Vetternwirtschaft
Als Präsident des Europaparlaments ließ Schulz enge Mitarbeiter Beförderungsbescheide gleich selbst formulieren. Darin wurde festgelegt, dass diese ihre vorteilhaften Dienstgrade behalten sollten, selbst wenn sie nicht mehr für Schulz arbeiteten. Die Dekrete wurden dann aber von der Parlamentsverwaltung als rechtswidrig gestoppt. Im März wurde Schulz vom Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments gerügt, weil er seinen Vertrauten Markus Engels 2012 auf dauerhafte Dienstreise nach Berlin schickte, obwohl dieser dort wohnte. Das war für Engels besonders lukrativ, da er so eine 16-prozentige Auslandszulage und 16.000 Euro Tagegeld einsacken konnte.
Alternative Fakten
Martin Schulz begann seinen Kampf für „mehr Gerechtigkeit“ mit der Ankündigung, die Agenda 2010 korrigieren zu wollen. Er schlug vor, das Arbeitslosengeld I (ALG I) zu verlängern und befristete Arbeitsverträge einzuschränken. Dabei behauptete er mehrfach, in der Altersgruppe der 25- bis 35-Jährigen wären 40 Prozent der Arbeitsverträge befristet. Tatsächlich waren es 2015 lediglich 18 Prozent (Statistisches Bundesamt). Eine Verlängerung des ALG-I-Bezugs – die schon jetzt mit einer Qualifizierung möglich ist – würde eine schnelle Wiederaufnahme von Arbeit erschweren, warnten Arbeitgeberverbände und Arbeitsmarktexperten. Außerdem können über 55-Jährige schon jetzt bis zu zwei Jahre lang ALG I ausgezahlt bekommen. Entgegen der Auslegungen des SPD-Kandidaten verdrängen befristete, Teilzeit- oder Zeitarbeitsverhältnisse auch nicht „normale“ Vollzeit-Jobs, so das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Zwar habe es ab Mitte der 1990er Jahre einen deutlichen Zuwachs atypisch Beschäftigter gegeben. Seit zehn Jahren jedoch verliere diese Entwicklung deutlich an Dynamik. Das gelte auch für die wichtigsten europäischen Länder.
Schulden-Schulz
Martin Schulz sprach sich schon früh für eine Vergemeinschaftung der Schuldenin Europa aus. Konkret schlägt er seit 2010 die Einführung von Eurobonds, also gemeinsame Staatsanleihen der Eurostaaten, vor. Die hätten für kriselnde Staaten den Vorteil, dass ihre Zinslast sinken würde – solide wirtschaftende Länder wie Deutschland würden aber unter den starken Zinsaufschlägen leiden. Sie würden also für ihre Disziplin bestraft und müssten für die Defizite anderer Staaten mitgarantieren. Als SPD-Kanzlerkandidat hält Schulz sich jedoch in dieser unpopulären Frage auffällig bedeckt. Kritik übte Schulz immer wieder auch an der soliden Finanzpolitik der unionsgeführten Bundesregierung. Sparpolitik und Ausgabenkürzungen betrachtet er mit Skepsis, stattdessen setzt er auf Kredite und EU-Förderung.
Vertragsbruch
Seit 1979 ist es parlamentarische Gepflogenheit, dass der vom EU-Parlament gewählte Präsident sowie die weiteren Präsidiumsmitglieder zur Hälfte der Amtszeit wechseln. Eine derartige Vereinbarung trafen nach der Europawahl 2014 auch die beiden größten Fraktionen, die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) und die Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D). Für Schulz, der sich schon seit 2012 im Amt befand, war schnell klar, wer der bestmögliche Nachfolger für ihn war: er selbst. So ermöglichte er sich eine nie dagewesene zweite Amtszeit als Präsident. Doch trotz seiner schriftlichen Zusage klebte Schulz auch 2016, zwei Jahre später, noch so sehr an seinem Stuhl, dass er alles daran setzte, im Amt zu bleiben. Als er Ende 2016 seinen Wechsel in die Bundespolitik bekanntgab, schickte Schulz dann plötzlich seinen Parteifreund und S&D-Fraktionsvorsitzenden Gianni Pittella ins Rennen. Verträge scheinen für Schulz also nur so lange zu gelten, wie sie seiner eigenen Person nützen.
Schulz-Zug
Im Willy-Brand Haus wurde kürzlich ein besonders geschmackloses Computerspiel entwickelt. In der Rolle von Martin Schulz als Lokführer konnte man im „Schulzzug“ auf einem Gleis politische Gegner überrollen, darunter Donald Trump, Wladimir Putin und Frauke Petry. Für das Spiel warben Schulz-Anhänger im Internet mit dem Stichwort #Schulzzug. Nachdem die Darstellung von überfahrenden Menschen kritisiert worden war, entschärften die Entwickler das Spiel.
Schulz' Spaßbad
Als ehrenamtlicher Bürgermeister von Würselen hinterließ Schulz seiner Stadt ein teures Erbe. Er setzte sich damals massiv für die Errichtung eines neuen Freizeitbads ein. Der Bau sollte mit Hilfe eines Investors gestemmt werden, der dann aber absprang. Also bürgte die Stadt mit 20 Millionen Mark für alle Verbindlichkeiten. Das „Aquana“ floppte. Seitdem hat das Bad die Kleinstadt laut „Stern“ rund 50 Millionen Euro gekostet. Jedes Jahr komme eine gute Million dazu. Den Bau setzte Schulz zudem gegen den Widerstand seiner Bevölkerung durch. Die sammelte nämlich 4000 Stimmen (bei damals rund 35.000 Einwohnern) für ein Bürgerbegehren gegen den Bau, was Schulz aber wegen eines angeblichen Formfehlers abbügelte.
Amtsmissbrauch
Während des Europawahlkampfs 2014 strich Präsident Schulz selbst bei reinen Wahlkampfveranstaltungen im Ausland monatelang Tagegelder ein. Diese üppigen Zulagen von 304 Euro pro Tag dienen jedoch eigentlich der Parlamentsarbeit, vor allem für Unterkunft und Verpflegung in Straßburg und Brüssel. Nach öffentlichem Druck verzichtete Schulz in den letzten Wochen im Wahlkampf darauf. Für viel Kritik sorgte Schulz zudem, weil er seinen Präsidenten-Account bei Twitter kurzerhand in einen Wahlkampf-Account umwandelte. Seine damals rund 90.000 Follower folgen nun automatisch dem SPD-Wahlkämpfer Schulz. „Das ist so, als bekömmen die Abonnenten von ‚Das Parlament‘ auf einmal den ‚Vorwärts‘ “, kritisierte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Herbert Reul. Die Situation spitzte sich schließlich derart zu, dass sämtliche Fraktionen des Europaparlaments, mit Ausnahme seiner S&D-Fraktion, Schulz Amtsmissbrauch vorwarfen und ihn zum Rücktritt aufforderten.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2-2017 des Mittelstandsmagazins.
Fotos: ullrich, wenchiawang/stock.adobe.com
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