Zum 1. Juli 2014 wurde mit dem RV-Leistungsverbesserungsgesetz als Teil des Rentenpakets 2013 die sogenannte „Rente mit 63“ und damit eine Möglichkeit der abschlagsfreien Rente vor Erreichen des 65. Lebensjahres eingeführt. Für besonders langjährig Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren der Jahrgänge 1947 bis 1963 wurde damit eine bereits bestehende Ausnahme von der „Rente mit 67“ nochmals großzügiger ausgestaltet. Diese Ausnahme von der Regelaltersrente hat in den Jahren nach ihrer Einführung zu einer deutlichen Steigerung der Inanspruchnahme der „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ geführt. Haben im Jahr 2013 lediglich 16 000 Versicherte die „Rente mit 65“ in Anspruch genommen, waren es in den Folgejahren teilweise mehr als das 17-fache an Antragstellerinnen und Antragstellern. 2021 haben mehr als 270 000 und damit ca. 30 Prozent aller Neurentnerinnen und Neurentner die „Rente mit 63“ genutzt. Das Rentenreformgesetz 1992 und die damit verbundene Abkehr von der Frühverrentungspolitik der 1970er und 1980er Jahre sowie die Abschaffung zahlreicher Frühverrentungsarten durch das Rentenreformgesetz 1999 haben in den letzten 25 Jahren zu einem erheblichen Anstieg der Warum die „Rente mit 63“ abgeschafft werden muss Die „Rente mit 63“ belastet sowohl die Beitragszahler als auch den Bundeshaushalt. Und sie hat riesige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Ein Plädoyer, in der Rentenpolitik die richtigen Prioritäten zu setzen. Margo_Alexa Erwerbsbeteiligung Älterer, insbesondere der 60- bis 65-Jährigen, geführt. Mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz (Rente mit 67) wurde im Jahr 2008 der mit dem Rentenreformgesetz 1992 eingeschlagene Kurs fortgesetzt und eine schrittweise Anhebung der Regelaltersrente auf 67 Jahre bis 2030 beschlossen. Die Erwerbs- und Beschäftigungsquoten Älterer haben seitdem weiter zugenommen. Mit der Einführung der „Rente mit 63“ wurde jedoch die Anhebung der Regelaltersgrenze für in etwa ein Drittel der Versicherten ausgehebelt. Mit der Option eines abschlagsfreien Renteneintritts vor Erreichen der Regelaltersgrenze hat die „Rente mit 63“ dem Arbeitsmarkt vorzeitig zahlreiche Beschäftigte entzogen, und das in Zeiten eines immer weiter zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels. Nach Schätzungen der Prognos AG im Rahmen einer 2023 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellten Kurzstudie ergibt sich für das Jahr 2022 durch die „Rente mit 63“ eine um rund 4 Prozentpunkte verringerte Beschäftigungsquote bei den 60- bis unter 65-Jährigen. Hochgerechnet mit der Bevölkerung dieser Altersgruppe entspreche dies einem Verlust von rund 207 300 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten im Jahr 2022. Dies bedeute zugleich, dass bei einem Verzicht auf die „Rente mit 63“ in den vergangenen Jahren rein rechnerisch rund 10 bis 20 Prozent der offenen Stellen hätten besetzt werden können. Die Studienautoren merken zudem an, dass gerade in Engpassberufen der Anteil älterer Beschäftigter höher ist, und die „Rente mit 63“ insbesondere bei Fachkräften mit anerkanntem Berufsabschluss zu einem Rückgang der Beschäftigung geführt habe. Die „Rente mit 63“ betreffe daher insbesondere die Segmente des Arbeitsmarkts, in denen die Fachkräfteengpässe aktuell und zukünftig am höchsten sind. Die Kurzstudie der Prognos AG befasst sich auch mit den Auswirkungen einer Abschaffung der Rente für besonders langjährig Versicherte für die langfristige Entwicklung der Rentenfinanzen. Die Autoren betrachten hierbei zwei Szenarien: die sofortige Abschaffung der „Rente mit 63“ sowie die Abschaffung zum 1. Januar 2031. Nach dem Ergebnis der Studie haben beide Szenarien zur Abschaffung der Rente für besonders langjährig Versicherte zur Folge, dass alle Versicherten unabhängig von der Anzahl ihrer Beitragsjahre versicherungsmathematisch „fair(er)“ behandelt werden würden. Die Abschaffung der „Rente mit 63“ führe mittel- bis langfristig zu einer Entlastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in Höhe von 0,4 bis 0,5 Prozentpunkten im Jahr 2035 und 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten im Jahr 2045. Bei einer sofortigen Abschaffung falle die Entlastungswirkung bis zum Jahr 2031 sogar noch höher aus. Insbesondere könne der Beitragssatz bis etwa 2028 auf dem heutigen Niveau von 18,6 Prozent stabilisiert werden. Gleichzeitig wirke sich dies im geringen Maße auch positiv auf das Rentenniveau aus. Die Effekte auf Beitragssatz und Rentenniveau spiegeln sich in der Entwicklung der Rentenfinanzen wider. Zusammengerechnet über den Betrachtungszeitraum, reduzieren sich nach dem Ergebnis der Studie die Rentenaus gaben bis zum Jahr 2035 um 101 bis 139 Mrd. Euro und bis zum Jahr 2045 um 204 bis 255 Mrd. Euro. Damit erfordere die Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung langfristig entsprechend geringere Einnahmen aus Beiträgen und Bundeszuschüssen. Über den Betrachtungszeitraum hinweg