
© Rothwangl/ SUEZ Deutschland
Eine der modernsten Sortieranlagen für Leichtverpackungen in Europa steht im baden-württembergischen Ölbronn. Dort werden täglich rund 200.000 Gelbe Säcke per Infrarotscanner und Druckluftdüse sortiert. Danach werden die Materialien dem Recyclingprozess zugeführt. „Bei Dosen und Metallen ist das in der Regel sehr einfach“, sagt Jochen Zickwolf, Geschäftsführer des privaten Anlagenbetreibers Suez Recycling Süd. „Die werden von uns zu Ballen verpresst und können dann direkt wieder ins Stahlwerk gehen.“ Bei Kunststoffen hingegen sei mehr Einsatz notwendig: „Häufig sind sie durch die zuvor enthaltenen Lebensmittel verunreinigt oder mit Papieretiketten beklebt. Das muss alles weg, bevor der Kunststoff eingeschmolzen und granuliert wird.“ Besondern kompliziert werde es bei Verpackungen, die aus verschiedenen Kunststoffen bestehen. „Hier erkennt der Infrarotscanner die Materialart, die überwiegt. Die grundsätzliche Herausforderung in unserem Bereich ist aber, dass kombinierte Materialien in der Sortierung schwerer zu erkennen sind“, sagt Zickwolf. Selbst wenn sie richtig erkanntwurden, sei es im nachgeschalteten Recyclingprozess schwieriger, die verbundenen Materialien wieder zu trennen. „Fürs Recycling sind Verbundverpackungen sicherlich nicht förderlich.“
Kunststoffe sind oft schwer recycelbar
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), Peter Kurth, sieht drei Stoffströme, bei denen das Recycling schon heute gut funktioniert: „Das sind Papier, Glas und alle Arten von Metallen“, berichtet das MIT-Mitglied. Laut Bundesumweltministerium lag die Recyclingquote im Jahr 2018 für Glas bei 75 Prozent, bei Aluminium waren es 60 Prozent. Auch wurden 70 Prozent des Altpapiers hierzulande recycelt. Demgegenüber lag die Recyclingquote für Kunststoffe gerade einmal bei 36 Prozent. Seit 2019 sind die Quoten jedoch deutlich höher angesetzt. Die gesetzlich vorgeschriebene Recyclingquote für Glas liegt bei 80 Prozent und für Papier bei 85 Prozent. Bei Metallen liegt sie je nach Metallart zwischen 60 und 70 Prozent. Bei Kunststoffen liegt die gesetzliche Quote bei 58 Prozent. Ob diese Quoten bislang auch erreicht werden, ist noch offen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage und Produktion von Kunststoffen an. 1950 lag die weltweite Produktion von Kunststoffen bei 50 Millionen Tonnen. Bis 2018 hatte sie sich auf 360 Millionen Tonnen versiebenfacht. Erschwerend kommt hinzu, dass Kunststoffe kaum natürlich abbaubar sind.
„Kunststoff ist ein unglaublich komplexes Thema. Allein in Deutschland werden jedes Jahr tausende Patente im Bereich Kunststoffverarbeitung angemeldet“, schätzt Peter Kurth. Grundsätzlich sei es aber durchaus möglich, Kunststoff zu recyceln: „Eine PET-Flasche, die nur aus PET besteht, kann relativ einfach aufbereitet werden. Wir haben aber Probleme bei Kunststoffen, die mit anderen Kunststoffen vermischt wurden“, sagt Kurth. Dies sei heute leider die Regel.
Recycling ist der Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft
Ziel der Kreislaufwirtschaft ist es, bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich zu nutzen und sie im Anschluss aufzubereiten. Vor allem dem Recyceln kommt eine wichtige Rolle zu, da dadurch Müll vermieden und Rohstoffe gespart werden sollen. Marie-Luise Dött ist umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von CDU/CSU und Vorsitzende der MIT-Kommission für Energie und Umwelt. Für sie ist die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft „eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.“ Daran führe kein Weg vorbei und keine Branche sei davon ausgenommen. „Die Linearwirtschaft ist für keine Branche ein Modell mit Zukunft. Richtig ist allerdings, dass es je nach Branche und Produkt unterschiedliche Potentiale gibt“, sagt Dött. Gerade in der Lebensmittelbranche sei dies der Fall. „Hier sind die rechtlichen Vorgaben für die Qualität der Produkte sehr streng, der Einsatz von Rezyklaten schwieriger.“ Anders sei es in der Baubranche. „Dort werden schon heute große Mengen an mineralischen Abfällen wiederverwendet“, berichtet die Politikerin.
Ende Oktober wurde das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz novelliert. In seiner neuesten Fassung verpflichtet das Gesetz die öffentliche Hand dazu, bei der Beschaffung oder der Auftragsvergabe umweltfreundlichen Produkten Vorrang zu geben. Auch werden die Recyclingquoten für bestimmte Abfälle wie Papier, Metall oder Kunststoffe erhöht. Ziel der Novelle ist es, die Kreislaufwirtschaft ökologisch weiterzuentwickeln. Das soll vor allem dadurch erreicht werden, dass Rohstoffe wie Papier, Plastik oder Bauxit stets neu aufbereitet und wiederverwendet werden. „Deutschland ist eine Industrienation und gleichzeitig ein rohstoffarmes Land. Deshalb sind wir auf Rohstoffe angewiesen. Entweder wir kaufen sie ein oder wir führen die vorhandenen Materialien so lange wie möglich im Kreislauf“, findet Dött. „Angesichts wachsender weltweiter Nachfrage und steigender Preise für Rohstoffe sind wir also gut beraten, die Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln.“ Das Schließen von Stoffkreisläufen sei eine Voraussetzung für Ressourcenschutz, Klimaschutz und für eine prosperierende Wirtschaft. „Deswegen müssen wir prüfen, wie wir mögliche preisliche Nachteile der Rezyklate gegenüber Primärmaterialien reduzieren“, so Dött. Dabei gebe es unterschiedliche Ansätze. „Wir müssen die Forderung nach politischen Vorgaben von Einsatzquoten für Rezyklate für bestimmte Produkte diskutieren“, stellt Dött klar. Die Politikerin ist sich sicher, dass die Kreislaufwirtschaft eine Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung ist. „Deshalb gehört Sie aus meiner Sicht in das CDU-Wahlprogramm“, erklärt sie.
