Was bedeutet die Ampel für den Mittelstand?

Datum des Artikels 09.12.2021
MittelstandsMagazin

SPD, Grüne und FDP haben ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Zwar verzichtet die Ampel vorerst auf Steuererhöhungen. Die vielen Vorhaben, vor allem der ökologische Umbau der Wirtschaft, werden aber tiefe Löcher in die Staatskasse reißen. Für Bürger und den Mittelstand wird es am Ende teuer.

Die Ampel-Koalition will die Beteiligungsmöglichkeiten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) an Vergabeverfahren verbessern. „Förderprogramme und Investitionszuschüsse sollen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige deutlich einfacher zu beantragen und zu dokumentieren sein“, schreiben die Koalitionäre. Allerdings soll die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung eines Tarifvertrages gebunden werden.

Der Ausbau der Tarifbindung zieht sich überhaupt wie ein roter Faden durch den Koalitionsvertrag. Da gerade kleine und mittlere Unternehmen häufig nicht tarifgebunden sind, wird sich ihre Situation erschweren. Um Tarifflucht zu erschweren, sollen Betriebsausgliederungen künftig verhindert werden. In Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sollen weitere Schritte zum Ausbau von Tarifverträgen erarbeitet werden. Außerdem soll der Mindestlohn flächendeckend auf zwölf Euro steigen. Die Verdienstgrenze für Minijobs soll auf 520 Euro steigen, die für Midi-Jobs auf 1600 Euro. Selbstständige, die bislang in keinem Alterssicherungssystem sind, sollen verpflichtet werden, in die gesetzliche Rente einzuzahlen.

Lieferkettengesetz

Das nationale Lieferkettengesetz, welches die vorige Regierung gegen den Willen der MIT auf den Weg brachte, will die Ampel unverändert umsetzen und gegebenenfalls ausbauen. Hinzu kommt, dass die Ampel sich für ein europäisches Lieferkettengesetz einsetzen will und den Vorschlag der EU-Kommission für ein entwaldungsfreiesLieferkettengesetz unterstützt. Damit sollen Auflagen für Produkte wie Rindfleisch oder Soja eingeführt werden. Daneben enthält der Entwurf der EU-Kommission für eine Lieferkettenregulierung sehr viele Auflagen für Unternehmen, die sowohl von den Wirtschaftsverbänden in Deutschland als auch bei den deutschen Mittelstandspolitikern von CDU und CSU im Europaparlament auf massiven Widerstand stoßen. Auch will die Ampel das von der EU vorgeschlagene Importverbot von Produkten, die unter aus ihrer Sicht fragwürdigen Bedingungen hergestellt wurden, unterstützen. Zwar soll dies alles so ausgestaltet werden, dass „kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordert“ werden. Wie das in der Praxis aussehen soll, lässt der Koalitionsvertrag jedoch offen.

Fachkräfte und Einwanderung

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, soll das duale System der beruflichen Ausbildung gestärkt werden. Etwas schwammig heißt es, dies solle durch einen verbesserten Übergang von der Schule in die berufliche Bildung und durch die Förderung von Ausbildungsbotschaftern erreicht werden. Die Ausbildung im Handwerk soll gezielt gefördert werden und der Zugang zur Meister-Ausbildung erleichtert werden, „indem wir die Kosten von Meisterkursen und -briefen für die Teilnehmer deutlich senken“. Dem Fachkräftemangel will die Ampel durch eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen entgegenwirken. Außerdem will sie „allen älteren Erwerbstätigen, die dies können und wollen, ermöglichen auch mindestens bis zum regulären Renteneintrittsalter zu arbeiten.“ Einem höheren Renteneintrittsalter, etwa gekoppelt an die steigende Lebenserwartung, erteilt der Koalitionsvertrag eine klare Absage. Genau das wird aber von zahlreichen Wissenschaftlern gefordert, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Vor allem aber will die Ampel den Fachkräftemangel durch mehr Einwanderung bekämpfen. Dafür will die Ampel eine „Chancenkarte“ einführen. Diese soll auf Basis eines Punktesystems Einwanderern den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtern. Außerdem soll es für Ausländer auch leichter möglich werden, für eine nicht-akademische Tätigkeit einzuwandern, wenn ein konkretes Jobangebot vorliegt. Die Ampel will auch die Hürden für die Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse senken.

