu wagen.
• Vermögensteuern oder -abgaben werfen erhebliche verfassungsrechtliche Fragen auf:
Die bisherigen Konzepte einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe begegnen erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil sie das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht berühren. Dies ist bei der Erhebung einer Steuer/Abgabe immer dann relevant, wenn die Steuerzahlung nicht aus dem laufenden Ertrag geleistet werden kann, sondern aus der Vermögenssubstanz gezahlt werden muss. Gerade dies kann aber mit der Vermögensteuer eintreten, denn die Steuer kann zu echten Substanzverlusten führen. Damit sind auch die Altersvorsorgemöglichkeiten von Unternehmern und Unternehmerinnen unmittelbar betroffen. Mit Blick auf die Vorsorgesysteme anderer Gruppen wird hier eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 3 Abs. 1 GG riskiert.
Die Einführung einer Vermögensabgabe ist laut Grundgesetz nur möglich, wenn sich der Staat einem außerordentlichen Finanzierungsbedarf gegenübersieht und die Steuerschuldner nur aus diesem Anlass einmalig belastet werden. Die Staatsfinanzen in Deutschland stehen zwar vor großen Herausforderungen, die Lage ist aber so stabil, dass keinesfalls von einer existenzbedrohenden finanziellen Notlage Deutschlands gesprochen werden kann.
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