Steuermilliarden für Batteriefabriken?

Datum des Artikels 22.02.2019

 

Die deutsche Elektroauto-Industrie wächst langsam, aber stetig. Ein Bremsklotz dabei: die Abhängigkeit von internationalen Batteriezell-Lieferanten. Bis 2021 will die Bundesregierung deshalb rund eine Milliarde Euro bereitstellen, um eine nationale Batteriezellherstellung auf den Weg zu bringen. Die Pläne sind ambitioniert – und nicht ohne Risiko.

Mit dem Umstieg auf Elektroautos steht die deutsche Autoindustrie vor einem gewaltigen Umbruch. Zwar machen Diesel und Benziner noch immer den Großteil der Pkw-Neuzulassungen aus. Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes legen jedoch offen, dass bis November vergangenen Jahres fast 100.000 Elektroautos in Deutschland zugelassen wurden. Zum Vergleich: Anfang 2012 lag die Anzahl der Zulassungen noch bei insgesamt 4.750 Fahrzeugen.

Asiatische Batterieriesen

Mit der Nachfrage nach Elektroautos wächst auch die nach Lithium-Ionen-Zellen. Diese sind für die Produktion der in E-Fahrzeugen verbauten Akkus unerlässlich. Bislang gilt Asien als Hauptproduzent der Batteriezellen. LG Chem, Samsung und SK Innovation: Diesem Trio südkoreanischer Konzerne obliegt derzeit ein wesentlicher Status innerhalb der Batteriezellenproduktion. Die 1947 gegründete Aktiengesellschaft LG Chem gehört zu den globalen Anführern unter den Elektronikkonzernen. Das Unternehmen beschäftigt rund 30.000 Mitarbeiterweltweit. Unter den Kunden finden sich unter anderem Audi und Renault. Samsung SDI, ein Tochterunternehmender Samsung Group, ist Marktführer bei Lithium-Ionen-Batterien. Auch Autobauer wie BMW und Fiat greifen auf den südkoreanischen Hersteller zurück. Die koreanische Aktiengesellschaft SK Innovation beliefert hierzulande unter anderem Volkswagen und beschäftigt derzeit etwa 6.500 Mitarbeiter. Eine konkurrenzfähige Batteriezellfabrik in Europa ? Fehlanzeige.

Eine Milliarde Euro vom Bund

Die Bundesregierung will daher den Aufbau einer deutschen Batteriezellfertigung fördern. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte im November an, bis 2021 rund eine Milliarde Euro aus dem Etat seines Ministeriums zur Verfügung stellen. Eine konkrete Investitionssumme soll bis März veranschlagt werden. Der Produktionsbeginn in Deutschland seidann ab 2021 geplant. Batteriezellfertigung ist eine Basisinnovation, die über die Wertschöpfungsketten der Zukunft entscheiden wird“, begründet Altmaier seine Pläne gegenüber dem Mittelstandsmagazin. „Wenn in Zukunft die digitalen Plattformen für die Mobilität aus den USA und die Batterien aus Asien kämen, hätten wir rund 55 Prozent dieser Wertschöpfung nicht mehr in Deutschland und Europa.“ Deshalb wolle er einen „industriepolitischen Akzent“ setzen, auch um Arbeitsplätze neu zu schaffen. Altmaier betont jedoch: „Die Investitionen müssen aber selbstverständlich von privatwirtschaftlichen Unternehmen kommen.“ Eine staatliche Beteiligung an einem Batterie-Konsortium ist demnach nicht geplant. Langfristiges Ziel sei es, die Batteriezellenproduktion auf mehrere Standorte zu verteilen. Viele Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, hätten bereits Interesse signalisiert. Daneben seien jedoch ebenso grenzüberschreitende Kooperationen mit Deutschlands direkten Nachbarländern Frankreich, Polen und Österreich denkbar. Die Ziele des Ministeriums sind ambitioniert: Bis 2030 sollen rund 30 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Batteriezellenaus deutscher und europäischer Produktion bedient werden.

Ist der Rückstand zu groß?

Kritik an den Plänen kommt unter anderem vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Ökonom Thomas Puls: „Der Aufbau einer eigenen Zellfertigung wird erst bei dem erwarteten Technologiewechsel wirtschaftlich interessant.“ Bei der heutigenZellchemie sei der Vorsprung der asiatischen Hersteller zu groß. Das betreffe sowohl die etablierteMassenfertigung als auch – im Falle Chinas – den Zugriff auf die notwendigen Rohstoffe. „Wenn sich eine neue Zellchemie durchsetzt, werden die Karten neu gemischt und dann sollte Deutschland bereit sein, was insbesondere zusätzliche Forschungsaktivitäten im Bereich der Elektrochemie erfordert.“

Fraglich dürfte auch sein, ob Deutschland aufgrund seiner hohen Energiekosten überhaupt ein eigenes Werk gewinnbringend betreiben könnte.Einen weiteren Punkt wirft das Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen auf: den relativ geringen Anteil der Wertschöpfung an der Produktion. Die reine Zellproduktion macht dem Institut zufolge lediglich fünf bis zehn Prozent der Wertschöpfung bei der Batterie aus. Der weitaus größere Teil würde auf die Herstellung der Grundkomponenten der Zelle, etwa Anode, Kathode und Elektrolyt, fallen. Aus Sicht von CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer ist deshalb das Risiko zu groß, gegen die asiatischen Batterieriesen anzutreten: „Es ist sinnvoll, seine Kompetenzen dort zu stärken, wo man in eine Spitzenstellung laufen kann. Die Chance liegt in der Materialforschung und nicht in der Zellproduktion“, so der Autoexperte. „Berlin und Brüssel sollten aufhören, eine volkseigene Batteriezellproduktion aufzubauen. Das Risiko, Steuermilliarden in den Sand zu setzen, ist zu groß.“

Das sieht auch der Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch so. Nachanfänglichen Überlegungen hat der Weltkonzern dem Aufbau einer eigenen Batteriezellproduktion eine Absage erteilt. Das Unternehmen will stattdessen auf die Zulieferung der Zellen setzen: „Wir sind zur Überzeugung gelangt, dass Batteriezellen langfristig ein standardisiertes Massenprodukt sein werden. Wir müssen die Zelle technisch verstehen, wir müssen sie nicht fertigen“, teilte das Unternehmen mit. Die Zellfertigung sei für den Erfolg nicht ausschlaggebend. „Denn auch für die Zelle gilt: Sie ist nur eine Komponente eines Gesamtsystems, entscheidend wird die Systemkompetenz sein.“

Isabella Maria Wünnerke

Dieser Artikel erschien im Mittelstandsmagazin, Ausgabe 1-2019