Warum ein Meppener seit 1082 Wochen die Spritpreise prüft

Datum des Artikels 06.11.2022
Basis aktuell

Der 82-jährige Günter Reisner aus Meppen hat ein eher ungewöhnliches Hobby. Er analysiert seit 2002 akribisch die Spritpreise und kritisiert die Abzocke durch die Ölkonzerne.

Hobbys können so vielfältig sein. Klassiker sind hier wohl der heimische Garten, die Briefmarkensammlung oder der Oldtimer. Ganz anders ist das bei Günter Reisner aus Meppen. Natürlich ist auch beim 82-jährigen Bergbauingenieur der Garten ordentlich, doch sehr viel Aufmerksamkeit widmet er täglich einer ganz anderen Sache.

Er dokumentiert und analysiert seit 2002 mit einer unglaublichen Akribie die täglichen Preise für Kraftstoffe an den Tankstellen. In seinem kleinen Arbeitszimmer stapeln sich deshalb Aktenordner mit Tabellen voller Zahlen und Berechnungen. Wie kam es zu dieser

u ngewöhnlichen Freizeitbeschäftigung und warum macht der
R entner das eigentlich?


Benzinpreise nicht ganz „sauber“

Durch seine Tätigkeit im Bergbau als Betriebsführer unter Tage habe er schon lange mit Kohle und Erdgas zu tun gehabt, sagt der 82-Jährige. Zudem seien Zahlen und Mathematik sein Steckenpferd. I m Rahmen seiner Tätigkeit als Kreisvorsitzender der
Mittelstandunion sei 2002 dann sein Augenmerk auf die Preise an den Zapfsäulen gefallen, da ihm das alles nicht ganz „sauber“
vorkam. V or allem die Unstimmigkeiten zwischen dem Rohöl-Preis
u nd was der Liter Benzin an den Tankstellen kostete, ärgerten ihn.

Rechnen und Knobeln

Nachdem er viele Wochen alle Preise genau aufgeschrieben hatte, fing Reisner an, eine Formel zu entwickeln, um den „fairen“ Benzinpreis für die Autofahrer zu ermitteln. „Da kam der Mathematiker bei mir durch“, sagt der Meppener. „Ich habe viel gerechnet und mit den Zahlen geknobelt. Das hat mir viel Spaß gemacht.“ Als Basis nahm er sein eigenes Zahlenwerk und setzte alles ins Verhältnis zu einander, probierte und tüftelte weiter.

Barrel, Liter, Euro

„Zunächst muss der Rohöl-Preis in Dollar pro Barrel (159 Liter) in Euro pro Liter umgerechnet werden - ohne Steuern“, erklärt Reisner seine Formel. Diesen habe er dann zum Kraftstoffpreis pro Liter ohne Steuern ins Verhältnis gesetzt. „Somit hatte ich dann meine Berechnungsgrundlage – der Wochendurchschnittspreise.“

Zunächst beließ er es beim Benzinpreis. 2008 nahm er den Dieselpreis mit in seine Statistiken auf. Denn zuvor sei der Diesel an den Tankstellen preislich relativ stabil gewesen und hatte in der Regel eine Differenz von Minus 18 Cent zum Benzin. Das hatte sich dann aber geändert, was Reisners Neugier weckte. „Ich wollte es eben genau wissen, warum der Preis so schwankt.“

1082 Wochen dokumentiert

Heute, nach Reisners Aktenordnern zufolge 1082 berechneten Wochendurchschnitten von Benzin und Dieselpreisen später, kann der 82-Jährige genau sagen, wie viel der Liter Sprit eigentlich kosten müsste bzw. wir alle beim Tanken zu viel bezahlen. „Bis zur Spritpreisbremse war der Liter Super-Benzin im Mai 2022 2,6 Cent und der Liter Diesel 6,9 Cent zu teuer“, sagt der Meppener. Das sei aus seiner Sicht noch halbwegs vertretbar gewesen.


Jeden Tag rechnet Günter Reisner die „fairen“ Spritpreise aus. FOTO: HARRY DE WINTER

Abzocke beginnt mit Tankrabatt

Der große Ärger trat dann bei Reisner aber mit Beginn des Tankrabatts auf: „Das kann man nur noch als Abzocke durch die Öl- Multis bezeichnen, die sich die Taschen vollgestopft haben mit den Übergewinnen“, sagt er. Dies will er konkret mit seinen Zahlen belegen können. So sei der Diesel im August 31,5 Cent pro Liter zu teuer gewesen und Benzin 21,6 Cent.

Umgerechnet auf einen Verbrauch von rund 166.000.000 Liter sei dies allein beim Diesel, der einen Anteil von 65 Prozent an der Gesamtnachfrage habe, ein Mehrgewinn von rund 34 Millionen Euro pro Tag gewesen.

„Sowas darf doch nicht sein“, sagt Reisner. Vor allem ärgere es ihn, dass die Politik hier mehr oder weniger teilnahmslos dieses
„Spielchen“ mitmache. „Die Menschen werden doch veräppelt.“ Sogar in dern USA werde nun eine Übergewinnsteuer angedroht und in Deutschland passiere einfach nichts.

Eine Milliarde Euro mehr Gewinn

Mehrmals habe er schon mit dem ADAC, der Verbraucherzentrale
sowie verschiedenen Bundesämter in Kontakt gestanden, sei aber hier nicht weitergekommen. „Scheinbar wird es einfach hingenommen, dass die Ölkonzerne einfach mal eben über eine Milliarde Euro pro Monat in der Zeit des Tankrabatts zu viel für Kraftstoffe verlangt haben“, so Reisner. Die einzigen, die sich wirklich freuen könnten, seien die Aktionäre der Öl-Multis, die nun mit hohen Renditen rechnen könnten.

Jonglieren mit Zahlen hält fit

Zu sehr rege er sich darüber aber auch nicht auf, wie der Meppener versichert. Aber das tägliche Jonglieren mit den Zahlen halte ihn geistig fit. Und er wolle auf jeden Fall noch weitermachen mit seiner Kraftstoffpreis-Analyse. „Vor Jahren hat mir eine Wahrsagerin auf einer Kirmes vorhergesagt, dass ich 100 Jahre alt werde. Also bleiben mir ja noch ein paar Jahre, an denen ich die Preise analysieren kann.“