"Design for Recycling"
Wenn die Kreislaufwirtschaft in Deutschland konsequent umgesetzt werden soll,muss der gesamte Lebenszyklus einerWare oder eines Wertstoffes betrachtet werden. Vieles davon läuft schon heute gut. Der Gelbe Sack wurde erstmals 1991 vom damaligen CDU-Umweltminister Klaus Töpfer eingeführt. Die Einführung war eine Innovation in der Umweltpolitik und wird bis heute weltweit kopiert. Auch trennen 94 Prozent der Deutschen ihren Müll, was die Entsorgung und die zum Recycling notwendige Sortierung erleichtert. Es sind also gar nicht so viele Stellschrauben, die noch gedreht werden müssen, um die Kreislaufwirtschaft voran zu bringen. „Man muss das Thema Ökodesign, das heißt Design for Recycling, ernster nehmen. Gerade bei problematischen Materialien wie Kunststoff muss bereits beim Design des Produktes die Entsorgung geklärt sein“, fordert BDE-Präsident Peter Kurth. Für die Zukunft wünscht er sich, dass diese Fragen geklärt sind, bevor ein Produkt überhaupt auf den Markt kommt. So sei bei der Diskussion über die Einführung der E-Roller vor allem über eine mögliche Helmpflicht oder ob die Roller auf der Straße, dem Radweg oder dem Bürgersteig fahren dürfen gestritten worden. „Wie E-Roller vernünftig entsorgt und recycelt werden können, hat überhaupt keine Rolle gespielt - weder bei der Produktion noch beim Einsatz in der Praxis“, sagt Kurth.
Die Batterien der E-Roller bestehen aus Lithium. Anfangs wurden E-Roller gebaut, deren Batterien untrennbar mit dem Gerät verschmolzen waren. „Der ganze E-Roller war also Sondermüll und hatte dadurch hohe Anforderungen an die Entsorgung. Die Entsorgung wurde als Problem der Entsorgungswirtschaft zugeschoben“, moniert Kurth. Kreislaufwirtschaft funktioniere aber nicht ohne die Hersteller und die Industrie. „Sie schließen einen Kreislauf nicht alleine dadurch, dass sie den Entsorgern eine Quote vorgeben.“ Es brauche auch Vorgaben für die Herstellung der Produkte. „Kreislaufwirtschaft ist mehr Entsorgungswirtschaft. Um den Kreislauf bei problematischen Stoffen wirklich zu schließen, werden wir um Instrumente wie Mindesteinsatzquoten nicht umhinkommen“, ist sich Kurth sicher.
Globaler Ressourcenverbrauch wächst rasant
MIT-Mitglied Stephan Rösgen kennt die Sicht der Hersteller. Er hat 30 Jahre in verschiedenen Funktionen innerhalb der Kreislaufwirtschaft gearbeitet, darunter zehn Jahre für einen weltweit tätigen Verpackungshersteller. Heute berät er Hersteller und Handelsunternehmen. „Wenn die Kreislaufwirtschaft richtig umgesetzt wird, ist sie kein Nachteil für deutsche Hersteller“, glaubt er. Denn am Ende entstünden Produkte, die ökologisch und ökonomisch besser seien. „Dann darf die Politik aber nicht nur an der Oberfläche kratzen. Wir müssen die gesamte Ökologie eines Produktes in den Blick nehmen.“ So sei das E-Auto nur auf den ersten Blick die Lösung für das CO2-Problem. „Wenn wir die Umweltwirkungen des Lithium-Abbaus in Südamerika mit einbeziehen, ist das E-Auto keine ernsthafte Lösung. Die Kreislaufwirtschaft muss die gesamte Ökologie betrachten“, fordert Rösgen.
Aus ökonomischer Sicht führe dennoch kein Weg an der Kreislaufwirtschaft vorbei. Der Ressourcenverbrauch weltweit wird laut OECD zwischen 2010 und 2060 von 67 Gigatonnen auf 176 Gigatonnen ansteigen. Rösgen: „Dafür ist einmal eine stetig wachsende Weltbevölkerung verantwortlich. In erster Linie entsteht der steigende Ressourcenverbrauch aber durch einen steigenden Lebensstandard.“ Es sei deswegen absolut notwendig zu klären, woher die Ressourcen kommen können. „Die grüne Antwort wäre vielleicht der Verzicht. Ich glaube aber nicht, dass das funktioniert. Man kann den Menschen in ärmeren Regionen einen höheren Lebensstandard nicht verweigern.“ Wie soll es also gehen? „Wir sind dazu verpflichtet, die Ressourcen, die wir haben, so vernünftig wie möglich einzusetzen. Darum ist Kreislaufwirtschaft eine absolut sinnvolle, notwendige, manchmal anstrengende Maßnahme“, sagt Rösgen.
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