Gründungen, Bürokratie und Tarifverträge

Für Unternehmensgründungen will die Ampel eine Startup-Strategie auf den Weg bringen. Diese soll „Gründungen aus allen Lebenslagen und eine Kultur der zweiten Chance unterstützen“. Außerdem sollen Hürden für Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund beim Zugang zu Fördermitteln abgebaut werden. Generell den Zugang zu Fördermittel zu erleichtern, fordert die Koalition aber nicht. Die Ampel will Unternehmensgründungen innerhalb von 24 Stunden ermöglichen. Dazu sollen unter anderem flächendeckend „One Stop Shops“ kommen, die für die Gründungsberatung, -förderung und -anmeldung als Anlaufstellen dienen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode einen ähnlichen Gesetzesvorschlag vorgelegt, der aber in der Koalition nicht umgesetzt wurde. Auch die Idee, privates Kapital von Anlegern wie Versicherungen und Pensionskassen für die Startup Finanzierung zu mobilisieren, ist nicht neu. Darüber hinaus will die Ampel bereits bestehende Förderprogramme wie das „Zentrale Innovationsmanagement Mittelstand“ (ZIM) weiterentwickeln. Die Ampel baut hier eher auf Bestehendem auf, als eigene Akzente zu setzen. Auch die „One-in-One-out“-Regelung zum Bürokratieabbau wird die Ampel von der vorherigen Bundesregierung übernehmen. Diese Regel besagt, dass jedes Bundesministerium bürokratische Belastungen, die es durch neue Regelungen aufbaut, an andere Stelle abbauen muss. Die Innovationsförderung des Bundes soll „für soziale und ökologische Innovationen“ geöffnet werden. Die Aspekte Innovation, Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz und soziale Gerechtigkeit sollen in die Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb integriert werden und das Bundeskartellamt soll gestärkt werden.

Wohnen und Bauen

Für das Baugewerbe könnten die Vorhaben der Ampel zu einem Auftragsschub führen. Für private und gewerbliche Bauherren wird es aber teuer: Die Ampel will alle geeigneten Dachflächen künftig für Solarenergie nutzen. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend sein. Außerdem schweben der Ampel Dämmschichten, Lüftungsanlagen und Wärmerückgewinnungssysteme bei allen Neubauten vor. Auch bei der Sanierung wird es teurer. Neu eingebaute Heizungen unterliegen ab 2025 strengen Auflagen und werden deutlich teurer. Dabei ist fraglich, ob bis dahin in allen Regionen Deutschlands ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien verfügbar ist. Dieser Strom wäre aber nötig, um die Kriterien zu erfüllen, die der Ampel für neue Heizungen vorschweben. Wie die Ampel dieses Problem lösen will, beantwortet der Koalitionsvertrag nicht. Zwar will die Ampel klimafreundliche Baumaßnahmen finanziell fördern. Ob die Förderung aber ausreicht, um die Mehrkosten für die Bauherren zu decken, darf bezweifelt werden. Zwei Prozent der Landesfläche sollen für den Bau von Windrädern ausgewiesen werden. Die Ampel sieht darin ein „Konjunkturprogramm für den Mittelstand“ und „den Weg zur CO2-neutralen Welt als große Chance für den Industriestandort Deutschland“. Gute Rahmenbedingungen für den Mittelstand will die Ampel durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, wettbewerbsfähige Energiepreise und schnellere Genehmigungsverfahren schaffen. Die erhöhten Heizkosten durch den CO2-Preis will die Ampel hälftig zwischen Vermieter und Mieter aufteilen. Die Mietpreisbremse soll bis zum Jahr 2029 verlängert werden.

In 
Städten ab 100.000 Einwohnern sollen qualifizierte Mietspiegel verpflichtend eingeführt werden. Pro Jahr will die Ampel 400.000 neue Wohnung bauen, davon sollen 100.000 öffentlich gefördert werden. Für mittelständische Handwerksbetriebe dürfte es also viel zu tun geben. Die sind aber heute schon ausgelastet. Für private und gewerbliche Bauherren dürfte es künftig also noch schwerer und vor allem teurer werden, Handwerker zu finden.

