
Ein Industrieland braucht eine zuverlässige Grundlastversorgung
Pro: Dr. Christoph Ploß MdB (37) ist CDU-Bundestagsabgeordneter und ordentliches Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Verkehrsausschuss.
Als russische Truppen im Februar auf Kiew marschierten, war klar: Dieser Angriffskrieg würde auch auf Deutschland massive Auswirkungen haben. Die zuverlässige Energieversorgung unseres Landes hat in der politischen Diskussion seitdem einen neuen Stellenwert. Die Union sollte sich hier klar positionieren: Deutschland braucht auch nach dem April 2023 eine
saubere, bezahlbare, zuverlässige und grundlastfähige Stromquelle – und diese Rolle kann auf absehbare Zeit nur die
Kernenergie übernehmen.
Ja, auch erneuerbare Energien können günstig sauberen Strom produzieren; ihren Ausbau gilt es deshalb weiter voranzutreiben. Für ein Industrie- und Hochtechnologieland ist eine zuverlässige Grundlastversorgung indes unerlässlich. Dies können die erneuerbaren Energien noch nicht leisten. In großem Stil Kohlekraftwerke wieder anzufahren, ist angesichts des Klimawandels aber unverantwortlich. Eine massive Steigerung der Stromimporte würde unsere Abhängigkeit ebenso erhöhen, wie weiter auf Erdgas zu setzen. Die weltweite Uranproduktion ist hingegen breit gestreut, zwei Drittel kommen aus Kasachstan, Namibia und Kanada.
Unser Strombedarf wird zudem stark steigen. Etwa im Chemie- und Verkehrssektor, aber auch in anderen Bereichen wird sich der Strombedarf in den nächsten Jahren vervielfachen, auch weil der CO2-Ausstoß unseres Landes weiter sinken soll. Dieser Bedarf muss bezahlbar gedeckt werden. Schon heute hat jedoch kaum ein Industrieland höhere Strompreise als Deutschland. Letztlich wird nur die Kernenergie das erforderliche Stromangebot schaffen können. Dazu müssen wir auch die Forschung vorantreiben. Zahlreiche Länder bauen bereits moderne Reaktoren, die sicherer und effizienter sind. Die Reaktoren der nächsten Generation werden wohl auch einem Nachteil der Kernenergie begegnen können und verbrauchte Brennstäbe nutzen. Ohnehin zählt die Kernenergie bei nüchterner Betrachtung pro erzeugter Kilowattstunde zu den sichersten und klimafreundlichsten Formen der Stromerzeugung.
Nach den ideologisch geprägten Debatten der Vergangenheit spricht sich heute auch eine wachsende Mehrheit der deutschen Bevölkerung für eine verstärkte Nutzung der Kernenergie aus. Wenn wir sichere und bezahlbare Energie für den Mitttelstand, wenn wir die Klimaschutzziele erreichen und im Winter warme Wohnungen haben wollen – dann brauchen wir neben den Erneuerbaren auch in den nächsten Jahren Kernenergie.
Bis 2050 wird Kernkraft keine Lösung sein können
Thomas Heilmann MdB (58) ist CDU-Bundestagsabgeordneter, MIT-Mitglied und Bundesvorsitzender KlimaUnion e.V. Er ist ordentliches Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss sowie im Ausschuss für Klimaschutz und Energie.
Neue Kernkraftwerke sind dramatisch zu teuer, zu unflexibel, ihr Bau käme viel zu spät und es gibt bis heute ungelöste Probleme. AKWs werden fossile Energien nicht ersetzen können. Wenn sich die Union nicht von der Illusion Kernenergie verabschiedet, werden ihre Kompetenzwerte bei den Themen Energie, Wirtschaft und Klima weiter so sinken, wie es gerade eine Studie im Auftrag des CDU-Bundesvorstands gezeigt hat – eine echte Bedrohung für unsere Wahlchancen. Schon die These, bisher sei Kernenergie günstig, ist falsch. Allein Deutschland zahlte bisher 287 Mrd. Euro Subventionen für nukleare Energie, deutlich mehr als die gesamte Förderung der erneuerbaren Energien. Darin fehlen die Endlagerkosten von mindestens 51 Mrd. Euro. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat 2021 ausgerechnet, dass nur Braun- und vor allem Steinkohle mehr Subventionen bekommen haben: sagenhafte 437 Mrd. Euro bzw. 100 Mrd. mehr als die Atomenergie. Erneuerbare Energien liegen trotz der Überförderung durch das EEG bei gut der Hälfte. Das einzige ökonomisch Sinnvolle ist, abgeschriebene Anlagen kurzfristig länger laufen zu lassen. Das hilft ein wenig gegen Strommangel und Preissteigerungen, aber nicht dauerhaft. Werden AKWs zu alt, wird es teuer. Der französische Steuerzahler muss dieses Jahr Verluste von 32 Mrd. Euro stemmen. Genauso schlimm sind die Zahlen beim Neubau. Sechs AKWs befinden sich in Europa im Bau. Alle haben mindestens zehn Jahre Verzug. Alle haben höhere Preissteigerungen als der Flughafen BER – das finnische Olkiluoto von 3 auf 10 Mrd., das französische Flamanville von 3 auf 19 Mrd. Euro. Seit 25 Jahren sinkt der Anteil der Kernkraft an der weltweiten Stromerzeugung, erstmalig seit 40 Jahren auf unter 10%. Ohne die chinesischen Neubauten mit ihren wenig nachvollziehbaren Kalkulationen wäre der Rückgang noch stärker. Die internationale Atomenergiebehörde sagt, jedes achte AKW werde nicht fertig gebaut. Atom-Reaktoren der vierten Generation sind entweder noch im Forschungsstadium (Flüssigsalzreaktor und Laufwellenreaktor) oder haben das Prototypen-Stadium nicht überwunden (gasgekühlte Hochdrucktemperaturreaktoren). Im Westen gibt es keine Genehmigungen, nur eine allgemeine, vorläufige Design-Zertifizierung in den USA. Bleibt die Kernfusion, „das Dauerversprechen zur Lösung der großen Energiefragen“ (CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume). Kosten- und Zeitpläne verschieben sich permanent: Wir sind bei 20 statt geplanten 6 Mrd. Euro für den Prototyp Iter, der den Funktionsnachweis bislang nicht erbringen konnte, und einem kommerziellen Start frühestens 2060.
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