betrage die Entlastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler bis zum Jahr 2035 91 bis 124 Mrd. Euro und bis zum Jahr 2045 183 bis 227 Mrd. Euro. Die Entlastung des Bundeshaushalts liege bei 19 bis 27 Mrd. Euro bis 2035 und bei 39 bis 51 Mrd. Euro bis 2045. Die Ergebnisse der Prognos-Studie zeigen einerseits, dass eine Abschaffung der „Rente bis 63“ einen nicht unwesentlichen Beitrag zur dringend nötigen Fachkräftesicherung leisten könnte. In vielen Berufen wird es in den nächsten Jahren zu weiteren Engpässen kommen. Anreize zur Frühverrentung werden diesen Trend nur noch verstärken. Andererseits zeigen die Ergebnisse, dass sowohl eine sofortige als auch eine Abschaffung mit einer gewissen Übergangszeit positive Effekte für die Rentenfinanzen haben würde, sowohl für das Rentenniveau und die Beitragsentwicklung als auch für den Bundeshaushalt. Die Abschaffung der „Rente mit 63“ führt mittel- bis langfristig zu einer Entlastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. spricht daher sehr viel dafür, diese Fehlanreize in der Rentenversicherung schnell zu beenden und die „Rente mit 63“ auslaufen zu lassen. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat sich in einem offenen Brief vom 13. Juli 2023 an Bundesminister Robert Habeck ebenfalls für eine Abschaffung der „Rente mit 63“ ausgesprochen. Der Beirat weist daraufhin, dass bei den Herausforderungen, vor denen die gesetzliche Rentenversicherung aktuell steht, der „Stellschraube“ des Renteneintrittsalters und damit insbesondere der „Rente mit 63“ eine besondere Bedeutung zukomme. Mit 260000 Personen pro Jahr basiere fast jeder dritte Eintritt in die Altersrente auf dieser Regelung. Damit gingen der Rentenversicherung nicht nur eine große Zahl von Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern verloren. Gleichzeitig handele es sich bei diesen Personen überwiegend um gut ausgebildete, überdurchschnittlich verdienende und gesündere Menschen. Darunter seien besonders viele hochqualifizierte Fachkräfte, sodass der durch die demographische Entwicklung entstehende Fachkräftemangel weiter verschärft werde. Die „Rente mit 63“ sei daher aus gesamtwirtschaftlicher Sicht eine höchst problematische Regelung. Der Beirat empfiehlt mithin die Abschaffung dieser Regelung, zumindest aber, sie nur denen zukommen zu lassen, die „gesundheitlich und/oder einkommensmäßig weniger privilegiert“ seien. Die Ampel-Regierung hat zuletzt lauter werdende Forderungen nach einer Anhebung des Renteneintrittsalters sowie einer Abschaffung der „Rente mit 63“ erneut zurückgewiesen. Laut einer Sprecherin des von Hubertus Heil geführten Bundesarbeitsministeriums sind Änderungen des Renteneintrittsalters „kein Bestandteil der rentenpolitischen Vorhaben der derzeitigen Regierungskoalition“. Auch Bundeskanzler Scholz hat sich in der letzten Regierungsbefragung vor der parlamentarischen Sommerpause gegen eine Anhebung ausgesprochen und Überlegungen, die „Rente mit 63“ abzuschaffen, eine Absage erteilt. Die beitragsfinanzierte Rentenversicherung bildet das Fundament der Alterssicherung in Deutschland. Damit langfristig die Beitragssätze aller Sozialversicherungszweige unterhalb der 40-Prozent-Marke gehalten werden können, braucht es grundlegende Reform- und Konsolidierungsansätze und eine grundlegende Neuausrichtung der Altersvorsorge in Deutschland, die künftig nur mit drei starken Säulen funktionieren kann: gesetzlicher Rentenversicherung, betrieblicher und privater Altersvorsorge. Um künftige Beitragszahler nicht zu überlasten und vor politischen Begehrlichkeiten zu schützen, muss zudem das Prinzip der Generationengerechtigkeit in der Rente institutionell gestärkt und grundgesetzlich verankert werden. Die Menschen werden immer älter und die Rentenbezugsdauer wird immer länger. Neben der Abschaffung der „Rente mit 63“ ist die Anpassung der Regelaltersgrenze deshalb das zentrale Element, um die gesetzliche Rente finanzierbar zu halten. Als gerecht und erklärbar gilt die Kopplung der Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung im Verhältnis 3:1 ab 2031. Für Beschäftigte mit besonderen Belastungen muss es weitere Verbesserungen im Rahmen der Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Sonderregelungen geben, die sie nicht benachteiligen. Es müssen zudem bessere Anreize für längeres Arbeiten gesetzt sowie ein früherer oder späterer Renteneintritt versicherungsmathematisch gerechter abgebildet werden. Letztlich muss auch das Rentenniveau als gesetzliche Haltelinie fallen. Die Betrachtung muss auf dem „Altersvorsorgeniveau“ insgesamt liegen und auch die anderen Säulen sowie Vermögen umfassen. Jemand kann eine geringe Rente bekommen und trotzdem wohlhabend im Alter sein. Die säulenübergreifende Renteninformation ist dabei ein wichtiger Baustein. Es gilt nun, die richtigen Prioritäten zu setzen. Für stabilere Rentenfinanzen und für die Sicherung dringend benötigter Fachkräfte.
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