Automobilindustrie, Landwirtschaft, Ernährung

Für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer wird sich einiges ändern. Ziel von SPD, Grünen und FDP ist es, dass in Europa ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Damit übernimmt die Ampel die Pläne der EU. In Deutschland sollen dann nur noch elektrische oder mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden dürfen. Auch sollen die CO2 Flottengrenzwerte für Nutzfahrzeuge „weiterentwickelt“ werden – wobei das wahrscheinlich als verschärfen zu verstehen ist. Ab 2023 soll ein CO2-Zuschlag für den gewerblichen Güterkraftverkehr eingeführt werden. Die Ampel will außerdem eine neue Schadstoffnorm EURO 7 schaffen und für Elektrofahrzeuge eine Million „öffentlich und diskriminierungsfrei“ zugängliche Ladepunkte schaffen.

2022 will die Ampel eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einführen und strebt hierfür verbindliche, EU-weite Standards an. Förderungen für landwirtschaftliche Betriebe sollen künftig an Haltungskriterien geknüpft werden. Auch soll ein Überwachungssystem in tierschutzrelevanten Bereichen in Schlachthöfen einer gewissen Größe eingeführt werden. Teile des Tierschutzrechts sollen in das Strafrecht überführt werden und das maximale Strafmaß soll erhöht werden. Tierversuche in der Forschung sollen reduziert und Alternativen gesucht werden. Die gesamte Landwirtschaft soll sich künftig vor allem am Umwelt- und Ressourcenschutz messen lassen müssen. Bis 2030 sollen 30 Prozent Ökolandbau erreicht werden. Der Umbau soll massiv subventioniert werden. Eine „Zukunftskommission Fischerei“ soll Empfehlungen für nachhaltigeren Fischfang erarbeiten. Gruppenschleppnetz-Fischerei soll stark eingeschränkt werden und Fangtechniken artenspezifisch angepasst werden. 

Die Zuckersteuer findet sich zwar nicht im Koalitionsvertrag. Aber die Ampel will stärker in der Ernährung der Bürger eingreifen als frühere Regierungen. Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt sollen künftig in Sendungen für unter 14-Jährige verboten sein. Es soll sukzessive mehr regionale und ökologische Lebensmittel geben. „Wir stärken pflanzliche Alternativen und setzen uns für die Zulassung von Innovationen wie alternative Proteinquellen und Fleischersatzprodukten in der EU ein“, schreiben die Koalitionäre. Der sogenannte Nutri-Score, der die Nährwerte in Lebensmitteln anhand von Farben kennzeichnet und in den betroffenen Branchen umstritten ist, soll EU-weit eingeführt werden. Das übergeordnete Ziel dieser Maßnahmen ist die „wissenschaftlich fundierte und auf Zielgruppen abgestimmte Reduktionsziele für Zucker, Fett und Salz“. Die Ampel will auch prüfen, ob „der Verkauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten unterbunden werden kann“.

Steuerpolitik


Vorerst verschont bleiben Leistungsträger von einer befürchteten Vermögensteuer oder der Anhebung der Erbschaftsteuer. Aber auch die erhoffte vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags oder eine größere Einkommens- oder Unternehmenssteuerreform nimmt die Koalition nicht in Angriff. Dagegen plant die Koalition eine Verbesserung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung, eine Anhebung des Sparerpauschbetrags auf 1000 Euro sowie für Unternehmen eine Verlängerung der erweiterten Verlustverrechnung bis Ende 2023.

Finanzfrage bleibt offen

Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft fanden zunächst durchaus lobende Worte für den Koalitionsvertrag. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, dass vieles in die richtige Richtung weise. Er mahnte aber an, dass es bei den drängendsten Themen wie Digitalisierung und dem demografischen Wandel einen „großen Wurf“ brauche. „Dieser ist leider nicht durchgängig im Koalitionsvertrag erkennbar“, so Dulger. Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum stellt im Handelsblatt die Frage, welche Finanzierungsoptionen die Ampel ziehen wird: „Insgesamt bleibt der Koalitionsvertrag im Bereich der Finanzierung ziemlich im Ungefähren.“ Hier sei es nun an FDP-Chef Christian Lindner, dem zukünftigen Finanzminister, die Vorhaben der Ampel in die Praxis umzusetzen. Für Lindner dürfe es aber schwer werden, „von seinen Ampel-Partnern eiserne Haushaltsdisziplin zu verlangen“, so Südekum. Ähnlich äußert sich Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, gegenüber t-online: „Es ist völlig offen, wie die Ampel all die Pläne finanzieren will.“

Micha Knodt
Redakteur

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 6-2021