Begründung:
Mit der von der Bundesregierung ausgerufenen Zeitenwende steht Deutschland vor der strategischen Aufgabe, seine sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit dauerhaft zu stärken und die dafür notwendigen technologischen Grundlagen im eigenen Land zu entwickeln. Dazu gehört eine leistungsfähige, innovationsgetriebene Industrie für Verteidigungstechnologien, die nicht nur auf etablierte Großunternehmen setzt, sondern auch jungen, dynamischen Akteuren den Zugang zum Markt ermöglicht. Nur wenn es gelingt, ein ausgewogenes Ökosystem aus großen, mittelständischen und jungen Unternehmen zu schaffen, wird Deutschland langfristig die notwendige technologische Souveränität erreichen.
Start-ups im Verteidigungs- und Dual-Use-Bereich leisten hierbei einen entscheidenden Beitrag. Sie sind in der Lage, mit hoher Geschwindigkeit innovative Lösungen zu entwickeln – etwa im Bereich unbemannter Systeme, Künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit oder Sensorik. Auch in Feldern wie Materialwissenschaften, Quantentechnologien, Robotik und Energieversorgung entstehen in Start-ups zentrale Impulse für die Verteidigungsfähigkeit der Zukunft. In vielen befreundeten Staaten wie den USA, Israel oder Frankreich ist diese Innovationskraft bereits integraler Bestandteil der nationalen Sicherheitsstrategie. Dort profitieren junge Unternehmen von gezielten Förderprogrammen, vereinfachten Beschaffungsverfahren und direktem Zugang zu staatlichen Auftraggebern. Diese Länder zeigen, dass eine enge Verzahnung von Start-up-Innovation und Verteidigungsindustrie die technologische Überlegenheit maßgeblich stärkt – ein Vorbild, das Deutschland dringend adaptieren muss.
Die Aggression Russlands gegen die Ukraine hat eindrücklich gezeigt, dass es für die Verteidigung unserer Freiheit zwingend notwendig ist, über schlagkräftige eigene Streitkräfte und eine unabhängige Verteidigungsindustrie zu verfügen. Wenn Deutschland im Rahmen der Zeitenwende massiv mehr in die Verteidigung investieren muss, dann sollte dieses Geld gezielt in die heimische Industrie, in innovative Unternehmen und in die Schaffung von Wertschöpfung und Arbeitsplätzen vor Ort fließen – statt überwiegend im Ausland Rüstungsgüter einzukaufen. Nur so bleibt die Steuerbasis im Land, nur so entstehen neue Arbeitsplätze, und nur so wird die Innovationskraft der eigenen Wirtschaft gestärkt. Gleichzeitig macht Deutschland sich unabhängiger von ausländischen Partnern und sichert im Ernstfall die notwendige Handlungsfähigkeit.
In Deutschland hingegen stehen Defence- und Dual-Use-Start-ups vor hohen Markteintrittshürden:
- Viele bestehende Förderprogramme schließen sicherheitsrelevante und Dual-Use-Technologien pauschal aus, selbst wenn diese über bedeutende zivile Anwendungsfelder verfügen. Dadurch werden Innovationen in Bereichen mit hohem sicherheits- und wirtschaftspolitischem Nutzen von vornherein benachteiligt und wichtige Entwicklungschancen für den Mittelstand blockiert.
- Der Zugang zu Risikokapital ist besonders eingeschränkt, da viele Investoren sicherheitsrelevante Geschäftsmodelle aus politischen oder regulatorischen Gründen meiden. Dieser Mangel an privatem Kapital verhindert nicht nur das Wachstum, sondern häufig bereits die Gründung solcher Unternehmen. Internationale Wettbewerber profitieren hier von deutlich besseren Finanzierungsbedingungen, wodurch ein Innovationsgefälle entsteht.
- Die derzeitigen Beschaffungsprozesse der Bundeswehr sind stark formalisiert, langwierig und mit Anforderungen (z. B. umfangreiche Referenzprojekte, hohe Mindestumsätze, komplexe Nachweisverfahren) versehen, die junge und mittelständische Unternehmen praktisch vom Wettbewerb ausschließen. Dadurch bleiben innovative Lösungen oft ungenutzt, und der Marktzugang für neue Anbieter wird erheblich erschwert. Gerade in einer Zeit, in der technologische Zyklen immer kürzer werden, ist dies ein gravierender Wettbewerbsnachteil.
Gerade hier kommt der Bundeswehr eine Schlüsselrolle zu. Als größter öffentlicher Auftraggeber im Verteidigungsbereich kann sie entscheidend dazu beitragen, dass geförderte Innovationen schnell zur Truppe gelangen. Durch gezielte Pilotprojekte, Kleinserienbeschaffungen und praxisnahe Erprobungen im regulären Einsatzumfeld lassen sich Markteintrittsbarrieren abbauen und die technologische Reife neuer Lösungen beschleunigen. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) kann so ein direkter Übergang von der Förderung zur Beschaffung geschaffen werden – mit klaren Prioritäten für heimische, mittelständische und innovative Anbieter.
Darüber hinaus sollte Deutschland auch auf europäischer Ebene eine aktivere Rolle einnehmen. Die enge Einbindung deutscher Start-ups in europäische Förderinitiativen wie den European Defence Fund oder die Permanent Structured Cooperation (PESCO) eröffnet nicht nur neue Finanzierungsquellen, sondern stärkt auch die Integration in die europäische Sicherheitsarchitektur. Gleichzeitig wird verhindert, dass technologische Abhängigkeiten gegenüber Drittstaaten weiter anwachsen.
Gerade in einer Zeit, in der Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit modernisieren und technologische Souveränität sichern muss, ist es zwingend notwendig, diese Innovationspotenziale zu erschließen. Eine gezielte Öffnung der Förderinstrumente und ein beschleunigtes, innovationsfreundliches Beschaffungsverfahren ermöglichen es Start-ups, sich am Markt zu etablieren, ihre Technologien praxisnah zu erproben und schnell in die Einsatzrealität zu überführen. Dies schließt ausdrücklich auch die Schaffung einer Kultur der Risikobereitschaft im Beschaffungswesen ein, bei der innovative, aber noch nicht vollständig ausgereifte Technologien über Test- und Demonstrationsprojekte gefördert werden.
Dies stärkt nicht nur die technologische Leistungsfähigkeit der Bundeswehr, sondern auch den Mittelstand insgesamt, indem neue Wertschöpfungsketten entstehen, hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und Abhängigkeiten von ausländischen Zulieferern reduziert werden. Die Förderung von Start-ups im Verteidigungs- und Dual-Use-Bereich ist daher nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine sicherheits- und industriepolitische Notwendigkeit im Rahmen der Zeitenwende. Ein entschlossenes Handeln stärkt die Resilienz Deutschlands, eröffnet neue Wachstumschancen und sichert die technologische Führungsfähigkeit unserer Wirtschaft und Verteidigung.
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